Mit diesem Beitrag startet W+M eine neue Serie unter der Rubrik Work + Life. Johannes Grassl, Experte und Berater rund um das Thema Führung, stellt in den nächsten Monaten insgesamt fünf Inspirationen zur Verfügung. Im ersten Beitrag geht es um die Definition von Erfolg.
Er war auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Mit Ende 40 Chef eines internationalen Konzerns, einflussreich und wohlhabend, dabei gut aussehend und sportlich. Carsten Schloter, deutsch-französischer Topmanager und CEO der Swisscom, verkörperte alles, was man sich unter Erfolg vorstellt. Dann der Schock: Im Sommer 2013 nimmt sich Schloter das Leben – ein dramatischer Absturz aus großer Fallhöhe. Zurück bleiben seine Frau, von der er die letzten Jahre getrennt lebte, drei Kinder und die große Frage nach dem Warum! Das Schweizer Wirtschaftsmagazin BILANZ schrieb über seinen Suizid: „Sein Selbstmord ist der wohl erschütterndste Todesfall der jüngeren Schweizer Wirtschaftsgeschichte.“
Der Tod von Carsten Schloter hat mich tief bewegt. Und ich habe über wichtige Fragen nachgedacht. Was heißt eigentlich Erfolg? Geht es vor allem um Geld und Karriere? Wenn materielle Dinge das Höchste sind, warum sind dann so viele erfolgreiche Menschen unglücklich? Und wenn Karriere das oberste Lebensziel ist, warum begehen dann Manager auf dem Höhepunkt ihrer Karriere Selbstmord? War Carsten Schloter erfolgreich? Von außen betrachtet ja – aber innerlich? Was würde er selbst, was würden seine Frau und Kinder auf diese Fragen antworten? Eines wurde mir klar: Wahres Glück geht tiefer als materieller Wohlstand und Lebenserfolg ist mehr als nur Karriereerfolg.
Wir alle wollen erfolgreich sein!
Das ist gut und das zeichnet Führungskräfte aus. Der Wille zum Erfolg ist entscheidend, um große Ziele zu erreichen. Wichtig ist aber die Definition! Wir sollten klären, was wir unter Erfolg verstehen. Wenn ich Führungskräfte frage, ob sie erfolgreich sein wollen, antworten alle mit Ja. Wenn ich sie dann frage, was Erfolg bedeutet, wird die Sache spannend. In der Regel kommen Antworten, die sich auf das Business beziehen: Ziele erreichen, Projekte realisieren, Marktanteile ausbauen, den Gewinn steigern. Auf das eigene Leben bezogen bedeutet Erfolg für die meisten Karriere machen, eine hohe Position erreichen, gutes Geld verdienen. Der Punkt ist: In all diesen Kategorien war Carsten Schloter erfolgreich. Aber hatte er wirklich Lebens-Erfolg?
Was wir brauchen, ist ganzer Erfolg.
Was meine ich damit? Viele Menschen sind teil-erfolgreich, das heißt sie sind erfolgreich in einem bestimmten Teilbereich ihres Lebens, zum Beispiel in ihrer Karriere. Oft zahlen sie dafür aber einen hohen Preis in anderen Lebensbereichen. Wirklich erfolgreich sind wir erst dann, wenn uns das ganze Leben gelingt: Karriere und Privatleben, Job und Beziehungen, Geld und Glück. Wie kann das gelingen? Ich habe drei Ebenen definiert, die ganzen Erfolg ausmachen und in denen wir erfolgreich sein sollen: Karriere, Beziehungen und Persönlichkeit. Siehe die folgende Grafik.
Der äußere Kreis: Karriere. Dazu gehören eine erfolgreiche Karriereentwicklung, ein guter Job und gutes Geld. Am besten bewegen wir uns in unserem „Sweet Spot“, d.h der Schnittstelle aus unseren Stärken und Vorlieben. Erfolg in Job und Karriere ist gut! Das Problem: Oft werden auf dem Altar des beruflichen Erfolges Lebensqualität und Beziehungen geopfert. Das führt zum zweiten Kreis.
Der mittlere Kreis: Beziehungen. Damit meine ich vor allem die wichtigsten Menschen in unserem Leben: Partner, Kinder, Freunde. Ich kenne zu viele Führungskräfte, die auf dem Altar des beruflichen Erfolgs ihre wichtigsten Beziehungen opfern. Die Ehe ist kaputt, der Kontakt zu den Kindern schwach, man hat kaum mehr echte Freunde. Übrigens: Ich habe noch nie jemanden sagen hören: „Wenn ich zurückschaue, bereue ich, zu viel Zeit mit meinem Ehepartner und meinen Kindern verbracht zu haben“… Das Gegenteil davon aber höre ich ziemlich oft.
Der innere Kreis: die eigene Persönlichkeit. Vielleicht gelingt es uns, im Beruf erfolgreich zu sein und unsere Beziehungen einigermaßen zu managen. Im geschützten Raum bekennen aber viele: „Wenn ich ehrlich bin, fehlt mir die innere Erfüllung.“ Oder: „Ich habe zwar viel erreicht, aber wenn ich ehrlich bin, habe ich immer nur versucht, die Erwartungen anderer Menschen zu erfüllen.“ Hier geht es um den Kern unseres Seins. Was ist mir wirklich wichtig? Wofür will ich leben? Passt mein tatsächliches Leben damit zusammen? Was ist aus meinen Träumen geworden? Warum bin ich auf dieser Welt – what is my purpose? Antworten auf diese Fragen gibt es nicht auf Knopfdruck – wir brauchen Zeit zum Nachdenken. Sich diesen Fragen zu stellen, halte ich für die wichtigste (Selbst)Führungsaufgabe.
Fazit: Karriereerfolg ist nicht gleich Lebenserfolg
Karriereerfolg (äußerer Kreis) ist nicht gleich Lebenserfolg (äußerer, mittlerer und innerer Kreis). Wirklich erfolgreich sind wir erst dann, wenn uns das ganze Leben gelingt. Sonst werden wir leiden. Dieses Leiden geschieht oft versteckt hinter äußerem Erfolg und dekoriert mit diversen Statussymbolen. Nur teilerfolgreich zu sein aber ist zu wenig. Wir sind für mehr gemacht. Ganzer Erfolg sollte das Ziel unseres Lebens sein. Sind wir auf Kurs?
Folgende Fragen können uns helfen:
- Wie beurteile ich meinen ganzheitlichen Lebenserfolg?
- Wofür will ich leben?
- Was ist mir wichtig? Auf welche Werte baue ich?
- Bin ich beruflich am richtigen Platz? Bewege ich mich in meinem Sweet Spot?
- Wie führe ich ein glückliches Familienleben?
- Bin ich vom Sinn meines Lebens überzeugt?
- Wenn mein Leben jetzt zu Ende wäre, könnte ich auf ein erfülltes Leben zurückschauen?
Der Autor:
Johannes Grassl ist CEO der Leaders’ Integrity Foundation, Berater für Führungskräfte und Ermutiger aus Leidenschaft. Seit 20 Jahren ist er als Impulsgeber rund um Leadership, Selbstmanagement und erfolgreiche Karrieregestaltung im ganzen deutschsprachigen Raum aktiv. Mehr unter www.johannesgrassl.com und www.lif.ch.