2023 sind 176.000 Unternehmen geschlossen worden. Insbesondere der Maschinenraum Deutschlands – die Industrie und die Bauwirtschaft – ist betroffen. Im verarbeitenden Gewerbe hatten zuletzt 2004 so viele Betriebe aufgegeben. Das ist u. a. das Ergebnis der neuesten Auswertung des Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und der Creditreform Wirtschaftsforschung.
Wie sehr die industrielle Basis im deutschen Mittelstand schwindet, zeigt die aktuelle Auswertung des Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) aus Mannheim in Zusammenarbeit mit Creditreform. Alleine 2023 sind in Deutschland rund 176.000 Unternehmen geschlossen worden. Der Großteil von ihnen still und leise, lediglich 11 Prozent der Schließungen sind Folge einer Insolvenzanmeldung. Gegenüber der Schließungszahl von 2022 bedeutet das einen Anstieg von 2,3 Prozent – und zwar über alle Branchen und Unternehmensgrößen hinweg.
Sorgenkind Industrie
Der inhabergeführte Herrenausstatter, der Italiener um die Ecke oder der Traditions-Friseur sind die sichtbarsten Opfer der verschlechterten Wirtschaftslage. 2023 wurden rund 37.000 Handelsunternehmen geschlossen. Im Bereich der konsumnahen Dienstleistungen schlossen gut 51.000 Unternehmen. Das sind deutlich mehr als im Jahr 2018, doch im Vergleich zum Vorjahr ist der Trend im Handel (minus 0,8 Prozent) und bei konsumnahen Dienstleistungen (minus 0,5 Prozent) leicht rückläufig.
„Verwaiste Ladenlokale und leere Schaufenster treffen die Menschen in ihrer Umgebung wirtschaftlich und auch emotional. Die Schließungen in der Industrie aber treffen den Kern unserer Volkswirtschaft“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform. So ist die Anzahl der Schließungen im Baugewerbe von 2022 auf 2023 um 2,4 Prozent auf 20.000 Unternehmen gestiegen – im verarbeitenden Gewerbe um 8,7 Prozent auf 11.000 Schließungen. Das ist der höchste Stand seit dem Jahr 2004.
Forschungsintensive Branchen fallen zurück
Alarmierend ist, dass damit nicht nur die industrielle Basis schwindet. Unterscheidet man innerhalb des verarbeitenden Gewerbes noch einmal nach dem Innovationsgrad, fällt auf, dass die Zahl der Schließungen mit plus 12,3 Prozent in forschungsintensiven Wirtschaftszweigen deutlich stärker ansteigt als in nicht forschungsintensiven Bereichen. „In Branchen wie der Möbelherstellung oder der Produktion von Spielwaren und Sportgeräten verzeichnen wir sogar sinkende Schließungszahlen“, berichtet Dr. Sandra Gottschalk, Senior Researcher beim ZEW. In anderen Bereichen, wie etwa der Chemie- und Pharmaindustrie, dem Maschinenbau und bei technologieintensiven Dienstleistungen scheiden jedoch mehr Unternehmen aus dem Markt aus“, so Gottschalk. Der Effekt ist dort zudem besonders stark, weil den Schließungen stagnierende Gründungen gegenüberstehen. „Wenn der Bestand nicht nachwächst, steigt die Zahl der Schließungen überproportional“, erläutert die Expertin.
„Derzeit bestimmen Turbulenzen bei prominenten und großen Unternehmen die Diskussion um eine mögliche De-Industrialisierung“, so Hantzsch. „Das leise Sterben vieler kleinerer Betriebe und hochspezialisierter Unternehmungen ist aber mindestens genauso folgenschwer. Hohe Energie- und Investitionskosten, unterbrochene Lieferketten, Personalmangel und politische Unsicherheit sind für die Wirtschaft ein toxischer Cocktail“, so der Creditreform-Sprecher.
Für ihre Untersuchung greifen die ZEW-Ökonomen auf das Mannheimer Unternehmenspanel zu. Es basiert auf der Unternehmensdatenbank von Creditreform und ist die umfangreiste Datenbasis zur Gesamtheit der Unternehmen in Deutschland. Aufgrund des hohen Detaillierungsgrads lassen die Daten auch Einblicke in einzelne Branchen zu.