Samstag, April 27, 2024

Globale Trends und regionale Herausforderung – Nachfolgemanagement

Die Schnelllebigkeit in Gesellschaft und Wirtschaft hat grundsätzlich zugenommen und damit die Notwendigkeit, Zukunftsmanagement zu betreiben. Das Veränderungsmanagement hat aufgrund so wichtiger (Mega-)Trends bzw. Treiber wie Klimawandel und Umweltschutz, Globalisierung, Digitalisierung, demografischer Wandel, Mobilität und Migration sowie Wandel von Werten und Ansprüchen für die Entscheidungsträger in Politik, Verwaltung und Wirtschaft an Bedeutung gewonnen. Ein Beitrag von Prof. Dr. Norbert Zdrowomyslaw, Stralsund.

Überlegungen und Konzepte zum Zukunfts- und Veränderungsmanagement sind angesichts der globalen und regionalen Herausforderungen für jeden Standort und jede Organisation von strategischer Bedeutung. Das Handlungsmotto lautet dabei: Global denken, lokal und regional handeln. Wie Abbildung 1 zeigt, sind wichtige Handlungsfelder auf der regionalen und unternehmensbezogenen Ebene u.a. Arbeitskräftesicherung, Unternehmensnachfolge, Abwanderung in den ländlicheren Regionen entgegenwirken, Arbeitgeberattraktivität erhöhen und Standortattraktivität intensiver vermarkten – Tue Gutes und rede darüber. Das Nachfolgemanagement gehört zu einer der zentralsten Herausforderungen in Hinblick auf die Sicherung des Unternehmensbestandes, die Gründung und das Wachstum von Unternehmen sowie die Erhöhung der Standortattraktivität und eine positive Regionalentwicklung.

Abb. 1: Megatrends und regionale Herausforderungen

Quelle: Eigene Darstellung unter Berücksichtigung der Megatrends nach dem Zukunftsforscher Matthias Horx.

Die Sicherung von Arbeitskräften und die Lösung der Probleme der Nachfolgeregelung zählen zu den wichtigen Herausforderungen der Politik und Wirtschaft bundesweit. Sicherlich bestehen branchenbezogene und regionale Unterschiede in der Altersstruktur, der Arbeitskräfteverfügbarkeit und anderen Parametern, aber die grundsätzliche Suche nach Lösungsansätzen beschäftigt mehr oder weniger fast jedes Profit- und Non-Profit-Unternehmen.

Unternehmensnachfolge eine zentrale Herausforderung – besonders im Osten

Das Nachfolgemanagement und die Unternehmensnachfolge werden zur immer größeren Herausforderung – besonders im Osten. Durch die friedliche Revolution am 9. November mit dem Fall der Mauer, der am 1. Juli 1990 verabschiedeten Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion und schließlich dem 3. Oktober 1990 dem Tag der deutschen Einheit haben sich das Wirtschafts- und Gesellschaftssystem und die Unternehmensstrukturen massiv verändert. Es vollzog sich ein radikaler Umbruch von Kombinatsstrukturen zu privaten kleinteiligen Betriebseinheiten.

Dem DIHK-Report 2019 und Informationen von Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern zufolge, berichten immer mehr Unternehmerinnen und Unternehmer von Schwierigkeiten bei der Nachfolgesuche. Besonders eng ist die Situation im Osten. In den neuen Bundesländern hatten mit 54 Prozent mehr als die Hälfte der Alt-Eigentümer bei der ersten IHK-Beratung noch keinen Nachfolger in Aussicht. Betroffen sind vor allem Einzelhändler sowie Hotel- und Gastronomiebetriebe. 30 Jahre nach der Wende ist damit in vielen östlichen Regionen die Unternehmensnachfolge eine besonders große als auch regionalpolitische Herausforderung.

Dies wird u.a. daran sichtbar, dass Industriebetriebe in den meisten neuen Bundesländern vergleichsweise unterpräsentiert sind, aber Industriebetriebe Hinblick auf eine Unternehmensübernahme bei Nachfolgern am beliebtesten sind. Im „DIHK-Report zur Unternehmensnachfolge 2019” ist zu lesen: „45 Prozent der Nachfolgeinteressenten, die zur IHK kommen, wollen einen Industriebetrieb übernehmen. Ihnen steht ein numerisch erheblich geringerer Anteil von 21 Prozent der beratenen Senior-Unternehmer mit einem Industriebetrieb gegenüber. Besonders groß ist die Diskrepanz in den östlichen Regionen. Hier beträgt der Anteil der Industriebetriebe, die zur Übernahme anstehen, gerade einmal 16 Prozent, während 53 Prozent der potenziellen Übernehmer einen Industriebetrieb suchen. In vielen östlichen Regionen besteht mithin eine besondere Herausforderung für die Wirtschaftsförderung, qualifizierte und unternehmerisch Interessierte für Nachfolgeunternehmen anderer Branchen zu gewinnen, wie etwa industrienahe Dienstleister.“

Sensibilisierung forcieren und Nachfolgeregelungen unterstützen

Das Thema Unternehmensnachfolge ist von höchster Aktualität. Angesichts dieser bundesweiten brisanten Fachkräfte- und Nachfolgeproblematik hat Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier in der Pressemitteilung am 30. August 2019 folgende Aussage getätigt „Ungeklärte Nachfolgesituationen in KMU können wir uns nicht leisten“. Im Rahmen seiner Mittelstandsreise gab Peter Altmaier dann den Startschuss für die Initative „Unternehmensnachfolge – aus der Praxis für die Praxis“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi). Die Initiative ist eine Maßnahme der Gründungsoffensive „GO!“, die das BMWi gemeinsam mit den Wirtschaftsverbänden ins Leben gerufen hat.

An der gesamtwirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Vorbereitung und Umsetzung einer Unternehmensnachfolge sind unterschiedliche Akteure beteiligt: Ministerien, Wirtschaftsfördergesellschaften, Industrie- und Handwerkskammern, Handwerkskammern, Bürgschaftsbank, Kreditinstitute, Unternehmerverbände, Rechtsanwälte, Unternehmens- und Steuerberater. Die rechtzeitige und umfassende Beschäftigung mit den Problemen der Nachfolgeregelung und die Kenntnis von Lösungsansätzen zur Übergabe von Unternehmen ist ein erster Baustein zur Unternehmenssicherung.

Wer an die Selbstständigkeit denkt und sich als potenzieller „Existenzgründer“ sieht, sollte die Vorteile und Nachteile zwischen einer Neugründung und Übernahme abwägen. Tabelle 1 zeigt den direkten Vergleich zwischen Neugründung und Übernahme.

 

Tab. 1: Unternehmensübergabe versus Neugründung

Unternehmensübergabe Neugründung
Vorteile:

·       Märkte sind bereits vorhanden, müssen nicht mit viel Aufwand erschlossen werden

·       Unternehmen bereits positioniert

·       Vorhandener Kundenstamm

·       Vorhandene Produktpalette

·       Erfahrener Mitarbeiterstamm

·       Netz von Lieferanten und Geschäftspartnern vorhanden

·       Know-how des Altinhabers wichtiges Kapital

·       Eingespielte interne Abläufe

·       Chancen und Risiken aufgrund von Erfahrungswerten besser abschätzbar

·       Konkrete Zahlen für die Unternehmensplanung

·       Bonitätsprüfung für Kreditinstitute einfacher

·       Höhere Ertragschancen von Anfang an

 

Nachteile:

·       Fest gefahrene Strukturen

·       Startproblem des »Neuen« durch Mitarbeiter und Kunden

·       Dominanz des Altinhabers

·       Veraltete Produkt- und Leistungspalette

·       Längere Zeit keine Investitionen in Modernisierungsmaßnahmen

·       Höherer Kapitalbedarf

·       Höheres Risiko

·       Verantwortung für bestehenden Mitarbeiterstamm

Nachteile:

·       Markt muss erst erschlossen werden

·       Positionierung des Unternehmens braucht langen Atem (auch finanziell)

·       Noch keine Kunden

·       Kein differenziertes Produktprofil

·       Lieferanten und Geschäftspartnersuche ist aufwendig

·       Anfängerfehler kosten Zeit und Geld

·       Häufig »Chaos des Anfangs«

·       Einschätzung der Perspektiven sehr schwierig

·       Trotzdem muss überzeugender Business-Plan her, um bei der Prüfung durch die Bank zu bestehen und Kredite zu erhalten

·       Geringere Ertragschancen bei gleichzeitig hohen Ausgaben in der Anfangsphase

 

 

Vorteile:

·       Neue Geschäftsideen in der Regel realisierbar

·       Neugründungen sind maßgeschneidert

·       Großer Gestaltungspielraum, um flexibel auf Kundenwünsche zu reagieren

·       Trumpfkarte »Fähigkeit zur innovativen Investition«

·       Geringerer Kapitalbedarf

·       Geringeres Risiko

·       Verantwortung für selbst gewählte Mitarbeiter

Quelle: Felden/Klaus 2007, S. 31.

 

Infos gibt es viele – aber Beratung muss sein!

Die Unternehmensnachfolge ist ein komplexer und interdisziplinärer Vorgang, der zum einen qualifiziertes Wissen erfordert und zum anderen für deren Erfolg maßgeblich auch die Zusammenarbeit von unterschiedlichen Fachdisziplinen notwendig macht. Wichtig ist, dass der Übergeber sich rechtzeitig mit dem Aspekt Nachfolgeregelung beschäftigt und sich über wichtige Aspekte der Unternehmensnachfolge informiert. Zu den häufigsten Übergabefehlern, die zum Scheitern des Nachfolgeprojekts führen können, gehören Finanzierungsfehler, steuerliche Fehlentscheidungen, eine falsche Beurteilung rechtlicher Fragen und die Unterschätzung der psychologischen Komponente.

Die hohe Komplexität des gesamten Gebildes Nachfolge wirft viele Detailfragen auf, die von den jeweils fachlich zuständigen Experten beantwortet werden können. Da jedes Unternehmen einzigartig ist und es keine Pauschallösung für die Unternehmensnachfolge geben kann, ist es ratsam Berater in den Prozess der Unternehmensnachfolge einzubinden.

Aus Praxisfällen Anregungen für die individuelle Unternehmensnachfolge ziehen

Unternehmerinnen und Unternehmer sind stark in ihre täglichen geschäftlichen Aktivitäten eingebunden und finden nur wenig Zeit, sich mit dem existenz- und zukunftssichernden Thema Nachfolgeregung zu beschäftigen. An Informationsmaterialien mangelt es nicht. Aber die Betriebsübergeber müssen auch nicht alle Facetten der Unternehmensnachfolge selbst beurteilen, sondern in erster Linie ist es wichtig, sich rechtzeitig diesem Thema zu nähern. Einen guten Einstieg für eine Sensibilisierung der Nachfolgethematik und Anregung für die individuelle Umsetzung eines Nachfolgeprozesses bieten Praxisfälle. In dem Buch „Unternehmensnachfolgeregelung in Mecklenburg-Vorpommern. Mit der Praxis für die Praxis!“ berichten 36 Unternehmen aus Mecklenburg-Vorpommern wie sie die Nachfolgeregelung vorbereiten und wie sie die Unternehmensnachfolge gestaltet haben. Dabei kommen sowohl Übergeber als auch Übernehmer zu Wort. Es werden Erfahrungsberichte von kleinen und mittleren Unternehmen wie der Kunsttischlerei & Restaurierung Renè und Dirk Roloff GbR, UmweltPlan GmbH, VETEC Zerspannungs- und Feinwerktechnik GmbH, SUS GmbH Schwerin sowie von größeren Unternehmen wie der mele Unternehmensgruppe, Seetel Hotel GmbH & Co Betriebs-KG, Ostsee-Molkerei Wismar GmbH und ScanHaus Marlow GmbH illustrativ präsentiert. Diese komprimierten und authentischen Fallbeispiele werden jeden Leser und Leserin dazu anregen, sich praxisnah mit der eigenen Unternehmensnachfolge zu beschäftigen – unabhängig aus welcher, Branche und Unternehmensgröße und aus welchem Bundesland.

 

 

 

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