Germany Trade and Invest (GTAI) erarbeitet regelmäßig Wirtschaftsausblicke für wichtige Märkte. In Kooperation mit GTAI veröffentlicht W+M auf der Grundlage dieser Wirtschaftsausblicke Auszüge daraus. Hier der Beitrag zu Frankreich von Frauke Schmitz-Bauerdick aus Paris.
Frankreichs Wirtschaft hält sich trotz der Dauerkrise solide. Dennoch bleiben die Aussichten für 2023 verhalten. Ab 2024 erwartet die Zentralbank einen Konjunkturaufschwung.
- Wirtschaftsentwicklung: Geopolitische Unsicherheiten überschatten 2023
- Investitionen: Unternehmen im Durchhaltemodus
- Konsum: Verbraucher bleiben zurückhaltend
- Außenhandel: Handelsbilanzdefizit steigt auf Rekordhoch
Wirtschaftsentwicklung: Geopolitische Unsicherheiten überschatten 2023
Frankreichs Wirtschaft zeigt sich trotz weltwirtschaftlicher Verwerfungen resilient, wenn auch im zweite Halbjahr 2022 mit einer deutlich verlangsamten Wirtschaftsleistung. Im Gesamtjahr 2022 hat das Land ein reales Wachstum von 2,6 Prozent erreicht. Der Ukrainekrieg sowie Energiekrise und Inflation werfen jedoch ihren Schatten auf 2023. Die Zentralbank Banque de France erwartet daher lediglich ein abgeschwächtes Wachstum von real 0,6 Prozent. Die wirtschaftlichen und geopolitischen Unsicherheiten wirken sich dämpfend auf die Investitionsbereitschaft von Unternehmen und Verbrauchern aus.
Frankreichs Wirtschaft leidet unter steigenden Preisen für Energie und Vorprodukte. Der Regierung ist es 2022 durch Eindämmungsmaßnahmen wie das Einfrieren der Gas- und Deckelung der Elektrizitätspreise insbesondere für Verbraucher gelungen, Preissteigerungen abzumildern. Für das Gesamtjahr ermittelt die Banque de France eine Inflationsrate von 5,9 Prozent. Unternehmen allerdings profitieren nur in Ausnahmefällen von Entlastungen und geben höhere Energie- und Produktionskosten an Käufer und Endverbraucher weiter. Vor allem der Anstieg bei Lebensmitteln und Benzin belastet die Verbraucher und führt zu sinkender Kaufbereitschaft.
Zwar prognostiziert die Banque de France auch für 2023 durchschnittliche Preissteigerungen von 5,4 Prozent, erwartet aber mittelfristig die Verlangsamung des Preisanstiegs mit einer Inflationsrate von 2,4 Prozent in 2024.
Zumindest erholt sich Frankreichs Exportindustrie. In weiten Bereichen erreichen die Ausfuhren wieder Vorkrisenniveau. Allerdings führen rasant steigende Kosten für die Einfuhr von Elektrizität und Gas zu einem Handelsbilanzdefizit in Rekordhöhe. Der Tourismus hingegen ist nach der Aufhebung von pandemiebedingten Beschränkungen eine der Stützen des – wenn auch schwachen – Wirtschaftswachstums.
Wirtschaftliche Eckdaten Frankreichs
Indikator | 2021 | 2022 | Vergleichsdaten Deutschland 2022 |
BIP (nominal, Mrd. Euro) | 2.499 | 2.640 | 3.867 |
BIP pro Kopf (Euro) | 36.911 | 38.590 | 46.149 |
Bevölkerung (Mio.)*) | 67,8 | 68,0 | 84,3 |
*) für Frankreich inklusive Überseegebiete am 1. Januar des Folgejahres, für Deutschland zum 31.12.Quelle: Insee; Statistisches Bundesamt 2023 |
Investitionen: Unternehmen im Durchhaltemodus
Die Investitionen dürften 2022 nur leicht ansteigen. Zwar verfügen Unternehmen über gut gefüllte Auftragsbücher und stabile Auslastungsgrade, allerdings erschwerten im 1. Halbjahr Lieferengpässe die Investitionen in Maschinen, Kfz und Baumaßnahmen. Im Verlauf des 2. Halbjahres 2022 hat sich die Versorgungslage mit Vorprodukten verbessert. Steigende Energiepreise und Finanzierungskosten sowie unsichere Konjunkturaussichten belasten jedoch die Bilanzen von Unternehmen und bremsen die Investitionsfreude.
Staatliche Hilfen hatten bereits in der Krise die Ertragslage der Unternehmen gestützt. Im November 2022 legte die Regierung ein weiteres 10-Milliarden-Euro-Programm auf, um Unternehmen mit hohen Energiekosten zu entlasten. Seit 2022 schiebt zudem das Konjunkturpaket France 2030 mit einer Gesamtförderung von 54 Milliarden Euro Investitionen für innovative Projekte an. Unternehmen wünschen sich weitergehende Hilfsmaßnahmen, insbesondere um gegenüber Produzenten in Asien oder den USA bestehen zu können. Allerdings dürfte die Regierung gezwungen sein, staatliche Unterstützungsmaßnahmen langsam zurückzufahren, um die bereits in der Pandemie stark belasteten Finanzen zu konsolidieren. Unternehmen, die finanziellen Spielraum haben, investieren verstärkt in Energieeffizienz, Autonomie bei der Energieversorgung und die Dekarbonisierung der Produktion.
Angesichts von Inflation sowie steigenden Energie- und Finanzierungskosten werden die Investitionen der öffentlichen Hand 2023 verhalten ausfallen. Laut der Association des Maires de France, der Vertretung der Bürgermeister im Land, planen 71 Prozent der Kommunen im Jahr 2023 Investitionen zurückzustellen. Angesichts stabiler Steuereinahmen erwartet die Banque de France für 2023 dennoch eine Steigerung der öffentlichen Investitionen von 2,3 Prozent gegenüber dem – allerdings schwachen – Vorjahr.
Ausgewählte Großprojekte in Frankreich
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest; Pressemeldungen 2023 | |||
Projektbezeichnung | Investitionssumme (Mio. Euro) | Projektstand | Projektträger |
Grand Paris Express, Region Paris | 35.000 | Ausschreibungen laufen weiter | Société du Grand Paris |
Hochgeschwindigkeitszugstrecke zwischen Bordeaux und Toulouse | 14.300 | Finanzierung vereinbart, Baubeginn ab 2024 | Grand Projet Ferroviaire du Sud-Ouest |
Olympische Spiele 2024, Paris | 7.400 | Ausschreibungen laufen weiter | Paris 2024 |
Kanal Seine-Nord (Kanalbau über 107 km, 7 Schleusen) | 5.100 | Beginn der Bauarbeiten Oktober 2022, Fertigstellung geplant Ende 2029 | Société du Canal Seine-Nord Europe |
Batteriefabrik von AESC Envision für Renault, Douai | 3.000 | Bau ab Juli 2022 für erste Phase | Envision AESC |
Metrolinie 3 in Toulouse (27 km, 21 Stationen) und Erweiterung Linie B | 2.629 | Baubeginn Ende 2022; geplante Fertigstellung bis 2028 | Tisséo SMTC |
Hochgeschwindigkeitszugstrecke zwischen Montpellier und Perpignan (1. Etappe) | 2.000 | Finanzierung vereinbart, Baubeginn für 1. Phase ab 2029 | Ligne nouvelle Montpellier Perpignan |
Neue Universitätsklinik Grand Paris Nord, Saint-Ouen | 1.300 | Baubeginn ab 2024 | Campus Hospitalo-Universitaire Grand Paris-Nord |
Neue Geheimdienstzentrale (DGSI), Saint-Ouen | 1.000 | Baubeginn ab 2023 | Ministère de l’Intérieur, Direction Générale de la Sécurité Intérieure |
Neubau und Verlegung der Uniklinik (CHU) Nantes auf eine Insel | 953 | Fertigstellung bis 2026 | CHU Nantes |
Fabrik für Batterieseparatoren, Altéo Alumina und W-Scope, Hauts de France | 600 | Baubeginn ab 2026 | Altéo Alumina |
Öffentliche Ausschreibungen werden im Bulletin officiel des annonces des marchés publics veröffentlicht.
Informationen zu EU-Binnenmarktausschreibungen finden Sie auf der GTAI-Website zu EU-Ausschreibungen.
Konsum: Verbraucher bleiben zurückhaltend
Die Zentralbank prognostiziert für 2022 einen Anstieg des privaten Verbrauchs um real 2,8 Prozent, für 2023 dann eine deutlich geringere Steigerung von nur 0,6 Prozent. Die Stimmung der Verbraucher trübt sich seit dem Sommer 2022 zunehmend ein. Laut Statistikamt INSEE sinkt der Verbraucherstimmungsindex im März 2023 auf 81 von 100 Punkten verharrt weit unter dem langjährigen Mittel. Steigende Kosten vor allem für Benzin, Energie und Lebensmittel sowie das langsame Auslaufen von Preisdeckelungen sorgen für Unsicherheit. Die für 2023 erwarteten durchschnittlichen Lohnerhöhungen von 3,7 Prozent können die Preissteigerungen nicht auffangen. Trotz eines während der Pandemie aufgebauten Sparüberhangs halten sich die Verbraucher bei nicht notwendigen Konsumgütern zurück. Die Zentralbank erwartet erst 2024 ein Wiederaufleben des Konsums. Der Tourismus hingegen gewinnt an Fahrt und liegt seit dem 3. Quartal 2022 wieder über dem Niveau von 2019.
Außenhandel: Handelsbilanzdefizit steigt auf Rekordhoch
Die Importe nehmen mit den anziehenden Rohstoffpreisen stark zu. Insbesondere steigende Kosten für Strom-, Treibstoff- und Flüssiggasimporte sorgten dafür, dass Frankreichs Außenhandelsdefizit in 2022 auf ein Rekordhoch von 163,6 Milliarden Euro gewachsen ist. Aber auch höhere Preise für Einfuhren von Vorprodukten für die produzierende Industrie treiben die Importe. Luft-und-Raumfahrtprodukte, Agrarerzeugnisse sowie Nahrungsmittel hingegen können eine positive Handelsbilanz vorweisen. Auch Exporte sonstiger Konsum- und Anlagegüter ziehen an. Die Automobilbranche kann in 2022 ihre Exporte wieder steigern und an das Vorkrisenniveau anknüpfen. Starke Preisanstiege bei Vorprodukten aber führen dazu, dass die Branche nach wie vor einen negativen Außenhandelssaldo erwirtschaftet.
Außenhandel Frankreichs (in Milliarden Euro; Veränderung in Prozent)
2021 | 2022 | Veränderung 2021/2020 | |
Importe (fob) | 605,5 | 784,0 | 29,5 |
Exporte (fob) | 500,9 | 594,5 | 18,7 |
inklusive militärische Güter Quelle: Direction générale des douanes et droits indirects 2022