Mittwoch, November 13, 2024

W+M-Parteien-Umfrage: Thüringen hat die Wahl. Olaf Müller (Bündnis90/Die Grünen)

Am 1. September wählen die Bürger und Bürgerinnen den neuen Sächsischen Landtag. Eine richtungsweisende Entscheidung auch für die sächsische Wirtschaft. Deshalb hat Wirtschaft+Markt die Positionen der Parteien zu wichtigen wirtschaftspolitischen Themen in Sachsen abgefragt. Die Antworten der wirtschaftspolitischen Sprecher haben wir thematisch zugeordnet und gesondert veröffentlicht.

Hier die Antworten von Olaf Müller (Bündnis90/Die Grünen)

Sprecher für Haushalt und Finanzen, Wirtschaft und Wissenschaft sowie Tourismus der Fraktion Bündnis90/Die Grünen

Olaf Müller (Bündnis90/Die Grünen), geb. 1963 in Varel, Diplom-Biologe, ist seit 2002  Geschäftsführender Gesellschafter der Gesellschaft für Geotechnik, Landschafts- und Umweltplanung mbH Jena. Er ist seit 2015 Mitglied des Thüringer Landtags und sitzt dort im im Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft sowie im Haushalts- und Finanzausschuss und im Petitionsausschuss.

Fotomotiv: AdobeStock

W+M-Wahlprüfstein 1

Wie steht es aus Ihrer Sicht um die Energiewende in Thüringen und wie ist Ihre Position beim Thema „Wind über Wald“?

Die Energiewende in Thüringen ist noch lange nicht vollzogen. Während beim Ausbau der Photovoltaik auf Dächern Fortschritte festzustellen sind, kommt der Ausbau im Bereich der Freiflächenphotovoltaik nur schleppend voran. Nach wie vor stellen regionalplanerische Vorgaben einen erheblichen Widerstand im Erreichen eines angemessenen Ausbaus dar.

Ein wesentliches Potenzial besteht noch im Bereich der Erschließung von Wärme über Solarthermie bzw. Erdwärme. Hier stehen wir noch am Anfang, sehen aber die Aktivitäten vieler Kommunen und deren Stadtwerke bei der Erschließung dieser Wärmequellen und sollten sie dabei auch in der Zukunft unterstützen.

Als weiteren Punkt der Energieversorgung wird der Ausbau der Windenergie diskutiert. Hier verweigern sich AfD, CDU und auch die FDP über viele Jahre einen Fortschritt zu erreichen. Es ist schon erstaunlich mit welcher Vehemenz, jenseits aller wirtschaftlicher Vernunft und zum Schaden des Landes die Errichtung von Windenergie im Wald verhindert werden soll. Während unsere Nachbarbundesländer mit ihren Landesforstanstalten nennenswerte Beiträge zum Erreichen der Klimaziele als auch einen positiven Beitrag zum Landeshaushalt erzielen, blockieren die o.g. Parteien diese Chancen bis hin zum Verabschieden verfassungswidriger Gesetze.

Ohne einen Zubau der Windenergie –  auch im Wald – werden wir die erforderlichen Klimaziele nicht erreichen.

W+M-Wahlprüfstein 2

Wie stehen Sie zu Subventionen des Landes für Großansiedlungen wie CATL?

Subventionen stellen seit je her einen wesentlichen Bestandteil in der Gewinnung von Investoren in allen Bundesländern dar. Grundsätzlich wollen wir dabei den Effekt und die Ziele unserer Wirtschaftspolitik nicht aus dem Blick verlieren.

Unter den heutigen Rahmenbedingungen stehen wir einer Unterstützung neuer Investoren positiv gegenüber, wenn dadurch zukunftsweisende Technologien (wozu insbesondere auch die Speichertechnologien von CATL zählen) nach Thüringen gelockt werden können.

Zugleich sind aber auch Kriterien der guten Arbeit (sozialverträglich, ökologisch ausgewogen) wichtige Faktoren bei der Ausreichung von Steuermitteln. Insgesamt müssen die Mittel derart ausgereicht werden, dass sie einen langfristigen positiven Effekt auf das Land Thüringen haben.

W+M-Wahlprüfstein 3

Thüringen steht beim Digital-Ranking des Branchenverbandes BITKOM an letzter Stelle. Was muss für die Digitalisierung getan werden?

Grundsätzlich braucht es den Aufbau einer echten digitalen Verwaltung in der alle Beteiligten direkten Zugang zu Verwaltungsaufgaben haben. Dieser darf nicht darin bestehen, dass Formulare als pdf heruntergeladen, ausgedruckt und dann eingereicht werden.

Modernisierung dürfen wir nicht als Endzustand begreifen. Wir werden uns in eine Daueraufgabe begeben müssen. Wir brauchen dabei verbindliche Konzeptionen für digitales Handeln.

Konkret meinen wir hier ein Schnittstellenkonzept (API-Strategie, die technische Rahmenbedingungen für den Datenaustausch festlegt), eine Datenstrategie (definiert inwieweit erhobene Daten weitergenutzt werden können), eine Resilienz-Strategie (Digitalsouveränität wahren, Fokus insbesondere auf Opensource-Anwendungen) sowie eine Transparenzstrategie (mit öffentlichen Geldern generierte Daten sollen öffentlich einsehbar sein).

Darüber hinaus muss der Netzausbau bei Glasfaser beschleunigt werden..

W+M-Wahlprüfstein 4

Was sind Ihre Vorschläge für Bürokratieabbau im Land zum Nutzen der Wirtschaft?

Das Schlagwort „Bürokratieabbau“ wird in der Regel, wie auch hier im Zusammenhang mit der Erleichterung, also dem Abbau von Aufgaben der Wirtschaft, vor sich hergetragen.

Bürokratie ordnet aber grundsätzlich unser wirtschaftliches Handeln miteinander. Weite Bereiche dienen der Gesellschaft um, auch wirtschaftliche Entwicklungen zu begleiten (Erhebungen von bspw. Warenströmen, Dienstleistungen etc.). Wünschenswert wären konkrete Vorschläge von Seiten der Interessenvertretungsverbände (IHK, HWK etc.) wo an welchen Stellen ganz konkret was verändert werden soll und vor allem auch warum mit welcher Zielsetzung. Auf dieser Grundlage könnten dann konkrete Schritte zum Abbau von überflüssigen Vorgaben vollzogen werden.

Das Schlagwort „Bürokratieabbau“ hilft an sich nicht weiter.

 W+M-Wahlprüfstein 5

Wie beurteilen Sie die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung des Landes und was sind Ihre Vorschläge zur Verbesserung der Standortbedingungen?

In den zurückliegenden Jahren haben wir uns im Umfeld vielfältiger Krisen bewegt. Bisher musste sich noch keine unserer Regierungen zeitgleich bzw. in unmittelbarer Folge mit den Krisen Pandemie (Corona), Krieg vor der Haustüre (Ukraine), Energiekrise (einseitige extreme Abhängigkeit von fossilen Energieträgern) und der Klimakrise auseinandersetzen.

Jede dieser einzelnen Krisen bergen das Potenzial eine Volkswirtschaft schwer zu erschüttern. Zugleich rufen sie unweigerlich Transformationen in allen gesellschaftlichen Bereichen hervor – auch in der Wirtschaft. Der Niedergang der automobilen Zulieferindustrie ist nur ein Fall unter vielen.

Der Standort Thüringen birgt auch heute schon eine Vielzahl guter Rahmenbedingungen für Unternehmerinnen und Unternehmer. Eine der Herausforderungen wird in der Gewinnung von Arbeitskräften liegen. Es ist die Aufgabe der Politik hier die Zugänge zum Arbeitsmarkt radikal zu vereinfachen. Zum Beispiel mit Beginn des Aufenthaltsantrages auch legalen Zugang zum Arbeitsmarkt zu bekommen.

Allerdings bedarf es darüber hinaus auch der Bereitschaft innerhalb der Gesellschaft Menschen, die hier arbeiten wollen mit offenen Armen vorbehaltlos zu empfangen.

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