Am 09. Juli 2024 finden in Deutschland die Wahlen zum zehnten Europäischen Parlament statt. W+M hat Abgeordnete, die Ostdeutschland vertreten, gebeten zu berichten, was Sie in der aktuellen Legislaturperiode für Ihr Bundesland erreicht haben und auf welche Schwerpunkte sich das nächste Parlament konzentrieren sollte.
Heute fragen wir Sergey Lagodinsky.
Sergey Lagodinsky
Jurist und Publizist
Europaabgeordneter für Bündnis90/Die Grünen
Tätig für Hamburg, Berlin, Brandenburg seit 2019
Vorsitzender der Delegation zum gemeinsamen parlamentarischen Ausschuss EU-Türkei; Erster Stellv. Vorsitzender vom Rechtsausschuss, Stellv. Mitglied im Auswärtigen Ausschuss sowie im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres.
Welche Ergebnisse haben Sie in der aktuellen Legislatur für Ihr Bundesland erzielt? Worauf sind Sie besonders stolz?
Durch die letzte Legislaturperiode haben mich drei Themen begleitet, die mir sehr am Herzen liegen: die Stärkung der Demokratie und Zivilgesellschaft in Europa, die Positionierung der EU als starke außenpolitische Akteurin und das Ermöglichen digitaler Innovation mit starkem Schutz bürgerlicher Rechte.
Mein Entwurf zum europäischen Vereinsrecht ist der erste grüne Legislativvorschlag, der von der Europäischen Kommission aufgegriffen wurde. Er sieht vor, dass Vereine mit Sitz in verschiedenen Ländern sich zusammenschließen und europäisch agieren dürfen. Das reduziert Bürokratie und ermöglicht Begegnung. Damit ist es unser Erfolg, wenn Vereine bald grenzüberschreitend arbeiten können. Das Gesetz wurde mit einer großen Mehrheit vom Parlament beschlossen.
Erst kürzlich wurde das KI-Gesetz verabschiedet, das ich mit verhandelt habe. Ich habe mich intensiv dafür eingesetzt, dass die Rahmenbedingungen für die Entwicklung neuer Technologien geschaffen werden, ohne dass gleichzeitig die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer beschnitten werden. Für unseren wirtschaftlichen Erfolg ist sowohl das Bereiten von Wegen für Innovation entscheidend, als auch das neue Technologien bei Menschen Vertrauen genießen. Viele meiner Vorschläge sind Teil des Gesetzes geworden, von Grundrechtsfolgenabschätzung und Regulierung der generativen KI bis hin zu Umweltstandards im Bereich des Ressourcenverbrauchs durch KI-Anwendungen.
Außenpolitisch gestalte ich die Politik des Parlaments gegenüber Russland, Ukraine oder der Türkei maßgeblich mit. Gerade im Bereich des Umgangs mit dem verbrecherischen Angriff der Russischen Föderation gegen die Ukraine, aber auch dem Umgang der EU mit Putin oder Nawalny, sind viele meiner Ideen umgesetzt worden.
Europäische Themen sind selten bezogen auf nur ein Bundesland. Es gibt aber ein Ergebnis meiner Arbeit, welches eng mit meinem Bundesland Brandenburg verbunden ist: das Oder-Gutachten. 2022 war ein von mir in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten zum Ausbau der Oder die Basis für den Ausbaustopp, den Naturschützer erreichen konnten. Im Sommer bestätigte die Oder-Katastrophe die Dringlichkeit des Schutzes.
Auf welche Schwerpunkte sollte sich das Parlament in der nächsten Legislaturperiode besonders konzentrieren?
Eines unserer wichtigsten Ziele in der nächsten Legislaturperiode sollte es sein, die Ergebnisse des Green Deal zu sichern und zu operationalisieren, um die europäische Transformation auf einen guten, zukunftsfähigen Weg zu bringen.
Wichtig dabei: der Green Deal soll unseren Wohlstand und die Bedeutung Europas als wirtschaftlichen Standort stärken, damit wir auch im internationalen Wettbewerb weiterhin gut positioniert sind.
Digitale Entwicklungen spielen dabei eine wichtige Rolle. Ob in Bezug auf den Data Act, den Data Governance Act oder das KI-Gesetz, die ich federführend verhandelt habe – bei der Umsetzung wird es darum gehen, Technologie made in Europe, grün, sozial und innovativ zu entwickeln und zu unterstützen. Nur so werden wir sicherstellen können, dass die politische und wirtschaftliche Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit der Europäischen Union verbessert wird. Das ist DIE zentrale geostrategische Frage in dieser neuen multipolaren Welt.