Das Start-up SOLAR MATERIALS aus Magdeburg hat ein innovatives Verfahren zum Recycling von Solarmodulen entwickelt. Nun setzen die Gründer auf einen weltweiten Einsatz ihrer Technologie.
Ob Gartenlaube, Wohnhaus, Bürogebäude oder Fabrikhalle – die Frage, wo eine Photovoltaikanlage angebracht werden kann, interessiert gegenwärtig Familien wie Unternehmen.
Die Gründer des Start-ups Solar Materials beschäftigen sich stattdessen mit dem anderen Ende dieser Entwicklung. „Der Lebenszyklus eines Photovoltaikmoduls liegt bei durchschnittlich 25 bis 30 Jahren. Zeitnah kommen also die ersten Rückläufer aus den frühen 2000er Jahren. Es hat uns zunächst verwundert, dass es noch keine wirklichen Überlegungen gibt, was mit den Modulen nach der Demontage passiert. Also haben wir eine Recyclinganlage entwickelt, um den Rohstoffkreislauf in der Solarindustrie zu schließen“, sagt Fridolin Franke, einer der drei Gründer des Startups.
Bisher werden ausrangierte Module geschreddert und grob nach Glas, Kunststoff und Aluminium getrennt. Die eigentlichen wertvollen Stoffe wie Silizium und Silber bleiben dabei auf der Strecke und lösen sich im wörtlichen Sinne in Staub auf. „Das ist eine Verschwendung von Ressourcen, die wir uns gar nicht leisten können. Silizium, Silber und Kupfer machen zusammen mehr als die Hälfte vom Rohstoffwert eines Solarmoduls aus. Allein in Deutschland wird die Menge der zu recycelnden Module bis zum Ende des Jahrzehnts auf etwa fünf Millionen Stück pro Jahr ansteigen“, so Wirtschaftsingenieur Franke.
Schon heute gehen bis zu 15 Prozent der weltweiten Silberproduktion in die Photovoltaik-Industrie. Aufgrund des Booms der Branche könnte dieser Anteil sogar auf 80 Prozent steigen. „Die Recycling-Quote dagegen liegt aktuell bei null. Den Herstellern scheint das erstaunlicherweise sehr egal zu sein. Sie fokussieren sich darauf, dass sie immer mehr in den Markt reinbringen“, erklärt Fridolin Franke.
„Das weltweit erste Recycling-Verfahren für Solarmodule“
Die patentierte Pilotanlage von Solar Materials steht in einer Werkhalle in Magdeburg, wo sich das Unternehmen 2021 gegründet hat. Die Technologie fußt auf thermomechanischen Prozessen, die nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich nachhaltig sind. So benötigen die recycelten Rohstoffe etwa 80 Prozent weniger Energie als ihre Primärproduktion und reduzieren deutlich den CO₂-Fußabdruck. Das entwickelte Verfahren ist somit das erste weltweit, das eine wirtschaftliche Lösung bietet, um sämtliche Rohstoffe aus Solarmodulen effizient zurückzugewinnen.
Warum den drei jungen Ingenieuren dieses Kunststück gelang, dafür hat Fridolin Franke einen Erklärungsansatz: „Ich glaube, unser Vorteil war es, dass wir zu Beginn weder von Recycling noch von Solarmodulen wirklich Ahnung hatten. Wir hatten auch keine Präferenz für eine bestimmte Technologie. Für uns stand lediglich das Problem im Raum. Also haben wir sehr viele Ansätze getestet von Infrarot über Laser bis zu Mikrowellen. Schließlich haben wir das gefunden, was im Prozess am stabilsten und wirtschaftlich vertretbar ist. Auch andere Technologien haben funktioniert, aber die waren dann häufig viel zu teuer oder zu langsam.“
Mit der Pilotanlage kann das Startup seine ambitionierten Zukunftspläne vorantreiben. Die Anlage kann 3.000 Tonnen an Modulen pro Jahr recyceln. Die Skalierung auf einen industriellen Maßstab ist in Vorbereitung: An einem Standort in der Region Magdeburg sowie an einem Standort in Süddeutschland will Solar Materials mittelfristig pro Jahr jeweils 8.400 Tonnen Material in die Ausgangsstoffe trennen. Das Ergebnis dieses Trennungsprozesses ist Glas in kleinen Scherben, Kupfer und Kunststoff als Granulat, Silizium und Silber in Form von Staub, der dann von Partnerunternehmen aufbereitet wird.
Nach der Pilot- und Serienreife wird es darum gehen, die entwickelte Technologie in noch größere Maßstäbe zu skalieren. „Wir wollen in möglichst viele Märkte kommen, denn das Problem gibt es überall auf der Welt. Gegenwärtig erreichen uns nicht nur Anfragen aus Italien, Frankreich oder Spanien, sondern auch aus Indien und Japan“, so Franke.
„Wir wollen in möglichst viele Märkte kommen, denn das Problem gibt es überall auf der Welt.“
Der Standort Magdeburg hat sich für die Gründer, zu denen neben Fridolin Franke auch Dr. Jan-Philipp Mai und Jan Bargel gehören, als ideal erwiesen. Obwohl die Ingenieure an der Technischen Universität in Braunschweig studiert und geforscht haben, sind sie mit ihrem Unternehmen nach Magdeburg umgezogen. Trotz, dass sie im Braunschweiger Gründungsnetzwerk aktiv waren, haben sie dort keine geeignete Hallenfläche samt Büroräumen erhalten. „In Magdeburg ging das ohne große Schwierigkeiten. Zudem ist die logistische Anbindung für uns optimal, da das recycelte Material möglichst schnell zu den Abnehmern gelangen soll. Auch die Förderung durch die Investitionsbank Sachsen-Anhalt sowie die Unterstützung der Investitions- und Marketinggesellschaft des Landes hat uns anfänglich sehr geholfen“, sagt Fridolin Franke.
Fakt ist, so wie die Produktion von Photovoltaik-Modulen boomt, so wird sich auch der Bedarf am Recycling enorm erhöhen. Das Cleantech-Startup Solar Materials schaut sonnigen Zeiten entgegen. Auch wenn für den Erfolg des Unternehmens die Sonne eigentlich gar nicht scheinen muss.