Samstag, April 27, 2024

W+M-Report: Generationswechsel auf dem Chefsessel #1

Im ostdeutschen Mittelstand wächst die Zahl der Unternehmen, die eine Nachfolge suchen. Gerade die Generation der Gründer und Gründerinnen aus der Wendezeit nähert sich ihrem wohlverdienten Ruhestand. Doch die wirtschaftlich unruhigen Zeiten und fehlender unternehmerischer Nachwuchs erschweren den Übergabeprozess. Der Beitrag von Matthias Salm erscheint in drei Teilen bzw. im Printmagazin.

Teil 1 – 30.05.2023:
Generationswechsel im Chefsessel
Teil 2 – 06.06.2023:
Generationswechsel im Chefsessel – Die Lage in Ostdeutschland
Teil 3 – 13.06.2023:
Generationswechsel im Chefsessel – Ausgewählte Informationsangebote der Kammern

Bis zum Ende des Jahres 2023 planen deutschlandweit rund 190.000 Inhaberinnen und Inhaber, ihr Unternehmen in die Hände der nächsten Generation zu legen. Dies belegt das Nachfolge-Monitoring Mittelstand 2022, das die KfW Bankengruppe im März dieses Jahres veröffentlichte. Die absoluten Zahlen entsprechen fünf Prozent aller kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Deutschland bis Ende 2023.

Die gute Nachricht der KfW-Forscher: Rund zwei Drittel dieser kurzfristigen Nachfolgen sind bereits erfolgreich geregelt – die Unternehmen bleiben dem Markt erhalten. Die schlechte Nachricht: Rund 46.000 der aus dem Berufsleben ausscheidenden Unternehmer und Unternehmerinnen müssen ein Scheitern ihrer Nachfolgebemühungen einplanen. „Ungewollte Unternehmensstilllegungen dürften spürbar häufiger werden“, prognostiziert die KfW.

Eine weitere Hiobsbotschaft: Insgesamt planen rund 266.000 Mittelständler bis Ende des Jahres 2025 ohne eine Nachfolgeregelung aus dem Markt auszuscheiden. Sicher, die Unternehmen, die vor dem Aus stehen, agieren selten als wirtschaftliche Schwergewichte am Markt. Sie erzielen in der Regel einen geringeren Jahresumsatz und -gewinn als jene Mittelständler, die sich aktiv um eine Nachfolge bemühen. In einer früheren Untersuchung der KfW zählen 97 Prozent dieser Unternehmen zu den Kleinstbetrieben mit weniger als fünf Beschäftigten.

Gesamtwirtschaftlich relevant wird es deshalb erst, wenn sich auch Geschäftsaufgaben von erfolgreichen Unternehmen häufen, weil so Betriebe trotz wirtschaftlicher Attraktivität aus dem Wirtschaftskreislauf ausscheiden. Eine Befürchtung, die angesichts des bevorstehenden Ruhestands der Baby-Boomer-Generation nicht unbegründet ist.

Denn die Anzahl der Unternehmen mit älteren Inhabenden steigt laut KfW kontinuierlich. Gegenwärtig sind bereits 31 Prozent der Unternehmerschaft in Deutschland 60 Jahre oder älter – das sind etwa 1,2 Millionen und damit rund drei Mal mehr als noch vor 20 Jahren. Nur noch jeder zehnte Inhabende ist jünger als 40 Jahre.

Und es fehlt der Nachwuchs: Dabei gesellt sich zu den geringeren Geburtenzahlen auch ein sinkendes Gründungsinteresse. Und wer gründen will, probiert es heute eher mit eigenen Produkten und Geschäftsideen als mit einer Nachfolge. Der Anteil der Neugründungen an der  Gesamtzahl der Unternehmensgründungen erreichte laut KfW 2021 einen Rekordwert und  verharrte 2022 mit 86 Prozent nahezu auf seinem Rekordniveau des Vorjahrs. Die übrigen 14 Prozent entfielen auf Unternehmensübernahmen und -beteiligungen.

So stellt der Mangel an Interessenten das größte Problem bei der Nachfolgesuche dar: In der KfW-Erhebung wird dieser Engpass mehr als doppelt so oft als Hemmschuh genannt als die zweithöchste Hürde, das Ringen um den Kaufpreis (34 Prozent der Befragten). Ebenfalls wenig förderlich für den Nachfolgeprozess sind der bürokratische Aufwand des Übergabevorhabens (28 Prozent), rechtliche und steuerrechtliche Fragen (24 Prozent) sowie die Finanzierung seitens des Nachfolgers (14 Prozent).

Familiennachfolge erwünscht

Generell ist der Wunsch, die Nachfolge innerhalb der Familie zu regeln, weiterhin sehr ausgeprägt – 53 Prozent aller Mittelständler favorisieren diese Variante. Es folgt der Verkauf an Externe (45 Prozent). Eine Übernahme durch Beschäftigte des Unternehmens streben deutlich weniger Chefs an (26 Prozent). Eine Nachfolgeregelung über Miteigentümer des Unternehmens ziehen nur noch 15 Prozent der Altinhaberinnen und Altinhaber in Betracht.

Umgekehrt bedeutet dies: Das fehlende Interesse der Familienangehörigen gibt häufig den Ausschlag für eine geplante Geschäftsaufgabe. Zuletzt hat sich gezeigt, dass angesichts globaler Krisen die familieninterne Nachfolgeregelung wieder an Bedeutung gewonnen hat. Positiv: Familienintern lässt sich eher eine geeignete Person und ein akzeptabler Kaufpreis finden. Negativ: Höhere rechtliche und bürokratische Hürden erschweren die Familiennachfolge.

Der Report Unternehmensnachfolge des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) 2022 belegt zudem, dass die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krisen der letzten Jahre die Nachfolgesuche belastet haben. Oft wurde die Nachfolgeregelung deshalb zeitlich verschoben. Zudem hat etwa die Corona-Pandemie die klassischen Gründer- und Nachfolgebranchen besonders hart getroffen. Dazu zählen beispielsweise Handel, Gastronomie und viele Dienstleistungsbereiche.

Auch der DIHK beklagt das demographische Problem in Deutschland. Tendenziell stehen immer weniger Personen in den gründungsstarken Altersjahrgängen zwischen 18 und 40 Jahren einer zunehmenden Zahl von Unternehmerinnen und Unternehmern gegenüber, die dem Ruhestand entgegenstreben.

Eine Auswertung der Nachfolgeberatungen bei den IHK benennt wesentliche Problemlagen bei der Unternehmensnachfolge: Eine zu starke emotionale Bindung des Eigentümers, zu hohe Verkaufspreise und Schwierigkeiten bei der Finanzierung, eine mangelhafte und zu späte Vorbereitung auf die Nachfolge und fehlende Qualifikationen des Nachfolgers.

Kein Interesse im Handel

Das demographische Nadelöhr in der Nachfolgesuche drückt sich in den einzelnen Branchen unterschiedlich aus. Im Handel zählten die IHK in Deutschland 4,5mal mehr Unternehmen in der IHK-Beratung als potenzielle Nachfolgerinnen und Nachfolger. Kein Wunder: In vielen Handelsunternehmen wächst der Modernisierungs- und Digitalisierungsbedarf. Viele Geschäftsmodelle im Handel sind mittlerweile überholt. Als ähnlich ungünstig erweist sich das Verhältnis von Übergabewilligen und Suchenden in der Logistikbranche, hervorgerufen durch gestiegene Energiepreise und Lieferkettenausfälle.

Anders sieht es bei Industrieunternehmen aus. Hier fallen die Renditen oft attraktiv aus. Die Relation liegt bei Industrieunternehmen mithin bei 1,5 abzugebenden Unternehmen pro Nachfolgeinteressierten. Allerdings liegt die Messlatte für die Qualifikation der Nachfolger hier besonders hoch und diese müssen auch höhere Kaufpreise stemmen.

Die IHK in Deutschland fordern angesichts dieser Zahlen ein Gegensteuern der Politik – konkret einen Abbau von Bürokratie und keine weiteren regulatorischen Belastungen für Unternehmen. Daneben bedarf es besserer Finanzierungsmöglichkeiten insbesondere bei der Eigenkapitalfinanzierung. Auch für Unternehmensnachfolgen, so eine Forderung aus dem DIHK-Report, sollte Beteiligungskapital attraktiver werden, u.a. durch Vereinfachungen im Steuerrecht.

Wird fortgesetzt.

 

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