W+M stellt in seiner Serie Netzwerke im Osten Initiativen vor, die sich mit dem Thema Ostdeutschland beschäftigen und dabei ganz unterschiedliche Motivationen und Perspektiven haben. Heute geht es um die Frankreich-Initiative Ostdeutschland.
Vor etwas mehr als einem Jahr gründete sich die Frankreich-Initiative Ostdeutschland. Wie der Gründer Dirk Schneemann sagt, gibt es zwei wesentliche Gründe dafür. „Zum einen: Wenn man sich die deutsch-französischen Beziehungen näher ansieht, sind es eigentlich seit 1990 fast ausschließlich „west“-deutsch-französische Beziehungen – die östlichen Bundesländer spielen dabei kaum eine Rolle. Besonders auffällig ist das in der Wirtschaft. Alle bilateralen Wirtschaftsförderungen befinden sich wie „vor der Wende“ in den alten Bundesländern. Von den o.g. Wirtschaftskreisen gibt es auch keinen im Osten – mit Ausnahme des Berliner DFWK, der aus dem ehemaligen Westberliner „Club des Affaires“ hervorging. Es gibt bis auf TotalEnergies und seit 2023 mit Alstom keine Deutschlandzentrale eines französischen Unternehmens im Osten. Und dies, obwohl die DDR größter Handelspartner Frankreichs im Ostblock (nach UdSSR) und Frankreich größter Handelspartner im Westen (nach BRD) waren. Das hat über fast drei Jahrzehnte niemanden gestört und ist auch kaum aufgefallen – bis sich in den letzten Jahren mit einschneidenden Ereignissen die geostrategische Weltlage verändert hat (Brexit, Covid, Ukraine, etc.). Hinzukommt eine positive wirtschaftliche Entwicklung und günstige Standortbedingungen im Osten Deutschlands, die – auch eingedenk obiger Veränderungen – plötzlich das Interesse internationaler Investoren weckte, nur eben nicht seitens Frankreichs. Obwohl man sich im Zuge „60 Jahre Elysee Vertrag“ überall als das europäische Vorzeigepaar präsentierte, ist der Raum zwischen Usedom und Erzgebirge für Frankreich ein weißer unbekannter Fleck geblieben.
Zum anderen: Wenn man die deutsch-französischen Beziehungen allumfassend entwickeln will, ihre Potenziale auch – eingebettet in einen europäischen Demokratisierungsprozess – nutzen will im Sinne einer neuen europäischen Souveränität, dann geht das nur wenn man das gesamte wiedervereinigte Deutschland hier im Blick hat – und zwar auf allen Ebenen des wirtschaftlichen, politischen, kulturellen, wissenschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Lebens.
Und den Finger genau in diese Wunde zu legen, brauchte es offensichtlich eine solche Initiative – wobei uns das Echo darauf wohl recht gibt.
Die Partner
Zu den Partner der FIOst zählen die sogenannten Gründungsmitglieder, die am 9. November 2022 die FIOst begründet haben. Das sind neben der französischen Botschaft selbst, GTAI, OWF, DFJW und der DFWK. Mit dem Mandat dieser Pioniere wurde dann ein großes FIOst-Kick off am 08. Februar 2023 in der Thüringer Landesvertretung veranstaltet, bei dem der Französische Botschafter Delattre und Staatsminister Schneider die Schirmherrschaft übernahmen. Im Laufe der folgenden Monate gab es viele Zustimmungen aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zur FIOst, selbst bei einer MPK-Ost spielte die Initiative eine Rolle. Letztlich ist aber die Partnerstruktur in der Entwicklung.
Dank des Engagements der Schirmherren und insbesondere des französischen Botschafters Francois Delattre wurde die FIOst sehr schnell auf alle politischen Ebenen in Deutschland und Frankreich transportiert. Dass das Thema als solches zur Kenntnis genommen wurde und die Einsicht wächst, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht, ist schon ein Erfolg. Mit allen ostdeutschen Landesregierungen – insbesondere Thüringen und Sachsen – sind wir über den Ausbau der Beziehungen zu Frankreich im Gespräch. Entweder über die Vertiefung bzw. den Aufbau von Regionalpartnerschaften oder die Planung konkreter Veranstaltungsformate.
Eines der sichtbarsten Ergebnisse ist die Gründung des ersten Wirtschaftskreises im Osten, dem „Deutsch-Französischen Wirtschaftsclub Mitteldeutschland e.V.“ mit Sitz in Leipzig. Und auch auf französischer Seite haben namhafte Politiker und die Wirtschaftskreise das Thema aufgenommen.
Die nächsten Ziele sind Dirk Schneemann zufolge:
1. Spätestens Ende des Jahres wollen wir alle ostdeutschen Länder in das Netzwerk der Deutsch-Französischen Wirtschaftskreise integriert haben, d.h. wir besprechen konkrete Lösungsansätze für Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.
2. Beginnend mit einer Konferenz Ende Januar in Montpellier wollen wir in den französischen Regionen Informationsveranstaltungen durchführen, um Potenziale für französische Partner in Ostdeutschland aufzuzeigen.
3. Highlights wie den Staatsbesuch von Präsident Macron Ende Mai und das OWF Anfang Juni werden wir entsprechend nutzen, um deutsch-französische Themenfelder zu besetzen.
4. Da gegenwärtig eine deutsch-französische Energiekooperation höchste Priorität hat und akuter Handlungsbedarf besteht, planen wir eine „D-F H2-Exkursion Ostdeutschland“, Vorgespräche mit Partnern hierfür sind im Gange …
5. Um all das umzusetzen brauchen wir aber nicht nur verbale Zustimmung und „Schulterklopfen“, sondern auch materielle Unterstützung, d.h. Partner, die auch bereit und in der Lage sind, Mittel für die geplanten Aktionen bereitzustellen.