Donnerstag, Mai 9, 2024

W+M-Ratgeber: Inverse Zinsstrukturkurve, Konjunktur, Zinsen und die Fahnenstange

In normalen Zeiten sind langfristige Zinsen höher als kurzfristige (normale Zinsstrukturkurve), denn je länger ein Geldgeber sein Geld ausleiht und damit nicht anders anlegen kann, desto höher ist die dafür verlangte und bezahlte Prämie. In einer Übergangszeit von der Normalität zu einer inversen Zinsstrukturkurve ist die Zinsstrukturkurve flach, kurze und lange Laufzeiten bieten dann etwa dieselbe Verzinsung. Sind die langen Zinsen niedriger als die kurzen, spricht man von einer inversen oder negativen Zinsstrukturkurve. In der Praxis ist das aus einer grafischen Darstellung, die ein Verhältnis zwischen Zinssatz und Laufzeit einer Anleihe oder eines Kredites herstellt, ablesbar. Ein Beitrag von Prof. Dr. Florian Stapper.

Hintergrund negativer Zinsstrukturkurven sind Kapitalanleger, die eine konjunkturelle Schwäche bis hin zur Rezession befürchten und daher kurzlaufende Zinspapiere gegen länger laufende tauschen, so die Kurse von Langläufern erhöhen und damit den Zins „am langen Ende“ vermindern. Denn bei einer nachgebenden Wirtschaft vermindern die Notenbanken das Zinsniveau, um die Wirtschaft zu beleben. Deuten Signale auf eine solche Verminderung der wirtschaftlichen Leistung in der Zukunft hin, schichten Kapitalanleger frühzeitig in die noch höheren Zinsen im langen Bereich um, bevor die Wirtschaft schwächelt und der Zins sinkt. Auslöser negativer Zinsstrukturkurven können auch die Notenbanken sein, die den Zins erhöhen, denn Notenbanken machen stets nur den kurzen Zins, den langen macht der Markt. Eine inverse Zinsstrukturkurve gibt es selten. Sie zeigt zuverlässig eine heraufziehende wirtschaftliche Schwäche bis zur Rezession mit Tendenz zu fallenden Zinsen an.

Die Zinsstrukturkurve war nach dem 2. Weltkrieg mehrfach negativ/invers.

Folge war mit Ausnahme des Jahres 1998 immer eine Rezession mit einem Zeitversatz von etwa ein bis zwei Jahren. Es hat schon Rezessionen ohne vorherige negative Zinsstrukturkurve, aber fast nie eine Rezession ohne vorhergehende negative Zinsstrukturkurve gegeben. Die Prognosepräzision der Zinsstrukturkurve ist damit hoch.

Banken verdienen gut, wenn die Zinsstrukturkurve normal, die Zinsen also „am langen Ende“ höher als die kurzen Zinsen sind, denn sie zahlen wenig bis nichts für kurzfristige Einlagen und verleihen das Geld langfristig deutlich teurer weiter. Ist es andersherum/invers, vergeben Banken tendenziell weniger Kredite, weil sie das eingenommene kurze Geld kaum teurer weiterreichen können. Das trifft die Wirtschaft an einem zentralen Lebensnerv, der Verfügbarkeit von Kapital, und befeuert die Krise.

Aktuell ist die Zinsstrukturkurve in den USA noch bis Herbst 2023 positiv und danach für 10 Jahre negativ. Die Europäer folgen dem mit einer zeitlichen Verzögerung von 6 Monaten und sind 3 Jahre früher wieder positiv. Ab 2043 sind die USA und Europa dann wieder negativ. Die Zinsstrukturkurve zeigt daher für die USA ab Ende 2024 eine schrumpfende Wirtschaft und dasselbe für die Europäer 6 Monate später an.

Die Inflation vermindert sich gegenwärtig,

wird nach sachverständiger Prognose 2023 noch zu hoch bleiben und 2024 zwischen 2 und gut 3% liegen. Gleichzeitig dürften die Notenbanken das Ziel einer Inflation von 2 auf 3,5-4% erhöhen, um so zügig in den Normalzustand zurückzukehren und der Wirtschaft mit niedrigen Zinsen wieder Finanzierungen bieten zu können, die Investitionen erleichtern.

Die Zentralbanken, die relativ spät damit begonnen hatten, die heraufziehende Inflation durch Zinserhöhungen zu bekämpfen, dürften daher damit beginnen, das Tempo der Zinserhöhung zu drosseln und über wieder sinkende Zinsen nachzudenken, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, zunächst verspätet mit der Bekämpfung der Inflation begonnen zu haben und danach die Zinsen verspätet wieder vermindert und so die Konjunktur durch unnötig hohe Zinsen geschwächt zu haben. Sind erste Anzeichen einer Tendenz sinkender Zinsen erkennbar, dürften sich die Aussichten für die Konjunktur wieder bessern und die Zinsstrukturkurve wieder in den Normalzustand zurückfinden.

Banken und Versicherungen haben durch die gestiegenen Zinsen enorme Buchverluste bei den Bondbeständen in den Büchern. Bonds werden immer zu 100 % zurückbezahlt. Eingekauft sind sie für schätzungsweise 125/130 %. Beginnen die Zinsen wieder zu fallen, reduzieren sich diese Buchverluste. Die Notenbanken werden das bei der Entscheidung über die Höhe der Zinsen berücksichtigen.

Es spricht daher einiges für mittelfristig wieder sinkende Zinsen. Wird das Zinsniveau vor der Corona-Krise und vor dem Ukrainekrieg wieder erreicht, haben die inflationsbedingten Zinserhöhungen nur kurze Zeit bestanden. An der Börse nennt man das dann eine Fahnenstange.

Der Autor: Prof. Dr. Florian Stapper

Der Autor: Prof. Dr. Florian Stapper, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Steuerrecht

Die Erstveröffentlichung des Beitrages erfolgte im EXIS|TENZ MAGAZIN.

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