Berlin. Der Report Unternehmensnachfolge 2025 der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) zeigt: Seit dem Vor-Corona-Jahr 2019 hat sich die Lücke zwischen Altinhabern und potenziellen Nachfolgern fast verdoppelt.
Von Matthias Salm
In den Beratungen der IHK in Deutschland stehen gegenwärtig den rund 9.600 fortzuführenden Unternehmen lediglich 4.000 Interessenten gegenüber. Mehr als ein Viertel der betroffenen Unternehmer und Unternehmerinnen denkt daher bereits an eine komplette Schließung. Das würde in den nächsten zehn Jahren bis zu 250.000 Betriebe betreffen. 92 Prozent der IHK in Deutschland geben an, dass die Unternehmer eine Schließung erwägen, weil keine Nachfolgerin bzw. kein Nachfolger gefunden wurde.
„Dabei geht es auch um Tausende gesunde, erfolgreiche Unternehmen. Das macht mich besonders betroffen. In Deutschland bricht uns damit immer mehr von unserer wirtschaftlichen Basis weg“, kommentiert DIHK-Präsident Peter Adrian die Ergebnisse des Reports. Insgesamt fußt der DIHK-Report zur Unternehmensnachfolge 2025 auf über 50.000 IHK-Kontakten mit Unternehmen auf Nachfolgesuche sowie mit übernahmeinteressierten Personen. Gut ein Drittel der Unternehmen soll innerhalb der Familie die Besitzerin bzw. den Besitzer wechseln, bei einem knappen Fünftel ist eine Weitergabe an MitarbeiterInnen geplant. In vielen dieser Fälle findet sich etwa innerhalb der Familie und auch unter den Mitarbeitenden niemand, der das Unternehmen weiterführen will oder kann
Besondere Sorgenkinder sind Gastronomie, Verkehr und Handel. Im Gastgewerbe übersteigt die Zahl der Anbieter die der Suchenden um das nahezu Dreieinhalbfache. Arbeitskräftemangel und hohe bürokratische und finanzielle Hürden wie etwa die hohen Immobilienpreise und -mieten schrecken potenzielle Nachfolger ab. Zudem trifft die Konsumzurückhaltung der Kunden die Branche hart. Für neue Konzepte und Investitionen fehlt den Eigentümern aufgrund geringer Margen das Geld. Vor allem im ländlichen Raum droht daher vielen Gastro-Betrieben die Schließung.
Im Handel ist die Zahl der abzugebenden Betriebe besonders hoch. Auch hier leidet die Attraktivität unter Personalmangel und Kaufzurückhaltung. Zudem steht der stationäre Handel durch Online-Shops unter Druck. Besonders groß fällt das Missverhältnis zwischen Suchenden und Interessenten auch in der Logistikbranche aus. Hier suchen vier Mal mehr Unternehmen als potenzielle Nachfolger die Beratungen der IHK auf. Der Branche fehlt es zunehmend an Kraftfahrerinnen und Kraftfahrern. Zudem ist die Konkurrenz groß, was ebenso auf die Margen drückt wie steigende Energie-, Fahrzeug- und Mautkosten. Die Umstellung auf E-Mobilität sorgt für zusätzliche Unsicherheit. Auch bei den Dienstleistern und in der IT-Branche sind gut doppelt so viele Unternehmen wie Interessenten in der IHK-Beratung.
Für die Nachfolgeprobleme gibt es verschiedene Ursachen. Die demografische Lücke, die schwache Konjunktur, Personalmangel, bürokratischer Wildwuchs und hohe Betriebskosten lassen Interessenten zurückschrecken. Allerdings registrieren die IHKs eine zunehmende Zahl von Nachfolgekandidatinnen und -kandidaten aus der Industrie, die sich aus einem Angestelltenverhältnis selbständig machen wollen. Mancherorts verstärkt sich der Trend, dass größere Unternehmen zur Nachfolge anstehende kleine und mittelgroße Unternehmen zum Kauf suchen, um selbst zu wachsen – auch angesichts der auf dem Arbeitsmarkt immer schwereren Rekrutierung von Fachkräften. Solche Prozesse können allerdings zu einer Marktkonzentration führen.
DIHK-Präsident Adrian plädiert dafür, die Nachfolge einfacher zu machen: “Wer ein Unternehmen übernimmt, braucht Zeit für den Betrieb, Geschäftspartner und Kunden. Daher müssen alle mit der Unternehmensnachfolge verbundenen Regelungen und Verwaltungsprozesse so einfach wie möglich sein.“
Künftig sollten „beide Seiten den Betriebsübergang nur noch bei einer einzigen staatlichen Stelle anzeigen müssen“, so sein Vorschlag. „Auch für bauliche Veränderungen und die Weiternutzung von Kunden- und Lieferantendaten brauchen wir praxisgerechte, einfache Lösungen. Ein befristeter genereller Bestandsschutz bei gerade übernommenen Unternehmen – analog zur Idee von ‚Gründerschutzzonen‘ – würde an vielen Stellen helfen“, ist der DIHK-Präsident sicher. „Dann kann sich die Neuinhaberin beziehungsweise der Neuinhaber erst einmal ganz auf die Neuausrichtung des Unternehmens konzentrieren, anstatt sich um einen Wust an Genehmigungen, Neukonzessionierungen und Bauanträgen zu kümmern.“
Die IHK werben mit neuen Formaten um Lösungen. In Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Brandenburg haben sich Nachfolgezentralen in Zusammenarbeit mit Bürgschaftsbanken und Handwerkskammern gegründet. IHK- NachfolgeClubs, IHK Nachfolge-Pools und IHK-Nachfolgemoderatoren sind ebenfalls erfolgreich. Mit 11.396 Personen registrieren die IHK bundesweit einen deutlichen Zuwachs an Teilnehmenden an solchen neuen Formaten (Vorjahr: 6.998).