Leuchtende Branche aus Thüringen: Photonik als Schlüsseltechnologie für Zukunftsanwendungen
Internet, Energiesysteme und Mobilität, Diagnostik und Therapie – unzählige Anwendungen in Industrie und Alltag wären ohne Photonik, die Technologie des Lichtes, unmöglich. So beruhen moderne Kommunikationssysteme auf faseroptisch übertragenen Daten; Sensoren, Kameras und Displays fungieren als Schnittstellen zu unseren Sinnen und Mediziner können dank optischer Systeme präzise Diagnosen und schonende, effiziente Therapien durchführen.
Die Photonikbranche ist heute eine globale Hightechindustrie mit überdurchschnittlichen Wachstumsraten. Ein Beitrag von den Optonet-Geschäftsführerinnen Anke Siegmeier und Nora Kirsten.
Maschinenbauer, Automobilhersteller, Medizinprodukteerzeuger oder Life-Sciences-Unternehmen verlangen maßgeschneiderte optische Lösungen, die Knowhow und Qualitätsbewusstsein verlangen.
Mitteldeutschland, insbesondere Thüringen, zählt dabei zu den weltweit bekannten Regionen, die diese Spitzentechnologien liefert. Ein breit gefächertes Technologiespektrum sichert der Thüringer Photonikindustrie sowohl deutschlandweit als auch im internationalen Vergleich ein anerkanntes Alleinstellungsmerkmal.
Es lässt sich kein zweiter Standort identifizieren,
der über eine vergleichbare Dichte an Unternehmen der Segmente Optik und Mechanik, Messtechnik und Sensorik, Lasertechnik oder Optoelektronik verfügt, die alle wertschöpfungsrelevanten Bereiche der Photonik abdecken. Jena bündelt dabei als Standort die größte Anzahl von Unternehmen und international renommierten Forschungsinstitutionen.
Basierend auf einer langen Tradition der Optik, geprägt durch Carl Zeiss, Ernst Abbe und Otto Schott und zahlreicher Gründungen von Hightech-Unternehmen sowohl direkt nach der Wende als auch in den letzten Jahren, lassen sich aktuell 186 Unternehmen der Thüringer Photonikbranche zuordnen, die einen Umsatz von 3,8 Milliarden Euro erwirtschaften.
72 Prozent davon wurden im Jahr 2022 im Ausland erwirtschaftet, ein Wert, der deutlich über der Exportquote der Thüringer Industrie in Höhe von 37% liegt. Der Anteil des Auslandsgeschäftes konnte sogar im Vergleich zur Exportquote im Jahr 2021 (68 %) sogar noch gesteigert werden, was die enorme internationale Wettbewerbsfähigkeit der Branche unterstreicht.
Die wichtigsten Exportmärkte der Thüringer Optik
sind Westeuropa, Nordamerika und China. Die größten Absatzchancen und Potenziale sehen die Unternehmen derzeit vor allem in den USA.
Die Kunden der Thüringer Photonikunternehmen sind in zukunftsträchtigen Branchen zu finden, die häufig selbst durch eine hoch spezialisierte Ausrichtung gekennzeichnet sind und aufstrebende Märkte bedienen. Den größten Anteil nimmt darin das Anwendungsfeld ›Industrielle Produktion und Systeme‹ ein. Fast 80% der Unternehmen liefern Produkte oder Komponenten, die zur Produktionssteuerung und -überwachung oder Qualitätskontrolle eingesetzt werden. Dazu zählen beispielweise auch Anwendungen in der Robotik oder Industrie 4.0-Anlagen. Lasertechnologie ermöglicht innovative Materialbearbeitung oder effizienten 3D-Druck, hochsensible Messtechnik ist notwendig für Miniaturisierung und Effizienzsteigerung. Der weltweit ansteigende Bedarf an Halbleitertechnologien wird nur mit dem Ausbau von Forschung, Entwicklung und Fertigung hochmoderner optischer Technologien zu decken sein. Thüringen steht dafür mit großen Zulieferern wie ZEISS, Jenoptik, KLA aber auch hoch erfolgreichen Mittelständlern wie der Vistec Electron Beam, optiX fab oder der POG Präzisionsoptik Gera sowie Forschungsinstituten wie dem Fraunhofer IOF oder dem Fraunhofer IKTS.
Die Investitionen im Bereich ›Forschung und Entwicklung‹
erreichten zuletzt in der Thüringer Photonikbranche einen neuen Höchststand. Fast eine halbe Milliarde Euro wurde von den Unternehmen für die Entwicklung neuer Produkte und Verfahren aufgewendet, was einer F&E-Quote von etwa 13% entspricht. Diese Zahl ist umso beeindruckender, wenn man die durchschnittliche Beschäftigtenanzahl von 80 Personen bedenkt.
Auch im Bereich der Mobilität nehmen die optischen Technologien an Bedeutung zu. Licht für hochmoderne, effiziente Beleuchtung, als auch im Interieur eines Fahrzeuges sowie als Mittel der Konnektivität zwischen den Verkehrsakteuren wird zum Unterscheidungsmerkmal für den Endanwender. Fast ein Drittel der Thüringer Photonikakteure ist Partner der Automobilzulieferer und OEMs. Komponenten und Systeme für beispielsweise Head-Up-Displays, holografische Systeme oder LiDar-Technologien für die angestrebte autonome Mobilität kommen aus Thüringen. Doch auch zur Herstellung von Fahrzeugen und der Verkehrs- und Infrastrukturüberwachung trägt die mitteldeutsche Optikindustrie bei. Laserschweiß- und -schneidanlagen, Prüfsysteme für Fahrzeugelektronik oder Infotainment, hochinnovative Beschichtungen und Messtechnik für Oberflächen oder Geschwindigkeit seien beispielhaft für Technologien für den Automobilbereich genannt.
Alternde Gesellschaften, Versorgungsengpässe, Pandemien und die Zunahme von chronischen Krankheiten erfordern erhöhte Innovationsfähigkeit in den Gesundheitstechnologien. Telemedizin, Wirkstoffforschung und neuartige Diagnose- und Therapieverfahren werden am Standort Thüringen vorangetrieben. International führende Institute wie das Leibniz-Institut für Photonische Technologien arbeiten z.B. mit dem Universitätsklinikum Jena sowie zahlreichen StartUps und Mittelständlern eng an innovativen Point-of-Care-Methoden, miniaturisierten Laboren und minimalinvasiven Endoskopen für die Gehirnforschung oder sogar Organ-on-Chip-Technologien. In der von jeher engen Kooperation mit der regionalen Industrie entstehen marktfähige Produkte, die international ihresgleichen suchen. Stellvertretend für zahlreiche erfolgreiche Gründungen im Bereich der photonischen Technologien stehen z.B. das Unternehmen Spaceoptix, das hochpräzise Komponenten für Weltraumanwendungen entwickelt und produziert oder Quantum Optics Jena, welches auf dem Weg ist, Pionierunternehmen für hochsichere Quantenkommunikation zu werden.
Der Erfolg der Region beruht unter anderem auf einer langen Tradition, einer engen Kooperation zwischen Wissenschaft und regionaler Industrie und einer hohen Resilienz bei gleichzeitiger Innovationskraft.
Doch auch die optische Industrie Thüringens kämpft mit dem Mangel an Fachkräften im naturwissenschaftlichen Bereich. Die Rekrutierung von Expert:innen, Facharbeiter:innen und Techniker:innen verschiedener Spezialgebiete wird zunehmend zu einer langwierigen Herausforderung. 61 Prozent der Standortvertreter konstatieren, dass der Mangel an Fachkräften das Wachstum bremst. Kraftanstrengungen von Netzwerken zur Nachwuchsförderung sowie eine enge Zusammenarbeit mit Vertretern der Bildung können dies teilweise abmildern. Dennoch bedarf es Entscheidungen und Investitionen seitens der Landes- und Bundespolitik für verbesserte Rahmenbedingungen in der Bildung. Zuzug und Integrationsaktivitäten müssen gefördert werden, viele Standortakteure engagieren sich dafür bereits mit Einsatz und Offenheit. So schafft es beispielsweise die Abbe School of Photonics, hochmotivierte internationale Studierende nach Jena zu holen, die dann in Nachwuchsförderprogrammen Zugang zur lokalen Wissenschaft und Industrie erhalten.
Ein starkes Netzwerk vor Ort sowie überregionale und internationale Kooperationen können zur Innovations- und Zukunftsfähigkeit der Branche beitragen und dafür sorgen, dass der Standort Thüringen in den optischen Technologien Taktgeber bleibt.
Quelle/Zahlenmaterial: Photonics Report 2023, OptoNet e.V.