Mittwoch, Oktober 1, 2025

35 Jahre Einheit: Der lange Weg auf die Weltmärkte

Nach 1990 brach der ostdeutsche Außenhandel zusammen. Mittlerweile wächst das Außenhandelsvolumen der ostdeutschen Länder nahezu kontinuierlich. Mit steigender Ausrichtung auf die Weltmärkte nehmen aber auch die Abhängigkeiten zu.

Von Matthias Salm

Die Hoffnung, Ostdeutschland werde nach 1990 zur Drehscheibe für den Osthandel, trug nicht lange. Im Gegenteil: Zwischen 1990 und 1994 brachen die ostdeutschen Exporte in den osteuropäischen Raum um 79 Prozent ein. Von diesem Einbruch erholte sich die Wirtschaft zwischen Ostsee und Erzgebirge nur mühsam. Es war ein langer Weg auf die Weltmärkte. Noch heute leidet Ostdeutschland im Export unter Standortnachteilen. Dazu gehört die Dominanz kleiner und mittlerer, aber eher exportschwacher Betriebe im Osten, die geringere internationale Vernetzung, die fehlenden Konzernsitze im Osten und auch die Produktion zahlreicher Vorleistungsprodukte, die in den westlichen Bundesländer veredelt und dann dort als Exporte zu Buche schlagen. 

Allen voran hat sich die sächsische Wirtschaft in den letzten 15 Jahren internationalisiert. Über ein Drittel aller ostdeutschen Warenexporte stammten 2024 aus dem Freistaat. Sachsen exportierte Waren im Wert von 51,1 Milliarden Euro, der zweitbeste Wert überhaupt nach 2022. Größter Exportpartner der Sachsen ist China mit 6,03 Milliarden Euro, gefolgt von den USA mit 5,1 Milliarden Euro Exportwert. Zunehmend wichtiger wird als Partner das Nachbarland Tschechien, das mittlerweile hinter Großbritannien auf Rang 4 der wichtigsten Exportländer aufgestiegen ist.

Allerdings lauern in der sächsischen Erfolgsgeschichte auch Fallstricke – die erratische Zollpolitik der USA beispielsweise und der hohe Anteil der Fahrzeugbranche an den Exporten (43 Prozent). Beides sind Unsicherheitsfaktoren für die künftige Entwicklung. Allerdings ist die sächsische Wirtschaft mittlerweile auch in Europa besser vernetzt. Im ersten Halbjahr 2025 legten die Ausfuhren nach Großbritannien (+16 Prozent zum 1. Halbjahr 2024), Tschechien (+15 Prozent), Frankreich (+15 Prozent) sowie Polen (+9 Prozent) zu. Europa bleibt mit einem Anteil von insgesamt 62 Prozent weiterhin der wichtigste Absatzmarkt für sächsische Waren. Kraftfahrzeuge und -teile, Elektrotechnik und Maschinenbau sind die Stärken des Freistaats. Gegenwärtig bereisen Ministerpräsident Michael Kretschmer und Sachsens Wirtschaftsminister Dirk Panter Taiwan und Japan, um die Exportbeziehungen des Freistaats weiter zu diversifizieren. 

Wie sehr einzelne wirtschaftliche Entscheidungen das Bild im Außenhandel bestimmen können, zeigt das Beispiel Brandenburg. Lange Zeit blieb das Land im Ausfuhrhandel angehängt. Seit 2022 sind die Ausfuhrzahlen geradezu explodiert. Von 13,5 Milliarden Euro im Jahr 2021 auf 24 Milliarden Euro in 2024. Wesentlichen Anteil hat daran die Gigafactory von Tesla, die vorwiegend für den europäischen Markt produziert. Lag die Brandenburger Exportquote 2005 noch bei 24,1 Prozent, sind es heute 48,7 Prozent. 

Auch im ersten Halbjahr 2025 stiegen die Brandenburger Exporte um 2,7 Prozent. Auch hier zeigt sich der Einfluß des amerikanischen Autobauers. So wuchs der Außenhandel mit Belgien um 3,5 Prozent, allein weil es das stärkstes Abnehmerland für Elektrofahrzeuge ist. 66 Prozent der Ausfuhren Brandenburgs gehen in den europäischen Raum, insbesondere nach Polen. So stieg der Export Brandenburgs von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeugteilen in die Welt im ersten Halbjahr um 17,1 Prozent. Daneben sind die Brandenburger mittlerweile mit Nahrungs- und Futtermitteln und pharmazeutischen Erzeugnisse auf den Weltmärkten etabliert, auch durch Ansiedlungen wie den japanischen Pharmakonzern Takeda in Oranienburg. 

Berlin zeigt sich international

Weitaus diversifizierter und weniger abhängig vom Erfolg eines einzelnen Unternehmens ist die Berliner Wirtschaft. Chemische und pharmazeutische Produkte, Maschinen und Fahrzeuge und Fahrzeugteile sind nahezu gleich bedeutsame Ausfuhrgüter. Die Berliner Exporte stiegen im Jahr 2024 um 2,2 Prozent auf 17,1 Milliarden Euro. Die USA stellen den wichtigsten Absatzmarkt mit 1,6 Milliarden Euro dar, gefolgt von Frankreich und China mit jeweils mit 1,3 Milliarden Euro. Europa nimmt aber mit 49 Prozent den Löwenanteil an den Exportregionen ein. 

Berliner Exportschlager sind Motorräder und medizinische Geräte. Kein Wunder, ist Berlin doch europaweit einer der größten Fertigungsstandorte für Motorräder, der allerdings ein Erbe des Westteils der Stadt ist. Auch Berlin drohen aktuell Verwerfungen durch den Zollkonflikt mit den USA. Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey sondiert deshalb aktuell neue Märkte, bereist Japan und eröffnet ein Auslandsbüro in Indien.

In Sachsen-Anhalt waren die Ausfuhren im ersten Halbjahr 2025 bereits rückläufig. Ebenso wie in Thüringen sind die Exportquoten hier zwar seit 2009 kontinuierlich gestiegen, aber weit weniger dynamisch als in den zuvor genannten Ländern. Sie liegen unter dem Durchschnitt der ostdeutsche Länder. In Sachsen-Anhalt dominiert die exportstarke chemische Industrie, die 40 Prozent der Exporte von insgesamt 21 Milliarden Euro ausmacht. Ganz im Gegensatz zu den Nachbarländern ist die Wirtschaft rund um Magdeburg und Halle weit weniger auf die USA und China ausgerichtet. 70,5 Prozent der Ausfuhren gehen in die EU, insbesondere nach Polen, Niederlande und Tschechien. Gerade hier wirken sich die vielen Vor- und Halberzeugnisse in der chemischen Industrie nachteilig auf die Exportbilanzen aus, da sie zumeist in anderen Bundesländern weiter verarbeitet werden. 

Thüringen führte im Jahr 2024 Waren im Gesamtwert von 18,5 Milliarden Euro aus. Anders als in Sachsen-Anhalt liefern thüringische Unternehmen vor allem in die USA (12,0 Prozent der Ausfuhren). Die thüringischen Verkaufsschlager sind „Fahrgestelle, Karosserien, Motoren für Kraftfahrzeuge“, „optische und fotografische Geräte“ sowie „Lastkraftwagen und Spezialfahrzeuge“. Es bedarf keiner prophetischen Gaben, um vorauszusagen, dass die USA-Zollpolitik im Thüringer Außenhandel Spuren hinterlassen wird. 

Trotz der Erfolge im letzten Jahrzehnt liegen die ostdeutschen Länder im Außenhandel zumeist noch hinter den westdeutschen Ländern zurück. Besonders trifft dies für Mecklenburg-Vorpommern zu. Zwar haben sich im Küstenland die Exporte seit Beginn des Jahrtausends mehr als verdreifacht. Trotzdem ist der Anteil Mecklenburg-Vorpommerns am gesamtdeutschen Export mit 0,6 Prozent mehr als marginal. Das mag auch an den wichtigsten Ausfuhrgütern des Landes liegen. Mecklenburg-Vorpommern exportiert in erster Linie Getreide, vor allem Weizen, ins europäische Ausland, daneben Geräte zur Elektrizitätserzeugung und -verteilung.

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