Samstag, November 23, 2024

W+M-Parteien-Umfrage: Sachsen hat die Wahl. Henning Homann (SPD)

Am 1. September wählen die Bürger und Bürgerinnen den neuen Sächsischen Landtag. Eine richtungsweisende Entscheidung auch für die sächsische Wirtschaft. Deshalb hat Wirtschaft+Markt die Positionen der Parteien zu wichtigen wirtschaftspolitischen Themen in Sachsen abgefragt. Die Antworten der wirtschaftspolitischen Sprecher haben wir thematisch zugeordnet und gesondert veröffentlicht.

Hier die Antworten von Henning Homann (SPD)

Sprecher der Fraktion für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

Henning Homann (geb. 1979 in Düsseldorf), Politik- und Verwaltungswissenschaftler, ist seit September 2009 Mitglied des Landtags und seit 2021 Landesvorsitzender der SPD Sachsen. Nach dem Abitur in Döbeln und seinem Studium war er 2005 bis 2009 Büroleiter einer SPD-Landtagsabgeordneten. Er ist Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr.

Banner Landtagswahl in Sachsen 2024. Foto AdobeStock

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Wie kommt der Umbau der sächsischen Lausitz voran und wie beurteilen Sie den bisherigen Einsatz der Fördermittel?

Die Ergebnisse des letzten Lausitz- und Mitteldeutschland-Monitors haben gezeigt: die Strukturentwicklung zeigt Wirkung. Solch ein Prozess ist auf Jahrzehnte angelegt, aber wir sehen die ersten Ergebnisse und sind hoffnungsvoll, dass sich Lausitzer und mitteldeutsches Revier zu einer starken und innovativen Wirtschaftsregion entwickeln, die nicht nur vor der Kohle abhängig ist und wo die Menschen gerne und gut leben.

Wichtig sind uns vor allem gut bezahlte Industriearbeitsplätze und die Transformation des Energiesektors – dass sich LEAG und MIBRAG auf den Weg als Erzeuger erneuerbarer Energie gemacht haben, ist gut und folgerichtig.

Die für die Umgestaltung der Region notwendigen Fördermittel werden dabei auf verschiedenen Wegen vergeben. Über einen Teil des Geldes entscheiden die Kommunen in den regionalen Begleitausschüssen. Bund und Land entscheiden über Großforschungszentren, Behördenansiedlungen und die Verkehrsinfrastruktur von Straße und Schiene. Davon fließt ein Großteil des Geldes vor allem in die wirtschaftsnahe Infrastruktur, die Verkehrsinfrastruktur und die öffentliche Fürsorge. Das ermöglicht eine umfassende Entwicklung der Region. Denn nur mit einer guten öffentlichen Infrastruktur wird die Region attraktiv für neue Arbeitskräfte und ihre Familien.

Besonders wichtig war uns dabei, dass die Förderperioden flexibilisiert werden. Dafür haben wir uns gemeinsam mit dem Freistaat, der Staatsregierung und auch den SPD-Bundestagsabgeordneten stark gemacht. Dass das nun kommt, ist ein wichtiger Schritt, denn nur so können wir sicherstellen, dass wichtige Fördermittel nicht verfallen. Außerdem sollen – nach Ankündigung des BMWK – über das STARK-Programm jetzt auch eine investive Unternehmensförderung (v.a. im Energiebereich) möglich werden.Das ist ein klares Bekenntnis der Bundesregierung zum Standort Sachsen und den besonderen Erfordernissen der Transformationsregionen.

Strukturwandel ist ein langfristiges Geschehen und ein Prozess, der sich stetig weiterentwickelt und angepasst werden muss. Dabei läuft nicht immer alles glatt und ruckelfrei. Aber dass dieser Prozess Stück für Stück für die Menschen vor Ort greifbar, erlebbar, ja auch nachvollziehbar wird, ist das Wichtige. Dass das an vielen Stellen gelingt, ist den Menschen vor Ort und dem Zusammenspiel von Wirtschaft und Förderentscheidungen der Politik zu verdanken. Die sichtbaren Fortschritte und Änderungen sind es auch, die in der Region das Gefühl entstehen lassen: hier wird etwas! Und es wird gestaltet! Für unsere Region geht es nicht nur voran, wir können uns sogar einen Vorsprung erarbeiten. Das mündet dann auch in einer sich aufhellenden Stimmung in Bezug auf den Strukturwandel. Diese Überzeugung und Zustimmung ist es auch, die den weiteren Transformationsprozess tragen und zu einer Erfolgsgeschichte werden lassen wird.

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Wie stehen Sie zu Subventionen für Großansiedlungen wie TSMC?

Dass TSMC sich für Sachsen entschieden hat, ist ein großer Erfolg und eine großartige Chance für die weitere wirtschaftliche Entwicklung unseres Freistaates. Es entstehen nicht nur 2.000 neue, hochwertige und gut bezahlte Industriearbeitsplätze, sondern auch mittelständische Firmen im Umfeld. Zulieferer und Handwerker werden davon langfristig profitieren. Die Stadt Dresden schmiedet gerade ein Bündnis mit den Umland-Kommunen und -kreisen, um den Bedarf zuziehender Chipexperten an Wohnungen, Schulen, Kitas und Kultur zu decken. Auch um diese Infrastruktur zu schaffen, auszubauen und instand zu halten, braucht es den regionalen Mittelstand und das Handwerk.

Die Ansiedlung wird darüber hinaus auch dazu beitragen, dass die sächsische Mikroelektronik- und IKT-Branche insgesamt wächst – von derzeit rund 76.000 Beschäftigten auf rund 100.000 Beschäftigte im Jahr 2030. Von dieser Zahl geht das Branchen-Netzwerk Silicon Saxony e.V. aus.

Was das Thema Subventionen betrifft: Im Falle der Ansiedlung von TSMC stammen die Mittel in Höhe von fünf Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds der Bundesregierung. Der Freistaat Sachsen hat hier keine Landesmittel hinzugeben müssen, da die Genehmigung der Förderung über den EU Chips Act läuft. Aber wir sind als Land nun gefordert, in den kommenden Jahren die nötige Infrastruktur auszubauen, zum Beispiel die Energie- und Wasserversorgung und auch ein Ausbildungszentrum für die Chipindustrie sind hier wichtige Punkte. Ich bin überzeugt, dass sich diese Investition langfristig rechnet und auszahlt für den Standort Sachsen.

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Was sind Ihre Konzepte zur Behebung des Fachkräftemangels?

Dass Arbeits- und Fachkräfte knapp und stark nachgefragt sind, ist, so kontraintuitiv das auf den ersten Blick klingen mag, erst einmal ein Erfolg. Zum einen ist es ein Erfolg der sehr guten schulischen und beruflichen Bildung in Sachsen – von unseren Schulen über ausbildende Unternehmen und Ausbildungseinrichtungen bis hin zu unserer differenzierten Hochschullandschaft. Zum anderen spricht die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt auch für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der sächsischen Unternehmen. Trotz der zuletzt wieder gestiegenen Arbeitslosenquote haben wir eine Beschäftigung auf Rekordniveau: Noch nie haben so viele Menschen in Sachsen gearbeitet, mit rund 300.000 Arbeitsplätzen mehr als vor 15 Jahren.

Natürlich gibt es die demografischen Effekte. Wir wissen, dass wir am Ende des Jahrzehnts mit über 150.000 fehlenden Arbeits- und Fachkräften rechnen müssen, wenn die derzeitigen Trends fortgeschrieben werden. Aber wir haben es selbst in der Hand, dass es nicht dazu kommt. Erstens braucht es Unternehmen, die auf allen Ebenen in ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter investieren. Sachsen braucht Unternehmerinnen und Unternehmer, die ihren Beschäftigten guten Verdienst, gute Arbeitsbedingungen und – wo möglich – Flexibilität bieten. Die Löhne in Sachsen sind 2023 deutlich gestiegen, und zwar stärker als im Bundesdurchschnitt. Wir sind auf dem richtigen Weg und bauen die Lohnmauer zwischen Ost und West weiter ab.

Zweitens müssen wir die Potenziale im eigenen Land ausschöpfen und mehr Menschen in Arbeit bringen. Programme wie der Soziale Arbeitsmarkt (SAM), TANDEM Sachsen und die JobPerspektive Sachsen helfen dabei. Wir müssen auch Menschen mit Behinderungen besser in den Arbeitsmarkt integrieren und verhindern, dass Schülerinnen und Schüler ohne Abschluss die Schule verlassen. Zudem müssen wir es schaffen, dass frisch ausgebildete Fachkräfte und Absolventen unserer Hochschulen in Sachsen bleiben.

Drittens werden wir auch Menschen brauchen, die von außerhalb Sachsens und Deutschlands zu uns kommen. Die sächsische Staatsregierung hat einen Maßnahmenplan zur Gewinnung internationaler Fachkräfte aufgelegt. Wir bieten ein breites Portfolio zur Fachkräftesicherung an, von Unterstützungsstrukturen wie dem Zentrum für Fachkräftesicherung und Gute Arbeit (ZEFAS) bis zu konkreten Förderangeboten der beruflichen Bildung.

Mehr und länger zu arbeiten, wie es manche gerade in der sächsischen CDU fordern, kann nicht die Lösung sein. Vor allem nicht, wenn die Menschen in anstrengenden Jobs im Handwerk, in der Industrie oder in der Pflege gesund alt werden und dabei produktiv bleiben sollen. Wir brauchen Unternehmen, die den Wert betrieblicher Mitbestimmung erkennen. Mit Beschäftigten, die Anteil am Tun ihres Unternehmens nehmen, entsteht zusätzlicher Mehrwert und größeres Innovationspotenzial.

Wir als SPD stehen für ein Sachsen, in dem alle, die hier arbeiten und sich einbringen, gut leben können. Ein Land mit einer starken Wirtschaft, guten Löhnen und Arbeitsbedingungen, das seine inländischen Potenziale hebt und international attraktiv ist. Daran werden wir als Sozialdemokraten weiter mit aller Kraft arbeiten.

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Was sind Ihre Vorschläge für Bürokratieabbau im Land zum Nutzen der Wirtschaft? 

Bürokratie abzubauen, wo es gerecht und möglich ist, muss unser Ziel bleiben. Wichtig ist dabei für mich, ehrlich zu den Menschen und den Unternehmen zu sein und den grundsätzlichen Zielkonflikt zwischen Gerechtigkeit und Effizienz im Blick zu behalten. Die eine, für alle einfache Lösung gibt es nicht, und wenn es gerecht zugehen soll, muss man stärker die Details in den Blick nehmen. Die Bürokratieabbauprozesse in Sachsen laufen – und das konsequent. Dabei setzen wir auf bewährte Maßnahmen und innovative Ansätze, um den Wirtschaftsstandort weiter zu stärken und unternehmerfreundlicher zu gestalten. Wir haben bereits in Krisenzeiten bewiesen, dass wir Verfahren erheblich vereinfachen können, sei es während der Corona-Pandemie oder der Energiekrise.

Wer aufräumen will, muss die Ärmel hochkrempeln und ins Detail gehen. Deshalb wollen wir in der nächsten Legislatur ein kleines, aber schlagkräftiges Team einrichten, das in allen Ressorts Rechts- und Verfahrensregelungen „entrümpelt“ und drastisch vereinfacht. Besonders bei der Personalfindung, etwa mit Hilfe der Ausländerbehörden, wollen wir Prozesse beschleunigen, um den steigenden Arbeits- und Fachkräftebedarf zu decken. Ein einheitliches Förderportal wird die Förderverfahren konsequent digital abbilden – von der Antragsstellung bis zur Abrechnung. Wir setzen auf klug gesetzte Bagatellgrenzen, Pauschalen für Personal- und Planungskosten sowie ein echtes Stichprobenverfahren statt Kontrollen bis ins kleinste Detail.

Auf Bundesebene sind mit dem Wachstumschancengesetz und dem Vierten Bürokratieentlastungsgesetz bedeutende Schritte unternommen worden, die wir von Sachsen aus aktiv mitgestaltet haben.

Natürlich ist die Regulierungsdichte in Deutschland und Europa sehr hoch und die Themen komplex. Zur Ehrlichkeit gehört auch, dass viele Punkte wie das Lieferkettengesetz oder die Steuergesetzgebung nicht im Zuständigkeitsbereich des Freistaates Sachsen liegen. Dennoch engagieren wir uns kontinuierlich auf verschiedenen Ebenen, um die Bürokratie für Unternehmen zu reduzieren, und die Staatsregierung arbeitet dazu auch mit den Kammern und Verbänden zusammen. Wenn wir kontinuierlich und zielgerichtet dranbleiben, erreichen wir Schritt für Schritt einfachere Verfahren für die Menschen und die Unternehmen in Sachsen.

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Wie beurteilen Sie die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und was sind Ihre Konzepte zur Verbesserung der Standortbedingungen?

Die Menschen in Sachsen haben Großartiges geleistet seit der Wiedervereinigung. Wir haben in Sachsen unsere wirtschaftlichen Strukturen aufgebaut, weiter gestärkt und wichtige Weichen für die Zukunft gestellt. Ich nehme wahr, dass viele Menschen sich im Moment sorgen, um die wirtschaftliche Lage, um die Zukunft. Das nehme ich ernst. Gleichzeitig gibt es so viel in unserem Land, das Mut macht:

Die Inflation ist zurückgegangen. Die Löhne sind 2023 deutlich gestiegen – in Sachsen stärker als im Bundesdurchschnitt. Mit durchschnittlich 37.386 Euro brutto haben die Menschen in Sachsen 6,8 Prozent mehr als im Jahr 2022 verdient, das ist Spitze in Ostdeutschland. Auch die Beschäftigung liegt auf Rekordniveau: Wir haben heute rund 300.000 Arbeitsplätze mehr als vor 15 Jahren. Unser Exportvolumen von knapp 50 Milliarden Euro in 2023 zeigt die hohe Nachfrage nach sächsischen Produkten und die Konkurrenzfähigkeit sächsischer Unternehmen. Auch beim Bruttoinlandsprodukt liegen wir weiter an der Spitze der ostdeutschen Länder. Dies zeigt, dass unsere Basis stimmt und wir die Strukturen haben, um langfristig erfolgreich zu sein.

Unternehmen wie TSMC entscheiden sich für Sachsen, weil hier die Bedingungen stimmen. Und die Bedingungen stimmen, weil wir gezielt investiert haben und weiter investieren, etwa 1,5 Milliarden Euro allein an Landesmitteln in den Breitbandausbau. Wir haben die Strategien und die Instrumente, um weiter zu investieren in Zukunftstechnologien wie Wasserstoff und KI, in Forschung und Entwicklung, in gute Bildung und hochqualifizierte Fachkräfte sowie in die Vielfalt der Kultur- und Kreativwirtschaft.

Auf dem Weg zur für uns alle überlebensnotwendigen klimaneutralen Wirtschafts- und Lebensweise haben wir die große Chance, die Zeit als verlängerte Werkbank hinter uns zu lassen. Wichtig ist: dieser Wandel und wirtschaftliche Sicherheit und Stabilität schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern im Gegenteil, sie bedingen einander.

Kein Transformationsprozess verläuft ruckelfrei. Das merken wir gerade. Umso wichtiger ist es, dass die etablierten Strukturen langfristig tragen. Und das tun sie. Die sächsische SPD steht für eine faktenbasierte und strategisch ausgerichtete Wirtschaftspolitik mit langfristig wirksamen Instrumenten und den nötigen Investitionen, statt an der falschen Stelle zu sparen. Gemeinsam schaffen wir eine lebenswerte Zukunft für unsere Kinder und Enkel – mit guten Jobs, Bildungschancen für alle und einem Sachsen, auf das wir stolz sein können.

 

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