Das Thema Unternehmensnachfolge ist unbestritten wichtig, denn wie Zahlen belegen, wird es gerade in Ostdeutschland für Unternehmer immer komplizierter, einen Nachfolger zu finden. Gerade auch bei Nachfolgern aus dem Familienumfeld, eigentlich der Standard, hapert es. Letztlich fehlt es generell an Nachfolgern und das hat etwas mit Unternehmertum, vor allem aber mit Kommunikation zu tun.
Wie und vor allem wann kommunizieren Unternehmer ihre Verkaufsbereitschaft, wie sollen potenzielle Nachfolger davon erfahren? Dazu braucht es Helfer und die gibt in den regionalen Kammern, nicht ganz so uneigennützig natürlich auch bei Beratern und Banken.
W+M hat die ostdeutschen Industrie- und Handelskammern (IHK), die Handwerkskammern (HWK) und die Vorstände von Bürgschafts- und Förderbanken sowie die Wirtschaftsförderer der Länder gebeten, sich zu ihren Erfahrungen und ihrem Engagement zum Thema Unternehmensnachfolgen zu äußern. Insgesamt wurden knapp 60 Einrichtungen im Zeitraum von März bis April 2024 befragt.
Im Wesentlichen haben sich nur einzelne IHK und HWK beteiligt. Auch wenn der Rücklauf mit 30 Prozent insgesamt als gut gewertet werden kann, räumt es nicht die Vermutung aus, dass die meisten der am Thema Unternehmensnachfolge beteiligten Institutionen „Ihr Ding machen“ und wenig Interesse an einer Darstellung nach außen bzw. überregionaler Zusammenarbeit haben.
Die fünf wichtigsten Gründe
1. Unternehmer, die eigentlich Betroffenen, bewerten die Bedeutung der für sie existenzielle Frage geringer als die befragten Institutionen, die sich unterstützend einsetzen
Das ist bemerkenswert, denn in erster Linie sind es doch die Unternehmer selbst, die ein Interesse an einer erfolgreichen Übergabe des Unternehmens haben sollten. Hier geht es nicht nur um die Finanzierung des Ruhestandes, sondern auch um die Sicherung des Lebenswerks und die Zukunft des Unternehmens.
2. Unternehmer verdrängen das Thema Unternehmensnachfolge so lange es irgendwie geht und hoffen auf einen Nachfolger aus ihrem Umfeld
Die Organisation der eigenen Nachfolge hat scheinbar Tabucharakter bis ein zwingender Grund (plötzliche Erkrankung o.ä.) zu schnellem Handeln zwingt. Das allerdings ist dann der ungünstigste Verhandlungszeitpunkt und ein Agieren aus denkbar schlechter Position. So endet die Schnellsuche aus Not oftmals nicht mit einer erfolgreichen Übergabe, sondern mit einer Aufgabe des Geschäfts. Die Chance einer überregionalen Nachfolgesuche besteht schon aus Zeitgründen nicht.
3. Ein Grund für den Nachfolgermangel: Die mangelnde Attraktivität des Unternehmerseins
Unternehmensnachfolgen finden auf einem Anbietermarkt statt. Es fehlt die Nachfrage.
Aktuell ist es in Ostdeutschland, ebenso wie in der ganzen Republik, nicht sonderlich erstrebenswert, Unternehmer zu werden. Selbstbestimmung, gepaart mit Fach- und Führungswissen, lassen den Wunsch nach Selbstverwirklichung oftmals am Unternehmerrisiko und fehlendem Verantwortungsbewusstsein scheitern. Zumal im Zeitalter der Fachkräftemangels viele Unternehmer attraktive Job mit viel Gestaltungsfreiheit ohne Risiko anbieten.
Die stetig wachsendende Bürokratie und ein nicht sonderlich hohes Ansehen des Unternehmers in der Gesellschaft tun ein Übriges.
4. Viel Beratung, aber wenig konkrete Matchingangebote
Das direkte Treffen von Verkäufern und interessierten Käufern ist der eigentliche Knackpunkt für erfolgreiche Unternehmensübergaben. Haben sich Käufer und Verkäufer erst einmal identifiziert, geht es nur noch um die Gestaltung der Übergabe. Das ist zwar ebenfalls nicht trivial, aber hier gibt Nachfolgeberater, Anwälte und Steuerberater, Banken und klare Abläufe.
Matchingangebote zu organisieren, ist hingegen sehr kompliziert. Es fehlen Nachfolger (siehe 3.), aber es fehlen auch Suchangebote, denn das Verkünden einer Nachfolgesuche erfordert vom Unternehmer eine Offenheit, die normalerweise nicht zur Unternehmer-DNA passt. Klarheit des Angebots bei hoher Anonymität sind nur kompliziert vereinbar. Deshalb gibt es auch wenig gescheite Plattformen. Angebote einzelner Agenturen, die Suche nach dem Nachfolger zu übernehmen, sind oft mit Vorsicht zu genießen.
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5. Überregionale Aktivitäten werden noch zu selten organisiert
Am einfachsten findet sich ein Nachfolger in der Familie, im eigenen Management oder im direkten Umfeld des Unternehmens. Diese „Hoffnung stirbt zuletzt“, ist aber auch dafür verantwortlich, dass die Chance, überregional nach einem Partner zu suchen, unterschätzt oder überhaupt nicht mitgedacht werden. Verstärkt wird die regionale Begrenzung durch die maßgeblichen Unterstützer aus den IHK und HWK, die per se nur für ihren Kammerbezirk zuständig sind. Die unterschätzte Überregionalität bei der Suche nach geeigneten Partnern für eine Unternehmensnachfolge ist organisatorisch verständlich, ansonsten aber kontraproduktiv.
Fazit: Das Thema Unternehmensnachfolge ist mehr als ein persönliches Thema des Unternehmers.
Aber der Unternehmer trägt die eigentliche Verantwortung, auch gegenüber der Gesellschaft. Er muss verstehen, dass Nachfolge, ebenso wie Gründung, Führung und Unternehmensentwicklung, Themen einer Liga sind. Hier braucht es mehr Überzeugungsarbeit, beginnend in der Ausbildung. Die lösungsorientierten Angebote der Unternehmensdienstleister müssten gerade im Bereich der strategischen Planung um Exitthemen ergänzt werden. Was in der Startup-Welt gang und gäbe ist, wäre auch ein wichtiges Todo für die klein- und mittelständischen Unternehmen.
Die Initiative Nachfolge Ostdeutschland NFOst
hat sich diese Aufgaben auf die Fahnen geschrieben. Mit einem überregionalen ostdeutschen Nachfolgeportal unter www.NFOst.de wurde begonnen. Dabei wird es nicht bleiben, denn es ist noch viel zu tun.