Am 1. September wählen die Bürger und Bürgerinnen den neuen Sächsischen Landtag. Eine richtungsweisende Entscheidung auch für die sächsische Wirtschaft. Deshalb hat Wirtschaft+Markt die Positionen der Parteien zu wichtigen wirtschaftspolitischen Themen in Sachsen abgefragt. Die Antworten der wirtschaftspolitischen Sprecher haben wir thematisch zugeordnet und gesondert veröffentlicht.
Hier die Antworten von Nico Brünler (Die Linke)
Sprecher der Fraktion für Haushalt/Finanzen, Digitalisierung, Wirtschaft, Verwaltung, Forschung und Technologieförderung
Nico Brünler (geb. 1975 in Karl-Marx-Stadt), Diplom-Volkswirt, ist Mitglied des Sächsischen Landtags seit September 2014. Ab 2000 arbeitete er im Bereich Rechnungswesen und Unternehmensplanung, ab 2005 als Mitarbeiter eines Bundestagsabgeordneten. Im Landtag ist er Mitglied im Haushalts- und Finanzausschuss sowie im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr.
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Wie kommt der Umbau der sächsischen Lausitz voran und wie beurteilen Sie den bisherigen Einsatz der Fördermittel?
Es wird immer offensichtlicher, dass es in der Lausitz weniger an gut bezahlten Arbeitsplätzen mangelt, sondern vielmehr an Fachkräften, die in Ostsachsen arbeiten und vor allem leben wollen. Mit dem Geld werden viele Projekte gefördert, die ohnehin in den Planungen der Städte und Landkreise enthalten waren – auch unabhängig davon, ob sie tatsächlich zu einer wirtschaftlichen Entwicklungsperspektive beitragen.
Wir vermissen eine übergeordnete Strategie. Die meisten dieser Investitionen sind dennoch sinnvoll, doch wir befürchten, dass im kernbetroffenen Gebiet zu wenig ankommt. Impulse wie die Großforschungszentren sind hilfreich, das aber vor allem dann, wenn sie über die Oberzentren hinaus ausstrahlen. Schließlich geht es darum, auch in Gebieten wie Weißwasser oder Hoyerswerda attraktive Lebensbedingungen anzubieten, ohne die auch die Unternehmen keinen Nachwuchs finden. Dabei kommt es vor allem auf Verkehrsverbindungen an, vor allem auf der Schiene. Außerdem werden die meisten Förderentscheidungen über die Köpfe der örtlichen Bevölkerung hinweg getroffen – das wollen wir dringend ändern.“
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Wie stehen Sie zu Subventionen für Großansiedlungen wie TSMC?
Im Grunde ist das eine Sonderbehandlung für Großkonzerne, die es sich leisten können, den Staat zu erpressen – indem sie sagen: entweder ihr subventioniert uns oder wir gehen woanders hin. International gibt es einen Subventionswettlauf, weshalb man wohl oder übel Geld bieten muss. TSMC hat als Halbleiterproduzent eine Schlüsselbedeutung. Dennoch müssen wir aufpassen, dass der Klein- und Mittelstand nicht vernachlässigt wird – das ist das Rückgrat der sächsischen Wirtschaft. Auch dort müssen Geschäftsmodelle, die für die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes wichtig sind, öffentlich gefördert werden, sofern dadurch gute Arbeitsplätze entstehen. Die Bedeutung der Gründungsförderung darf nicht unterschätzt werden. Auch vor diesem Hintergrund ist es falsch, dass die Bundesregierung und die sächsische Staatsregierung eisern am Fetisch Investitionsbremse festhalten. Niemand will Geld vergeuden. Doch wenn wir jetzt weiter die Ausgaben kürzen, obwohl wir Krisenzeiten durchmachen, wird das auf mittlere und lange Sicht viel teurer.
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Was sind Ihre Konzepte zur Behebung des Fachkräftemangels?
Das Arbeitspotential der Menschen, die hier leben, und das derjenigen, die sich noch hier ansiedeln, muss ausgeschöpft werden – durch Anreize und Unterstützung. Das Problem wird nicht behoben, indem man Menschen noch länger arbeiten lässt, wie es die CDU will. Wer Arbeitskräfte will, muss diese gerecht bezahlen und gute Bedingungen bieten. Der Staat sollte vorangehen, indem er öffentliche Aufträge nur an Unternehmen vergibt, die ihre Beschäftigten ordentlich bezahlen.
In Sachsen arbeiten mindestens seit 2015 zehn Prozent weniger Beschäftigte in einem Betrieb mit Tarifbindung als in Gesamtdeutschland. Die Tarifbindung sinkt auch in Branchen, in denen viele Fachkräfte fehlen. Besorgniserregend ist ferner die hohe Zahl der Schul- und Ausbildungsabbrüche. Die tariflichen Ausbildungsvergütungen sind in einigen Mangelberufen sehr niedrig. Sachsen sollte eine Bundesratsinitiative ergreifen, um eine Mindestausbildungsvergütung in Höhe von 80 Prozent des tariflich gezahlten Lohns festzusetzen. Die duale Ausbildung ist ein Schlüsselfaktor, weil sie theoretisches Wissen und praktische Berufsorientierung verzahnt. Die Staatsregierung muss sie attraktiver machen. Wir fordern zudem eine Bundesratsinitiative, damit Handwerksabschlüsse mit dem Abiturabschluss gleichgestellt werden und ein BAföG-gestütztes Meisterstudium eingeführt wird. Und: Wer arbeitet, darf nicht abgeschoben werden, Arbeitsverbote für zugewanderte Menschen müssen weg. Geflüchtete Menschen sollen schneller und besser ihre Berufskenntnisse durch praktische Arbeit statt in Papierform nachweisen können.
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Was sind Ihre Vorschläge für Bürokratieabbau im Land zum Nutzen der Wirtschaft?
Zunächst wenden wir uns dagegen, Bürokratie pauschal zu verdammen – unser Zusammenleben braucht Regeln, die staatlicherseits durchsetzbar sein müssen, wenn sie sinnvoll sind. Wenn es beispielsweise darum geht, gute Arbeitsbedingungen zu gewährleisten und Ausbeutung zu verhindern, gehen wir da keine Kompromisse ein. Wie immer kommt es dabei auf die Details an. Richtig ist aber: Es ist eine ständige Aufgabe, alle Beteiligten von unnötigen Vorschriften und Verfahrensschritten zu entlasten, und insbesondere Förderverfahren anwendbar zu gestalten.
Wir haben dazu den konkreten Vorschlag einer Bewilligungsfiktion gemacht: Fördermittelanträge mit einem Volumen von bis zu 150.000 Euro sollen künftig automatisch als bewilligt gelten, wenn sie nicht binnen sechs Wochen nach Antragsstellung beschieden sind. Damit das realistisch ist, müssen die Antragsverfahren vereinfacht werden – das müsste die Verwaltung dann im eigenen Interesse gewährleisten. Hinzu kommt die Digitalisierung: Wenn man Verwaltungsprozesse digitalisiert, darf das nicht bedeuten, sie im Internet nachzubauen. Die Prozesse müssen dabei überprüft und neu strukturiert werden.
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Wie beurteilen Sie die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und was sind Ihre Konzepte zur Verbesserung der Standortbedingungen?
Die wirtschaftliche Entwicklung ist solide und auf jeden Fall besser als die Stimmung. Damit die Lage besser wird, muss unser Land aber seine Hausaufgaben machen. Das beginnt mit dem Breitbandausbau in der Fläche und einer erreichbaren digitalen Verwaltung, geht weiter über eine attraktive Stimmung gegenüber zuwandernden Menschen und hört mit sinnvollen öffentlichen Investitionen in Zukunftsbranchen und einer höheren Tarifbindung noch lange nicht auf. Die Hauptaufgabe besteht darin, Fachkräfte auszubilden – dafür muss das Schulsystem modernisiert und umgebaut werden, schon damit kein Kind nach der vierten Klasse aussortiert wird, obwohl es zu einer höheren Schullaufbahn imstande wäre.