Mittwoch, Juli 24, 2024

W+M-Serie Internationale Märkte: Kasachstan ist nicht nur wegen seines Öls von Interesse

Kasachstan ist für Deutschland wichtigster Wirtschaftspartner in Zentralasien. Die Bedeutung macht der deutsche Außenhandel mit der Region deutlich: Bei einem Gesamtumsatz von etwa 6 Milliarden Euro, den Deutschland 2021 mit den fünf Ländern in der Region erzielte, entfielen 85 Prozent auf Kasachstan. Damit lag das neuntgrößte Land der Erde in der Rangfolge aller Handelspartner weltweit bei den deutschen Importen auf Platz 41, bei den Exporten auf Platz 62.

Deutschland führt ein breites Spektrum von Waren nach Kasachstan aus – am meisten werden Maschinen, chemische Erzeugnisse und Fahrzeuge nachgefragt. Aus Kasachstan wird hauptsächlich Rohöl importiert.

Kasachisches Öl wichtig für den deutschen Markt

Die Ölimporte nahmen im 1. Halbjahr 2022 um rund 9 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum auf 4,4 Millionen Tonnen zu. Deutschland deckte seinen Bedarf an Importöl somit zu gut einem Zehntel mit Lieferungen aus Kasachstan. Das Land war hinter Russland und den USA die drittwichtigste Bezugsquelle für Rohöl.

Kasachische Öllieferungen könnten für den deutschen Markt noch an Bedeutung gewinnen. Grund dafür ist das Anfang Juni verabschiedete 6. Sanktionspaket der EU gegen Russland. Es zielt insbesondere auf ein weitreichendes Ölembargo gegen Russland ab, das nach Ablauf einer Übergangsfrist von sechs Monaten zum Jahresende in der EU greifen wird.

Um das russische Öl zu ersetzen, werden in Deutschland derzeit auch zusätzliche Importe aus Kasachstan geprüft. Als einer der möglichen Abnehmer dieser Lieferungen gilt laut Zeitungsberichten die PCK Raffinerie im brandenburgischen Schwedt.

Konjunktur entwickelt sich robust

Kasachstan erwies sich in der jüngeren Vergangenheit als recht krisenresistent. Der leichte Rückgang der Wirtschaftsleistung im Corona-Jahr 2020 war bereits ein Jahr später wieder wettgemacht. Auch die Auswirkungen der Unruhen Anfang des Jahres blieben letztlich recht überschaubar. Diese hatten das öffentliche Leben vor allem im Großraum der Wirtschaftsmetropole Almaty tagelang gelähmt.

Mittlerweile stellt der Krieg, den Russland in der Ukraine führt, jedoch auch die kasachischen Unternehmen vor neue Herausforderungen. Bei einer Umfrage Mitte 2022 gab mehr als die Hälfte von ihnen an, dass die gegen Russland verhängten Sanktionen sich vorwiegend negativ auf ihre geschäftlichen Aktivitäten auswirken. Der anhaltend hohe Preis für das Hauptexportgut Öl trägt jedoch maßgeblich dazu bei, dass die Wirtschaft des Landes auf Wachstumskurs bleibt. Laut Regierung dürfte sie 2022 real um etwa 3 Prozent zulegen.

Erneuerbare Energien auf dem Vormarsch

Im Energiesektor bietet der Ausbau- und Modernisierungsbedarf gute Chancen für deutsche Unternehmen. Kasachstan will Klimaneutralität bis 2060 erreichen. Aktuell werden noch 70 Prozent des Stroms mit Kohle erzeugt. Bis 2030 soll der Kohleanteil auf 40 Prozent sinken. Der dazu nötige Umstieg auf alternative Energiequellen ist bereits im Gange.

Die erneuerbaren Energiequellen Sonne und Wind stehen bei der Energiewende mit im Fokus. Daneben soll auch stärker als bisher auf Erdgas zurückgegriffen werden. Zudem plant Kasachstan zukünftig auch Strom mithilfe der Kernenergie zu erzeugen.

Bei erneuerbaren Energien bieten aktuell mehrere Auktionsrunden Investoren und Projektentwicklern Chancen für einen Eintritt in den kasachischen Markt. Die zwischen Ende Oktober und Ende November 2022 angesetzten Versteigerungen sollen den Ausbau zur Gewinnung von grünem Strom um weitere 690 Megawatt Leistung anstoßen. Mitte 2022 belief sich die installierte Leistung in Erneuerbare-Energien-Anlagen auf 2.330 Megawatt.

Kasachstan strebt an, im Jahr 2050 rund die Hälfte seines Stroms aus erneuerbaren Energiequellen zu produzieren. Bis 2030 soll der Anteil 15 Prozent erreichen; Mitte 2022 lag er bei rund 4 Prozent.

Deutsche Unternehmen zeigen bereits Flagge vor Ort, um die Energiewende voranzutreiben. So ist das Familienunternehmen Goldbeck Solar aus Baden-Württemberg mit zwei großen Fotovoltaikanlagen in der kasachischen Steppe aktiv. Die SVEVIND-Unternehmensgruppe steht in den Startlöchern für ein Megaprojekt mit großflächigen Solar- und Windparks im westkasachischen Gebiet Mangystau.  Für die Umsetzung verantwortlich ist die Tochterfirma SVEVIND Energy mit Sitz in Dresden.

Die Designstudie für das Vorhaben ist aktuell in Arbeit. Das Projekt soll Kasachstan auch den Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft ermöglichen. SVEVIND plant Wind- und Fotovoltaikanlagen mit einer Leistung von 30 Gigawatt, deren Strom von Elektrolyseuren zur Wasserspaltung genutzt werden soll. Das Unternehmen will ab 2030 etwa 2 Millionen Tonnen grünen Wasserstoffs pro Jahr produzieren, der selbst oder optional weiterverarbeitet zu grünem Harnstoff auf den kasachischen Markt und ins Ausland geliefert werden könnte.

 

Der Autor: Jan Triebel

Jan Triebel. Foto: Studio Prokopy

Jan Triebel berichtet für GTAI seit 2018 von Almaty aus über Kasachstan, Kirgisistan und die Mongolei. Zuvor war er als Korrespondent an den Standorten Moskau, Riga, Kiew und Belgrad tätig.

 

 

 

 

 

 

 

 

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