Halle (Saale). Die kleinen und mittleren Unternehmen in Sachsen-Anhalt verzeichneten im 1. Halbjahr 2022 noch einmal eine gute Geschäftslage. Die von der Corona-Welle im Winter 2021/22 unterbrochene Konjunkturerholung hat sich somit zunächst fortgesetzt. Das geht aus der gemeinsamen Umfrage von Creditreform und Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) hervor, an der sich rund 460 Unternehmen aus Sachsen-Anhalt beteiligt haben.
Danach schätzten 69,0% der befragten Unternehmen die aktuelle Geschäftslage mit „sehr gut“ bzw. „gut“ ein. Der Anteil der positiven Meldungen hat sich gegenüber dem Vorjahr (63,2%) erhöht. Nur wenige Unternehmen zeigen sich gänzlich unzufrieden mit der Geschäftslage (4,4% der Befragten).
„Der Mittelstand in Sachsen-Anhalt spürt natürlich die Nachwirkungen der Corona-Beschränkungen und den Ukraine-Krieg beispielsweise in Form von gestiegenen Material- und Energiepreisen“, berichtete Martin Plath, Prokurist bei Creditreform in Halle (Saale), bei der Vorstellung der Studie. Die wirtschaftliche Lage der Unternehmen sei aber weiterhin gut, die Auftragsbücher gefüllt.
Positive Rückmeldungen der Unternehmen zur Umsatz- und Ertragsentwicklung in den letzten Monaten bestätigen den Erholungstrend. Immerhin 37,8% der Befragten berichteten von einem Umsatzplus im Vergleich zum Frühjahr 2021. Knapp jeder fünfte Befragte (19,4%) war von Umsatzrückgängen betroffen. In der letztjährigen Umfrage hatten noch 29,3% der Unternehmen von Einbußen berichtet.
„Allerdings bildet die Umsatzentwicklung zurzeit die Geschäftslage wohl weniger treffend ab als in den Jahren zuvor, denn die Umsätze dürften aufgrund der Weitergabe von stark gestiegenen Kosten auch dann steigen, wenn sich die Geschäftslage real gar nicht verbessert“, ergänzte Dr. Axel Lindner, stellvertretender Leiter der Abteilung Makroökonomik am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Gleichwohl sei ein positiver Aufwärtstrend nach der Aufhebung der meisten Corona-Einschränkungen zu spüren, vor allem im Dienstleistungsgewerbe.
Nachwirkungen der Corona-Krise
Nachwirkungen der Corona-Krise macht die Studie aber insbesondere im Handel aus. So blieb die Umsatzentwicklung in diesem Wirtschaftsbereich deutlich hinter der in den übrigen Sektoren zurück. Eine kräftige Erholung nach den Krisenjahren 2020/2021 ist bisher ausgeblieben, wohl auch aufgrund der stark gestiegenen Kosten für Energie. Möglicherweise spielen aber auch bleibende strukturelle Veränderungen wie ein Abwandern der Kunden in den Internethandel eine Rolle.
Im Verlauf der Corona-Pandemie sind die Kapitalreserven der kleinen und mittleren Unternehmen unter Druck gekommen. Umsätze und Erträge fielen teils wochenlang aus, die Kosten konnten nicht im gleichen Maße verringert werden. So verzeichneten 18,2% der Befragten einen Rückgang des Eigenkapitals als Folge der Corona-Krise. Besonders deutliche Einschnitte musste das Verarbeitende Gewerbe hinnehmen. In der Mehrzahl der befragten Unternehmen (75,7%) blieb das Eigenkapital aber unverändert. Wenige (6,1%) haben das Eigenkapital krisenbedingt erhöht.
Geschäftserwartungen: Mehrheitlich zuversichtlich
Trotz der schlechter werdenden konjunkturellen Rahmenbedingungen blickt der Mittelstand in Sachsen-Anhalt nicht pessimistisch in die Zukunft. Die Umsatzerwartungen für das laufende Jahr sind mehrheitlich zuversichtlich. 37,0% der Befragten rechnen mit steigenden Umsätzen, jeder sechste (17,7%) erwartet einen Umsatzrückgang. Damit sind die Geschäftserwartungen der Unternehmen sogar etwas positiver als in der Vorjahresbefragung. Sorgenkind bleibt jedoch der Handel, der eher Umsatzrückgänge als Steigerungen erwartet.
Die Personalplanungen im Mittelstand sind nicht mehr so optimistisch wie im Vorjahr. In der überwiegenden Mehrheit der Unternehmen (73,2%) wird der Personalbestand wohl unverändert bleiben. 22,3% der befragten Unternehmen wollen zusätzliche Mitarbeiter einstellen (Vorjahr: 23,7%). Leicht zurückgegangen ist die Investitionsbereitschaft im Mittelstand. 55,8% der Unternehmen haben ein Investitionsvorhaben geplant (Vorjahr: 58,4%).
„Der Mittelstand sieht sich aktuell erheblichen Unsicherheitsfaktoren gegenüber, die eine Fortsetzung des Aufschwungs in Frage stellen“, schätzte Creditreform-Prokurist Plath die weitere Entwicklung des Mittelstandes ein. Einen massiven Konjunktureinbruch scheinen die Unternehmen aber nicht zu erwarten. Dennoch drohe in den nächsten Monaten eine Verschlechterung der Geschäftslage, wenn beispielsweise der Krieg in Osteuropa weiter andauere. Gerade die von der Corona-Krise gebeutelten Wirtschaftsbereiche würden eine weitere Schwächung kaum aushalten.
IWH-Konjunkturforscher Lindner ergänzte: „Die steigenden Kostenbelastungen werden die Unternehmen nicht voll an die Kunden weitergeben können. Darunter dürfte die Ertragskraft der Unternehmen leiden. Zudem werden sich die Finanzierungsbedingungen mit wieder höheren Kreditzinsen in nächster Zeit verschlechtern“.
Neue Belastungen bedrohen den Aufschwung
Die meisten Unternehmen in Sachsen-Anhalt erwarten Schäden für die Geschäftslage aufgrund der starken Teuerung. Mehr als jeder zweite Befrage (58,7%) rechnet mit erheblichen negativen Auswirkungen, weitere 34,9% der Befragten erwarten geringe Auswirkungen, nur 6,5% sehen gar keine Schäden. Ebenfalls ein enormes Schadenspotenzial für die Unternehmensentwicklung sieht der Mittelstand in den Ausfällen bzw. Verzögerungen bei Zulieferungen (41,5% der Befragten) sowie in der Verfügbarkeit von Personal (40,2%). Eine Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen befürchten 25,3% der Unternehmen als schwerwiegende Beeinträchtigung. Ein wichtiger Wettbewerbsfaktor in den nächsten Monaten dürfte die Sicherheit der Versorgung mit Energie und hierbei speziell mit Gas sein. Die überwiegende Mehrzahl der Befragten befürchtet negativen Auswirkungen für das Geschäft, noch sind die Sorgen aber deutlich geringer als die aufgrund der Teuerung.