Mit dem EU Green Deal geht die Europäische Union weltweit in Sachen Klimaschutz voran. Keine andere Region der Welt hat so intensiv mit einer Vielzahl von Initiativen zur Reduktion von Emissionen den Kampf gegen den Klimawandel aufgenommen. Zentral dabei ist das Klimapaket „Fit for 55“, dessen wichtigste Elemente in den letzten Monaten erfolgreich beschlossen wurden. Ein Beitrag von Dr. Christian Ehler, Mitglied des Europäischen Parlaments, EVP-Koordinator und Sprecher der Fraktion im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie.
Meine Fraktion, die der Europäischen Volkspartei, war hier für viele Gesetzestexte federführend zuständig und wir haben viel getan, um sicherzustellen, dass die EU in der Lage sein wird, die neuen ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen. Die Ziele wurden angehoben, das EU-Emissionshandelssystem wird verschärft werden und die Mitgliedstaaten haben nun klare Vorgaben zur Emissionsreduktion.
Gleichzeitig müssen wir sicherstellen, dass die ehrgeizige Klimapolitik der EU mit Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit einhergeht. Neben dem „GREEN“ brauchen wir auch einen „DEAL“, der es Unternehmen in Europa ermöglicht, Arbeitsplätze auszubauen, Investitionen zu tätigen und gleichzeitig die Klimaziele einzuhalten. Der EU Green Deal darf deshalb kein riesiges Deindustrialisierungspaket werden, sondern marktbasierte Lösungen, Effizienz, technologische Entwicklung und Innovation müssen die Leitprinzipien aller EU-Rechtsvorschriften in den Bereichen Klima und Energie sein.
Ein Baustein im Konzert der Regulierungen zur Erreichung der Klimaneutralität in 2050 ist die Richtlinie über Industrieemissionen (IED), unter der Emissionsgrenzwerte für eine Vielzahl von Industriebetrieben aufgestellt werden, auf deren Basis dann Genehmigungen für die Aktivitäten auf Nationalstaatsebene erteilt werden. Von Stahlwerken und Papierfabriken über die Abfallwirtschaft bis hin zur chemischen Produktion und landwirtschaftlichen Anlagen sind sie alle betroffen.
Die EU-Kommission hat im April 2022 eine Überarbeitung dieser Richtlinie vorgestellt. Leider ist dieses Unterfangen ein weiteres Beispiel für die laufende Regulierungsmaschinerie der Kommission geworden, die die oben genannten Leitprinzipien völlig ignoriert. Stattdessen gefährdet sie die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie und das Fortbestehen von landwirtschaftlichen Betrieben. Ziel der Überarbeitung war es unter anderem, Fortschritte bei der Verwirklichung des Null-Schadstoff-Ziels der EU zu erreichen. Mit ihrem Vorschlag schießt die Kommission jedoch stark über das anvisierte Ziel hinaus. Die massive Ausweitung des Anwendungsbereichs würde 185.000 Betriebe in der EU – insbesondere aus der Agrarwirtschaft – einschließen, zusätzlich zu den bereits jetzt betroffenen 52.000 Anlagen. Neuerliche Berichtspflichten und eine überambitionierte Verschärfung von Emissionsgrenzen auf Basis nicht-marktreifer Technologien würden die Unternehmen über das notwendige Maß hinaus deutlich belasten. Das alles sind Auflagen ohne sinnvollen Beitrag zur Begrenzung von Schadstoffemissionen.
Würde der Vorschlag der Kommission so am Ende als fertiges Gesetz stehen, hätte dies massive negative Folgen – auch für das Land Brandenburg mit den oben genannten Branchen. In der Konsequenz würde das für viele Bereiche existenzbedrohende Nachrüstungsverpflichtungen bzw. Stilllegungen zur Folge haben. Hier denke ich als Brandenburgischer Abgeordneter besonders an die großen Stahlwerke in Eisenhüttenstadt, an die Energie- und Chemieunternehmen in der Lausitz und die Papierfabriken in Schwedt und Eisenhüttenstadt. Europaweit würden Unternehmen mit Sitz in der EU Teile ihrer Geschäftstätigkeit ins Ausland verlagern und Arbeitsplätze mitnehmen. Landwirtschaftliche Betriebe müssten Auflagen für Emissionen einhalten, die eigentlich für Industriebetriebe gelten. Gerade die Viehhaltung würde unattraktiver werden, Importe aus nicht-EU Ländern mit deutlich schwächeren Umweltstandards würden steigen.
Anstatt sich mit dieser realen Bedrohung für das Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu befassen, verschlimmern die Kommission und die politischen Kräfte der Grün-Linken im Parlament die Lage weiter. Die europäische Industrie ist an ihre Belastungsgrenze gelangt. Nach den immer noch nicht überwundenen Folgen der Corona-Pandemie, der europäischen Energiekrise und der höchsten Inflation seit dem 2. Weltkrieg wäre dies das nächste schwere Joch für den Industriestandort Deutschland.
Auch deshalb hat sich die EVP-Fraktion sowohl im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie, in dem ich als Koordinator zuständig bin, als auch im für die IED federführenden Umweltausschuss für eine realistischere und machbarere Herangehensweise ausgesprochen und dort die Berichterstatterfunktionen übernommen. Die Verhandlungen waren geprägt von intensiven Debatten, an deren Ende wir als EVP-Fraktion den IED-Vorschlag der Kommission deutlich verbessern und damit überbordende, nicht erfüllbare Auflagen für Industrie und Landwirtschaft verhindern konnten. Dabei galt für uns als EVP-Fraktion und für die CDU/CSU insbesondere: Emissionsziele können nur mit den betroffenen Unternehmen und der Landwirtschaft gemeinsam erreicht werden, nicht gegen sie.
Ganz besonders wichtig war uns dabei der Kampf um den industriellen Kern Europas. Für Tausende von Arbeitsplätzen in der energieintensiven Industrie haben wir einen Änderungsantrag durchgebracht, der Anlagen, die in einer tiefen Wirtschaftstransformation stecken, von diesen neuerlichen Auflagen befreit. Das ermöglicht milliardenschwere Investitionen in den Klimaschutz und erstickt sie nicht sofort im Keim. Die ehemals gewerkschaftsnahen Abgeordneten der SPD, die sich früher vehement für den Erhalt von Arbeitsplätzen in Deutschland eingesetzt haben, stimmten hier allesamt dagegen – von den Grünen und Linken war das anders nicht zu erwarten.
Außerdem bin ich persönlich sehr froh, dass zwei von mir erarbeitete Änderungsanträge im Plenum angenommen wurden: So haben wir erreicht, dass neue Umweltauflagen nicht zu einem weiteren Eingriff in die unternehmerische Freiheit werden. Wir konnten sicherstellen, dass neue Vorgaben, zum Beispiel zum Einsatz von Wasser, Energie und Materialeinsatz, nicht verbindlich gelten sollen und wir somit die Produktfreiheit der Unternehmen wahren. Dazu hat das Parlament meinen Änderungsantrag zu „neuartigen Technologien“ bestätigt, der unseren Unternehmen Freiraum für Forschung und Innovation lässt, diesen aber gleichzeitig nicht noch härtere Auflagen aufzwingt. Erfolgreich waren wir auch in Bezug auf die Landwirtschaft. Das Parlament spricht sich nun dafür aus, die Viehhaltung, und hier insbesondere die Rinderzucht, aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie zu entfernen – so, wie es auch vor der Überarbeitung war.
Die so gerettete Positionierung des Parlaments zur Industrieemissionsrichtlinie kann nun als Startpunkt für die anstehenden Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten gelten. Es liegt in unserem europäischen Interesse, dass die Industrieemissionsrichtlinie nicht so weitreichend wird, wie es die Europäische Kommission und die linken Kräfte im Europäischen Parlament gerne hätten. Es ist möglich, reduzierte Emissionen mit der Schaffung von Arbeitsplätzen und Wirtschaftswachstum zu verbinden, aber dann müssen wir die Überarbeitung richtig machen.