Berlins Wirtschaft wächst überdurchschnittlich. Sie profitiert von international renommierter Forschung, jungen Unternehmern und der Konzentration auf zukunftsfähige Branchen. Doch bei Gewerbeflächen und erneuerbarer Energie wird es eng in der Hauptstadt. Der W+M-Länderreport erscheint in acht Teilen.
Teil 1 – 22.11.2023: Hauptstadt der Start-ups und Innovationen
Teil 2 – 22.11.2023: Weltweit renommierter Gesundheitsstandort
Teil 3 – 27.11.2023: Digitalwirtschaft entwickelt sich dynamisch
Teil 4 – 01.12.2023: Mobilität made in Berlin
Teil 5 – 06.12.2023: Metropole für Start-ups und Innovation
Teil 6 – 08.12.2023: Optik-Schwerpunkt im Südosten
Teil 7 – 10.12.2023: In Berlin steckt Energie – Wenig Raum für Erneuerbare
Teil 8 – 14.12.2023: Hotspot für Touristen und Kongresse
Teil 1 – Hauptstadt der Start-ups und Innovationen
Diese Meldung wird Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey besonders freuen: Die Ratingagentur Score prognostiziert, dass das Bruttoinlandsprodukt der deutschen Hauptstadt im Jahr 2030 rund elf Prozent höher sein wird als am Ende des laufenden Jahres. Damit wachse Berlin schneller als jedes andere Bundesland, sagen die Ratingspezialisten vorher. Garanten des Wachstums seien demzufolge der demographische Faktor und die Arbeitsproduktivität. Während andernorts die erwerbstätige Bevölkerung spürbar schrumpft, wird die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter in Berlin bis 2030 um 3,3 Prozent ansteigen. Zudem waren die Erwerbstätigen in Berlin im vergangenen Jahr bereits um sechs Prozent produktiver als noch 2015.
Die Prognose bildet sich auch gut in den aktuellen Zahlen zu Wirtschaftswachstum und Beschäftigungsanstieg in der Hauptstadt ab. Bereits 2022 war die Berliner Wirtschaftsleistung stark angestiegen: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs preisbereinigt um 4,9 Prozent, die Berliner erzielten damit die zweithöchste Zuwachsrate im bundesweiten Vergleich.
Trotz dieses starken BIP-Anstiegs fiel das Wachstum der Exporte allerdings geringer aus. Es betrug nur 3,9 Prozent, die Ausfuhren summierten sich auf insgesamt 16,5 Milliarden Euro. Die Zurückhaltung bei den Ausfuhren waren vor allem dem russischen Überfall auf die Ukraine und dessen wirtschaftlichen Folgen geschuldet.
Im ersten Halbjahr 2023 stagnierte die Berliner Wirtschaft, schnitt damit im bundesweiten Vergleich aber noch gut ab. Das lockt weiterhin auch Unternehmen – vor allem international. So siedelten sich allein im ersten Halbjahr 2023 44 Unternehmen an der Spree an. Mehr als die Hälfte davon stammte aus dem Ausland.
Teil 2: Weltweit renommierter Gesundheitsstandort
Beim Blick auf die Habenseite der Berliner Wirtschaft sticht besonders die Gesundheitswirtschaft hervor. Boston, London, Berlin, Singapur und Kopenhagen – so rankt eine Benchmark-Studie des WifOR Institute die wichtigsten Standorte der Gesundheitswirtschaft weltweit. Berlin fördert unter der Marke „Gesundheitsstadt“ schon lange gemeinsam mit Brandenburg das Cluster Gesundheitswirtschaft rund um die Wachstumsbranchen Biotech, Medizintechnik und Pharma.
„Alleine in der Hauptstadtregion arbeiten über 400.000 Menschen im Gesundheitswesen“, erklärt Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey. Knapp 14.000 Unternehmen aller Größenordnungen sind in Berlin angesiedelt und geben mehr als 252.000 Beschäftigten Arbeit, so der Innovationsbericht 22/23 des Landes.
Der Life-Science-Bereich in Berlin umfasst die pharmazeutische und medizintechnische Industrie, die Biotechnologie und zunehmend die Digital Health Start-up-Szene, die sich u.a. mit mobilen Apps zur Selbstversorgung und Überwachung chronisch Kranker beschäftigt. Deutschlandweit fließt ohnehin das meiste Investitionskapital für junge Unternehmen im Gesundheitssektor in Berliner Start-Ups.
Profitieren können die Gründer vor allem von der Nähe zu einer einzigartigen Kliniklandschaft, Medizin-Konzernen wie der Bayer AG und der exzellenten Forschung. Die Charité ist die größte Uniklinik Europas, das Deutsche Herzzentrum der Charité zählt zu den größten seiner Art in Deutschland.
Der Biotech-Campus Berlin-Buch gilt als renommierter Wissenschafts-, Medizin- und Technologiestandort. Rund 6.500 Menschen arbeiten hier in einem der größten Biotechparks Deutschlands. Hier ist das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft ansässig, das zu den besten Life-Science-Forschungseinrichtungen weltweit gezählt wird. Auch das Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie, die einzige außeruniversitäre Einrichtung Deutschlands in der Arzneimittelforschung, arbeitet in Buch.
Zu den innovativen Schwerpunkten zählen Zell- und Gentherapien, Medizininformatik, Präzisionsdiagnostik, Anwendungen der Künstlichen Intelligenz in der Bildgebung und Additive Manufacturing und Sensorik.
Berühmte Medizin-Firmen in der Stadt
Ein Blick in die Liste prominenter Unternehmen in der Hauptstadt, die in der Gesundheitsbranche tätig sind: Der Berliner Standort der Bayer AG gilt mit rund 5.000 Mitarbeitenden als einer der größten privaten Arbeitgeber der Stadt und ist zugleich einer der wichtigsten Forschungs- und Produktionsstandorte des Leverkusener Konzerns. Von Berlin-Wedding aus werden die globalen Aktivitäten der Division Pharmaceuticals geleitet.
Die BERLIN-CHEMIE AG, eine Tochtergesellschaft des italienischen Pharma- und Diagnostikunternehmens MENARINI, bearbeitet innerhalb der Firmengruppe den deutschen, mittel- und osteuropäischen sowie zentralasiatischen Markt. Zudem ist Berlin einer der zentralen Forschungsstandorte der Gruppe. Der Hauptsitz liegt in Adlershof.
Seit 2008 befindet sich auch die Deutschlandzentrale des Pfizer-Konzerns am Potsdamer Platz, die bald ans obere Ende der Friedrichstraße verlegt werden soll. In Berlin sind unter anderem die Abteilungen Medizin, Klinische Forschung, Kommunikation und Marketing angesiedelt. Der französische Pharmakonzern Sanofi hat große Teile von Marketing und Vertrieb ebenfalls nach Berlin verlagert. Die japanische Takeda Pharma Vertrieb GmbH & Co KG hat sich bereits 2012 in der Hauptstadt niedergelassen.
Die Jenoptik AG will an einem neuen Standort im Bezirk Treptow-Köpenick optische Komponenten und Systeme speziell für die Zahnmedizin und die roboterassistierte Chirurgie entwickeln und fertigen. Dafür wurden rund rund 20 Millionen Euro investiert. Halbleiterlaserdioden für Diodenlaser, die u.a. in der Medizin zum Einsatz kommen, werden ebenfalls in der Jenoptik-Fab in Adlershof hergestellt.
Das Berliner Werk der B. Braun Melsungen AG wiederum ist das Kompetenzcenter des Unternehmens für sterile Injektionslösungen in Glas- und Kunststoffampullen. Die Berlin Heart GmbH entwickelt, produziert und vertreibt in der Hauptstadt innovative Systeme für die mechanische Herzunterstützung und die Eckert & Ziegler Gruppe gehört zu den weltweit größten Herstellern von radioaktiven Komponenten für medizinische, wissenschaftliche und messtechnische Zwecke. Die Biotronik SE & Co. KG schließlich ist führender Hersteller für kardiologische Medizintechnik.
Das dichte Geflecht von Unternehmen, Forschung und Kliniken motiviert auch innovative Gründer. Das Berliner Start-up Aignostics beispielsweise, eine Ausgründung aus der Charité, warb jüngst 14 Millionen Euro Investorenkapital ein. Das Unternehmen entwickelt eine auf künstlicher Intelligenz basierenden Lösung für die Pathologie.
Das Land Berlin bemüht sich, den Gesundheitsstandort kontinuierlich ausbauen. So soll Berlin zum globalen Zentrum für zellbasierte Medizin werden. Das Land Berlin, die Bayer AG und die Charité haben sich dazu zur Gründung eines Zentrums für translationale Forschung auf dem Gebiet der Gen- und Zelltherapie entschieden. Das Zentrum soll am Berliner Nordhafen entstehen.
Die Bruttowertschöpfung der Branche stieg in Berlin 2022 gegenüber dem Vorjahr laut Amt für Statistik Berlin-Brandenburg um 2,1 Prozent. In Berlin wurde im letzten Jahr nahezu jeder achte Euro durch die Gesundheitsbranche generiert. Die Zahl der Erwerbstätigen stieg in der Berliner Gesundheitswirtschaft zuletzt um 1,8 Prozent. In 2022 wurden zudem Waren im Wert von 2,9 Milliarden Euro von den Gesundheitsunternehmen ins Ausland exportiert. Sie bleiben mit einem Anteil von 17,5 Prozent damit das wichtigste Berliner Exportgut.