Die deutsche Wasserstoff-Wirtschaft nimmt Fahrt auf. Grüner Wasserstoff gilt als Hoffnungsträger auf dem Weg zur Klimaneutralität. Welche Strategien verfolgen die ostdeutschen Länder beim Aufbau der Wasserstoff-Wirtschaft, wer sind die wichtigsten Akteure und was konnte bereits realisiert werden? Diesen Fragen geht Wirtschaft +Markt in einer neuen Serie nach. Von Matthias Salm.
Folge 1: W+M-Serie: Die Wasserstoff-Wirtschaft in Ostdeutschland: #1 Berlin
Folge 2: Die Wasserstoff-Wirtschaft in Sachsen-Anhalt
Folge 3: Die Wasserstoff-Wirtschaft in Brandenburg
Folge 4: Die Wasserstoff-Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern
Die EU unterstützt in den kommenden Jahren vier Wasserstoff-Projekte in Mecklenburg-Vorpommern im Rahmen ihrer IPCEI-Förderung. Als größtes Projekt und Dreh- und Angelpunkt des künftigen Wasserstoff-Landes Mecklenburg-Vorpommern soll der Rostocker Seehafen zum Energiedrehkreuz im Ostseeraum ausgebaut werden.
Das Projekt HYTechHafen Rostock sieht bis 2027 den Bau eines Elektrolyseurs mit einer Leistung von 100 Megawatt auf dem Gelände des Steinkohlekraftwerks Rostock vor, welches im Rostocker Überseehafen liegt. Dies ist aber nur der erste Schritt: In den folgenden Jahren soll die Kapazität der Wasserstoffproduktion auf ein Gigawatt erweitert werden. Darüber hinaus wird ein Wasserstoffspeicher errichtet, der Schwankungen der erneuerbaren Energien ausgleichen soll. Das Projekt HyTechHafen ist Teil des Umbaus des Rostocker Hafens zum Energiehafen. Für den Rostock EnergyPort haben sich die Unternehmen EnBW Neue Energien GmbH, die RheinEnergie AG, der Energiekonzern RWE und der Hafenbetreiber Rostock Port GmbH in einem Konsortium mit jeweils um die 25 Prozent Anteilen an der rostock EnergyPort cooperation GmbH (REPCO) zusammengeschlossen.
Für Reinhard Meyer, Minister für Wirtschaft, Infrastruktur, Tourismus und Arbeit des Landes, kommt die EU-Förderung als Initialzündung gerade recht: „Wir haben nun Planungssicherheit für das wichtige Thema Wasserstoff und können loslegen. Mecklenburg-Vorpommern ist prädestiniert als Wasserstoffland.“ Meyer sieht gegenwärtig beim Hochfahren der Wasserstoff-Wirtschaft Fortschritte auf allen Ebenen. „Dies betrifft zum einen die Forschung, aber auch zahlreiche Unternehmen und Projekte. Im Hafen Rostock, in Laage und Güstrow werden dabei entlang der geplanten Pipeline Elektrolyseure entstehen, die eine regionale Wertschöpfung sicherstellen“, so Meyer.
Förderung für Produktion und Transport
Mecklenburg-Vorpommern unterstützt durch eine dreißigprozentige Kofinanzierung die vier IPCEI-Projekte (Important Projects of Common European Interest) mit insgesamt 168 Millionen Euro an Landesmitteln. Der Bund schießt 391 Millionen Euro zu. Zusammen mit den Eigenanteilen der Unternehmen werden knapp 700 Millionen Euro in die Wasserstoff-Wirtschaft an der Küste investiert.
Ein zweites von der EU gefördertes Projekt: „Doing Hydrogen – ein Wasserstoff-Hub für den Osten“. Der Fernleitungsnetzbetreiber Ontras plant dafür eine Wasserstoffleitung zwischen Rostock und Güstrow. Außerdem soll eine bestehende Erdgaspipeline, die Richtung Berlin, Brandenburg und Sachsen verläuft, für den Wasserstofftransport als Teil eines europäischen Wasserstoffnetzes umgerüstet werden.
Grünen Wasserstoff aus Rostock verspricht das ebenfalls geförderte Projekt des Wasserstoffproduzenten H2Apex Energy aus Laage. Das H2HERO getaufte Vorhaben umfasst ein Investitionsvolumen von 213 Millionen Euro. Dazu soll ein Elektrolyse-System ab 2026 Wasserstoff für die „Doing Hydrogen“-Pipeline produzieren. Daneben soll die Speicherung in Blockheizkraftwerken, Brennstoffzellen und Wasserstofftankstellen erfolgen.
Schließlich sieht auch das Vorhaben „Elektrolysekorridor Ostdeutschland“ der brandenburgischen Firma ENERTRAG einen Elektrolyseurstandort in Rostock vor. In der Nähe von Güstrow ist zudem der Bau eines 55-Megawatt-Elektrolyseurs inklusive einer H2-Tankstelle vorgesehen.
H2-Netzinfrastruktur wächst
Insbesondere beim Ausbau der Netzinfrastruktur schreiten die Planungen in Mecklenburg-Vorpommern zügig voran. Das Vorhaben „flow hydrogen“ soll eine Verbindung von Lubmin in Richtung Süden schaffen, „doing hydrogen“ die Verbindung von Rostock in Richtung Süden. Auch sollen Pipelines von Rostock nach Lubmin sowie vom dänischen Bornholm nach Lubmin verlaufen. So planen die GASCADE Gastransport GmbH (GASCADE) und REPCO den Rostocker Hafen und den Industriehafen Lubmin mittels der Wasserstoff-Pipeline Rostock-Wrangelsburg und mittels der Pipeline „flow hydrogen“ von GASCADE mit dem Großraum Berlin und der Industrieregion um Halle, Leipzig und Leuna zu verbinden.
Wasserstoff soll aber nicht nur in Rostock und Lubmin die Energiewende vorantreiben. Auch die Region Rügen-Stralsund setzt auf den Energieträger. Als eine der vom Bund geförderten HyPerformer-Regionen erhält der Landkreis Vorpommern-Rügen bis zu 15 Millionen Euro in Form von Investitionszuschüssen für Wasserstoffanwendungen im Verkehrsbereich. Es ist geplant, den Nahverkehr im Landkreis mit zwölf Wasserstoff-Bussen auszustatten, die mittels einer Wasserstoff-Tankstelle in Stralsund betankt werden können. Diese soll auch für die Brennstoffzellen-Lkw lokal ansässiger Spediteure zur Verfügung stehen. Zudem soll ein im Seehafen Mukran liegendes Versorgerschiff für die Offshore-Windparks in der Ostsee mit Wasserstoff versorgt werden. Auch Neubrandenburg und der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte wollen im Rahmen eines HyStarter-Projektes Möglichkeiten zur Nutzung der Wasserstofftechnologie ermitteln. Gleiches gilt für die Hansestadt Wismar.
Mecklenburg-Vorpommern sieht seine Wasserstoff-Aktivitäten als Teil einer grenzüberschreitenden Energiepartnerschaft im Ostseeraum. So beteiligt sich das Land im „HyTruck“-Projekt am Ausbau eines Netzes von Wasserstofftankstellen für den Güterverkehr von Rostock über Berlin-Brandenburg, Poznan, Kaunas, der lettischen Region Vidzeme bis nach Helsinki. In Mecklenburg-Vorpommern soll etwa das Autobahnkreuz A19/A20 entsprechend mit einer Tankstation ausgerüstet werden. Im Raum Rostock gibt es derzeit bereits zwei Wasserstofftankstellen, eine für Pkw von der Firma H2Mobility errichtet sowie eine für den Schwerlastverkehr von der Firma H2APEX in Laage.
Die Firma H2APEX gilt als wegweisender Pionier der Wasserstoff-Wirtschaft im Land. Sie entstand durch den Zusammenschluss der ehemaligen APEX Group mit dem luxemburgischen Finanzinvestor Exceet. Seitdem ist der Entwickler und Betreiber von grünen Wasserstoffanlagen börsennotiert. Neben dem EU-geförderten H2ERO-Projekt in Rostock hat das Unternehmen auf dem Gelände des stillgelegten Kernkraftwerks Greifswald im Gemeindegebiet von Lubmin Flächen erworben, um dort bis zu 600 MW Elektrolyseleistung zu installieren. Die Fertigstellung der ersten Ausbaustufe ist für 2027 geplant. Dort soll ebenfalls zusätzlich eine Wasserstofftankstelle für den Schwerlastverkehr gebaut werden. Das Unternehmen ist auch an der Umrüstung der Stahlproduktion auf Wasserstoff bei ArcelorMittal in Bremen beteiligt.
Neben H2APEX plant auch das europaweit agierende französische Unternehmen Lhyfe bis 2029 eine 800-MW-Produktion in Lubmin.
In Poppendorf bei Rostock wollen die Yara Clean Ammonia (YARA), ein norwegisches Unternehmen der Düngemittel- und Chemieindustrie, und der Leipziger Gasversorger VNG im Bereich des klimafreundlichen Ammoniaks zusammenarbeiten. Ammoniak gilt aufgrund seiner Wasserstoffdichte als der geeignetste Träger für den Ferntransport und für die Speicherung von Wasserstoff. Die Zusammenarbeit mit YARA soll der VNG helfen, klimafreundlichen Wasserstoff beispielsweise für Kunden aus der Industrie verfügbar zu machen.
In Rostock entsteht eine Forschungsfabrik Wasserstoff
In der Forschung drückt Mecklenburg-Vorpommern ebenfalls aufs Tempo. Im Rahmen des Gesamtvorhabens Forschungsfabrik Wasserstoff MV arbeiten das Leibniz Institut für Katalyse (LIKAT) in Rostock, das Fraunhofer-Institut für Großstrukturen in der Produktionstechnik (IGP) sowie das Leibniz Institut für Plasmaforschung und Technologie (INP) in Greifswald zusammen. Am Fraunhofer-Standort Rostock entsteht mit dem Anwendungszentrum Wasserstoff gegenwärtig eine Forschungsinfrastruktur, die später auch Unternehmen zur Verfügung stehen soll. Das Anwendungszentrum Wasserstoff sucht bewußt auch räumlich die Nähe zu den Werften, weil alternative Antriebssysteme für die Schifffahrt im Mittelpunkt der Forschung stehen werden. LIKAT errichtet in Rostocks Südstadt ein PtX-Transfertechnikum und das INP in Greifswald weitet seine Forschung auf die Plasmalyse aus, die als Verfahren zur Wasserstofferzeugung weniger energieintensiv als die gängige Elektrolyse sein soll.