Am 1. September wählen die Bürger und Bürgerinnen den neuen Sächsischen Landtag. Eine richtungsweisende Entscheidung auch für die sächsische Wirtschaft. Deshalb hat Wirtschaft+Markt die Positionen der Parteien zu wichtigen wirtschaftspolitischen Themen in Sachsen abgefragt. Die Antworten der wirtschaftspolitischen Sprecher haben wir thematisch zugeordnet und gesondert veröffentlicht.
Hier die Antworten von Steffen Schütz (BSW)
Landesvorsitzender Thüringen Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit
Steffen Schütz (BSW), geb. 1966 in Eisenach, Unternehmer, hat 1997 in Berlin seine bis heute bestehende Werbeagentur gegründet, die auf Markenentwicklung und -führung spezialisiert ist. Seit März 2024 ist er Co-Vorsitzender des Thüringer Landesverbandes des BSW. Steffen Schütz lebt in Erfurt.
W+M-Wahlprüfstein 1
Wie steht es aus Ihrer Sicht um die Energiewende in Thüringen und wie ist Ihre Position beim Thema „Wind über Wald“?
Vernunft statt Ideologie ist das Credo der Energiepolitik des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Eine vernünftige Energiewende wird durch eine verbrauchsnahe Strom- und Wärmeerzeugung und verschiedene Technologien möglich. Wir setzen uns ein für bezahlbare Energie, vor allem für in ihrer Existenz bedrohte kleine und mittelständische Unternehmen.
Thüringen soll zum Vorreiter bei der Entwicklung innovativer Speichertechnologien für erneuerbare Energie werden. Damit stärken wir die Versorgungssicherheit und die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Thüringen. Unsere Energiepolitik vernichtet keine Jobs – sie schafft welche.
Grundsätzlich stehen wir als BSW für Technologieoffenheit beim Energiemix (mit stärkerer Nutzung von Biomasse) und eine verbrauchsnahe Erzeugung. Durch das Parteiengezänk der letzten Jahre hat Thüringen den Ausbau erneuerbarer Energien versäumt und bleibt damit abhängig von Energieimporten, die mit der Energieerzeugung verbundene Wertschöpfung findet woanders statt.
Vernunft und Gerechtigkeit in der Energiepolitik heißt, dass wir als Bündnis Sahra Wagenknecht die im Ländervergleich deutlich zu hohen Energiekosten in Thüringen nachhaltig senken und damit Bürger und Unternehmen spürbar entlasten. Deshalb fordern wir eine Initiative zur Angleichung der Netzentgelte zwischen den Bundesländern.
Eine generelle Erlaubnis von Windenergie im Wald lehnen wir ab. Die Regionen mit Waldbesitzern, Kommunen und Unternehmen sollten selbst entscheiden können, ob sie Windenergie im Wald umsetzen. Sie wissen am besten, welche Kapazitäten vor Ort gebraucht werden.
Der Agri-Photovoltaik wollen wir Vorrang einräumen und damit die gleichzeitige Nutzung von Flächen für die Landwirtschaft und Energiegewinnung fördern.
W+M-Wahlprüfstein 2
Wie stehen Sie zu Subventionen des Landes für Großansiedlungen wie CATL?
Wenn Thüringen nicht länger verlängerte Werkbank bleiben soll, brauchen wir Forschung, Entwicklung und Innovation, um im internationalen Wettbewerb und bei der Lohnentwicklung der Beschäftigten voranzukommen. Dies ist für uns eine zentrale Anforderung an jegliche Großansiedlungen im Freistaat.
Aktuell sehen wir Thüringen nicht ausreichend gerüstet, um Strukturwandel und Transformation erfolgreich zu gestalten, da unser Land seine infrastrukturellen, wissenschaftlich-technischen und sonstigen Standortvorteile nicht ausreichend einsetzt. Wir werden Großansiedlungen fördern, wenn Transformation und Strukturwandel durch sie unterstützt werden und diese als Key-Investments lokale und regionale Strahlkraft entwickeln.
W+M-Wahlprüfstein 3
Thüringen steht beim Digital-Ranking des Branchenverbandes BITKOM an letzter Stelle. Was muss für die Digitalisierung getan werden?
Als BSW stehen wir für einen leistungsfähigen Staat und eine moderne, effektive Verwaltung, die sich auf Kernaufgaben konzentriert und ermöglicht, statt zu verhindern. Digitalisierung muss zur Vereinfachung und Verschlankung von Prozessen genutzt werden. In Thüringen gibt es weder eine innovative Digitalisierungsstrategie, noch ein Digitalkabinett. Das werden wir sofort ändern.
KMU haben häufig nicht die Ressourcen, Digitalstrategien umzusetzen. Hier wird unsere Wirtschafts- und Mittelstandspolitik ansetzen und echte Unterstützung anbieten. Eine erfolgreiche Digitalstrategie kann – auch dies gehört zur Wahrheit – allerdings nur dort schnell und tatsächlichen Nutzen stiftend umgesetzt werden, wo die notwendige digitale Netzinfrastruktur vorhanden oder absehbar vorhanden ist. Der Netzausbau muss deshalb massiv beschleunigt werden.
W+M-Wahlprüfstein 4
Was sind Ihre Vorschläge für Bürokratieabbau im Land zum Nutzen der Wirtschaft?
Oberste Priorität hat für das BSW die Entlastung des Mittelstands von Bürokratie und unsinnigen Regeln. Dazu brauchen wir dringend eine vernünftige Digitalisierungsstrategie, mit der die Unternehmen spürbar entlastet werden. Auch wenn Energiekosten und Fachkräftemangel ebenfalls ganz oben auf unserer Agenda stehen: Zuallererst werden wir Unternehmen von unverhältnismäßiger und bevormundender Bürokratie entlasten, Berichts- und Dokumentationspflichten vereinfachen oder streichen sowie Soloselbständige und Start-ups zeitlich befristet von Regulierungen befreien. Hierzu werden wir einen Masterplan vorlegen.
Die Digitalisierungsstrategie wird der Vereinfachung und Verschlankung von Prozessen und der Unterstützung von Mittelstand und Wirtschaft dienen. Unsinnige und gängelnde Bestimmungen, die häufig als Eingriff in die unternehmerische Freiheit empfunden werden, wollen wir abschaffen. Öffentliche Vergabeverfahren und die betriebliche Buchführung werden wir vereinfachen und digitalisieren. Sie binden unnötig Ressourcen.
W+M-Wahlprüfstein 5
Wie beurteilen Sie die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung des Landes und was sind Ihre Vorschläge zur Verbesserung der Standortbedingungen?
Thüringen steht im Standortvergleich alles andere als gut da. Der Mittelstand, der unser Land am Laufen hält, hat immer mehr Probleme. Zulieferer schließen. Insolvenzen sind überall an der Tagesordnung. Allerorten sind Resignation und Investitionszurückhaltung spürbar. Wir stehen deshalb nicht nur für einen politischen Neustart in Thüringen, sondern auch für einen wirtschaftlichen.
Außerdem hat Thüringen ein Imageproblem, obwohl es über attraktive Potenziale verfügt und ganz anders dastehen könnte. Weder bei innovativen Branchen noch Zukunftstechnologien und KI ist der Standort Thüringen erkennbar positioniert.
In traditionell für Thüringen essenziellen Branchen wie dem Tourismus sinken Wertschöpfung und Investitionskraft. Automobilbau und Zulieferindustrie werden als Innovationstreiber praktisch nicht mehr wahrgenommen. Das Verbrennerverbot gibt Thüringens ohnehin gebeutelter Schlüsselbranche den Rest!
Wir brauchen maßgeschneiderte Innovations- und Transformationsstrategien für unsere Regionen, insbesondere auch den Ländlichen Raum und abgestimmte Standortmarketing-strategien für Schlüsselbranchen (u. a. Tourismus, Healthcare, Mobilität, Energie). Innovative Zukunftsbranchen, wie Holzwirtschaft und Holzbau, die Thüringen als nachhaltigen Hotspot und Kompetenzregion positionieren, wollen wir massiv entwickeln.
Bei der Infrastruktur haben für uns die spürbare Verbesserung des ÖPNV und des Bahnnetzes (Mitte-Deutschland-Trasse), die Verbesserung der Infrastruktur im ländlichen Raum und die flächendeckende Netzinfrastruktur Priorität, wobei wir bei Letzterem die Infrastruktur des Stromnetzes und des Glasfasernetzes bzw. digitalen Netzes für mehr Funklösungen meinen. In Regionen mit energieintensiven Unternehmen werden wir auch ein Wasserstoff-Netz brauchen.
Als BSW sehen wir darüber hinaus in der dringend notwendigen Reform unseres Bildungssystems, mehr Praxisnähe in den Schulen und attraktiven Perspektiven und Anreizen für gut ausgebildete Fachkräfte einen Schlüssel für mehr Wachstum.
Ein weiteres, wichtiges Handlungsfeld sind Gründer und Soloselbständige. Unser Land wird leider aktuell nicht als Hotspot für innovative Gründer wahrgenommen. Das müssen wir ändern. Soloselbständige brauchen mehr Unterstützung und weniger Bürokratie. Ich kann mir vorstellen, dass dort ein vom Land gefördertes Beratungs- und Dienstleistungszentrum zielgerichtet unterstützen könnte mit Themen wie Unter-nehmensgründung, Finanzierung, Steuern, Altersvorsorge, Berufsgenossenschaft. Last but not least: Instrumente, wie der revolvierende Zukunftsfonds TZF III müssen intensiver kommuniziert werden.
Bei Fachkräften aus dem Ausland müssen dort erworbene Abschlüsse zügig anerkannt und der Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert werden. Best-Practice-Beispiele anderer Länder sollten uns motivieren. Dazu werden wir Modellregionen & Pilotprojekte initiieren.