Dienstag, Dezember 24, 2024

Zukunft 2.0 für ein Lebenswerk

Für viele Unternehmer und Unternehmerinnen in Ostdeutschland ist die Planung der eigenen Nachfolge die größte Herausforderung. Ein Beitrag von Harald Eisenach.

Die eigene Nachfolge zu regeln ist ein sensibles Thema, das immer mehr erfolgreiche Unternehmer und Unternehmerinnen in Deutschland betrifft. Allein in den ostdeutschen Ländern, wo auf die Gründungswelle der 1990er-Jahre nun die Nachfolgewelle folgt, bedürfen im Zeitraum 2022 bis 2026 mehr als 31.500 Unternehmen einer Nachfolgelösung (Quelle: Institut für Mittelstandsforschung) und Angaben der KfW zufolge ist bereits jeder dritte Unternehmer 60 Jahre oder älter.

Vorweg die gute Nachricht: In den meisten Fällen werden für ein attraktives Unternehmen über kurz oder lang auch geeignete Interessenten gefunden. Das weiß der Autor dieses Beitrags aus vielen Gesprächen mit Unternehmern, die er gemeinsam mit seinen Mitarbeitenden während der letzten Jahrzehnte in den ostdeutschen Ländern begleitet hat. Erfolgskritisch ist aber der Faktor Zeit: Natürlich gibt es im operativen Geschäft des Unternehmers oder der Unternehmerin immer wieder Gründe, das Nachfolge-Thema auf die lange Bank zu schieben. Der sich daraus aufbauende Zeitdruck ist jedoch gefährlich und kann am Ende den gesamten Prozess behindern. Wann also mit der Planung beginnen? Idealerweise sollte der Chef bzw. die Chefin spätestens mit 50 oder 55 Jahren zugunsten einer „Zukunft 2.0“ für das eigene Lebenswerk starten. Die Vorlaufzeit beträgt mindestens drei bis sieben Jahre, bei familieninternen Lösungen meist noch länger. Die Kammern, die Banken sowie spezialisierte Berater und Beraterinnen sind für die mittelständische Wirtschaft in Ostdeutschland die wichtigsten Ansprechpartner beim Thema Nachfolge. Es kommt – natürlich auch im Schulterschluss mit der Politik – darauf an, Wirtschaftskraft, Arbeitsplätze, Fachwissen und letztlich auch die Innovationsfähigkeit der ostdeutschen Wirtschaft langfristig zu erhalten.

„Familienlösung“: (Nur) eine unter mehreren Optionen

Foto: AdobeStock Nachfolge

In den Augen Vieler gilt die Nachfolge aus der eigenen Familie traditionell als Idealfall. Doch wollen etwa Sohn oder Tochter überhaupt in die elterlichen Fußstapfen treten? Ist eine persönliche Eignung gegeben und welche Weichen für eine entsprechende Ausbildung sind dann zu stellen? Falls keine geeigneten Nachfolger aus der Familie vorhanden sind, gibt es eine Reihe familienexterner Lösungen, die dann alternativ ins Auge gefasst werden sollten: Etwa der Verkauf an ein anderes Unternehmen, an ein Mitglied der eigenen Belegschaft (Management-Buy-out, kurz: MBO) oder einen externen Manager (Management-Buy-in, kurz: MBI), mitunter auch unter Beteiligung eines Finanzinvestors.

Herkulesaufgabe Nachfolgeplanung: Experten an Bord holen

Team Meeting. Foto: AdobeStock

Damit das Unternehmen übergabe- oder verkaufsfähig ist, müssen oft etliche Hausaufgaben erledigt werden. So kann zum Beispiel aus steuerlichen Gründen eine neue Rechtsform notwendig werden. Manche Unternehmen müssen erst einmal „besenrein“ gemacht werden: nicht betriebsnotwendiges Vermögen ausgliedern, starke zweite Führungsebene aufbauen, Pensionsverpflichtungen angemessen bewerten, Geschäftsmodell justieren und offene Flanken beim Thema Nachhaltigkeit beseitigen. Diese Vorbereitungsarbeit ist oft eine wahre Herkulesaufgabe. Die rechtlichen und steuerlichen Themen sind so kompliziert, dass in der Regel nur Spezialisten den richtigen Rat geben können. Folgerichtig sind ab einer gewissen Phase der Steuerberater, der Wirtschaftsprüfer und die Unternehmens-Anwälte an Bord.

Noch wichtiger ist die Rolle des M&A-Beraters, wenn eine Entscheidung für den Verkauf des Unternehmens gefallen ist. Der Firmenkunden-Betreuer der Bank wird, auf der Grundlage eines über meist viele Jahre gewachsenen Vertrauensverhältnisses zum Unternehmer, einen solchen M&A-Experten empfehlen können. Dieser orchestriert den Verkaufsprozess, angefangen von der Einschätzung der Verkaufsfähigkeit und des Unternehmenswertes bis hin zum Zugang zu einem weitgesteckten Bieter-Universum. Insbesondere führt der M&A-Berater die Verhandlungen mit potenziellen Käufern auf einer sachlichen Ebene. Eben das fällt manchen Unternehmern schwer; etwa dann, wenn Interessenten etwa versuchen, die Schwachstellen in den Vordergrund zu stellen, um den Kaufpreis zu drücken. Die Expertise des M&A-Beraters geht somit über Finanzierungsfragen im engeren Sinn weit hinaus: Neben Prozess-Know-how und Marktkenntnis ist vor allem auch sein psychologisches Geschick gefragt.

Häufig Knackpunkte: Due Diligence und Kaufpreis

Foto: AdobeStock

Sehr frühzeitig sollte eine kritische Bestandsaufnahme erfolgen. Das bedeutet vor allem Transparenz: Ist die Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells gewährleistet? Wo sind die Werttreiber, wo die Wertvernichter? Wie steht es um das Thema ESG? Je stärker ein Thema von disruptiven Veränderungen im Markt betroffen ist, desto schwerer ist die Entwicklung vorherzusagen. Umso größer wird der Bedarf, den Interessenten ein klares Bild zu vermitteln, welche Schritte das Unternehmen in eine weiterhin erfolgreiche Zukunft führen. Professionelle M&A-Berater bringen den nötigen „Röntgenblick“ für die Due Diligence mit – sie ist eine für eine angemessene Kaufpreis-Findung entscheidend wichtige Phase.

Stichwort Kaufpreis: er ist in vielen Verhandlungen ein Knackpunkt. Natürlich will jeder Unternehmer einen guten Preis für sein Lebenswerk erzielen. Allerdings ist der Preis für die meisten Inhaber nicht das allein ausschlaggebende Kriterium. So ist es manchen Unternehmern wichtig, dass das Unternehmen noch eine Weile ihren Namen trägt. Andere wollen die Struktur des Unternehmens erhalten sehen oder möglicherweise noch für eine gewisse Zeit im Unternehmen weiterarbeiten oder an ihm beteiligt bleiben. Vor diesem Hintergrund sind neben einem fairen Preis auch der Käufer, seine Zusagen und die Struktur der Transaktion wichtig.

Die Finanzierung: Solide Strukturierung braucht Zeit

Nur wenige Verkäufe im Mittelstand werden ohne Schulden finanziert. Wie die Finanzierungen gestaltet sind und welche Instrumente in Betracht kommen, hängt naturgemäß immer vom konkreten Fall ab. Eine Gemeinsamkeit praktisch aller Nachfolge-Finanzierungen: Die in der Regel komplexe Struktur einer Transaktion benötigt Transparenz und Zeit. Mögliche Finanziers sollten deshalb früh einbezogen werden. Das gilt auch für die Förderinstitute der Länder und des Bundes, die etwa bei geplanten MBO-Vorhaben eine wichtige Rolle übernehmen können. Liquidität ist zwar grundsätzlich reichlich vorhanden, aber jeder Finanzier benötigt klare Informationen zur Finanzierungsstruktur: Wie sieht die Organisation vorher und nachher aus? Wer ist der Kreditnehmer? Welche Ebene wird finanziert? Wer haftet mit? Von wo nach wo fließen die Cashflows? Wie hoch ist der finale Finanzbedarf einschließlich Working Capital und Investitionen? In bestimmten Fällen muss die gesamte Finanzierungsstruktur des Käufers neu geordnet werden.

Mitunter erwarten Käufer ein über den Zeitpunkt der Übergabe hinausgehendes finanzielles Engagement des Unternehmers, wie zum Beispiel ein Verkäuferdarlehen. Insbesondere bei MBO- und MBI-Deals ist das häufig der Fall. Der Gedanke liegt vielen Verkäufern zunächst fern. Allerdings kann ein solches Darlehen bei richtiger Strukturierung sogar finanziell attraktiv sein und möglicherweise genau die hilfreiche Brücke sein, um auseinandergehende Kaufpreis-Vorstellungen zu überwinden.

Ein letzter Aspekt, der hier nur angerissen werden kann, ist die Vermögensplanung des abgebenden Unternehmers: Es gilt, den etwa aus einem Verkauf zu erwartende hohe Zufluss an Liquidität in die vom Verkäufer gewünschten Bahnen zu lenken. Je nach persönlicher Präferenz und familiärer Situation kommen dafür verschiedene Anlageklassen in Betracht. Im Sinne eines Wealth Management lässt sich eine Struktur entwickeln, die den Vorstellungen des Unternehmers und seiner Familie optimal entspricht. In manchen Fällen ist auch ein Family Office oder eine Stiftung eine passende Lösung.

Zwei Beispiele für eine gelungene Nachfolge

Gelungene Nachfolge I: Der Verkauf

Die Waco Gerätetechnik GmbH in Dresden entstand 1992 aus dem Geschäftsbereich Mechanische Vorfertigung des VEB Robotron Messelektronik Dresden. Volker Wahl und Uwe Paulick formten daraus ein erfolgreiches Unternehmen. Es ging um eine Nachfolgelösung für ein Unternehmen mit 100 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 16 Millionen Euro. Da weder eigene Kinder noch Mitarbeiter das unternehmerische Lebenswerk fortführen wollten, entschieden sich die Unternehmer für den Verkauf. Auf Empfehlung der Deutschen Bank wurde eine externe Beratungsgesellschaft beauftragt, die den Verkaufsprozess steuerte und zum erfolgreichen Abschluss brachte. Im Zuge der Käufersuche machte die Wickeder Group das beste Angebot – Volker Wahl zufolge „sowohl finanziell als auch von der industriellen Logik“. Beide Gesellschafter wollten sicherstellen, dass Waco eine Zukunft hat und alle Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz behalten.

Gelungene Nachfolge II: Das Management Buy-out

Die Brandenburgische Kondensatoren GmbH in Prenzlau wurde 2021 im Rahmen einer Nachfolgelösung zum Kauf angeboten. Das Unternehmen ist ein Manufakturbetrieb, der mit Exzellenz-Universitäten wie Dresden und Karlsruhe in der Grundlagenforschung zusammenarbeitet. Der Erwerber Dr. Paul Fürstmann lernte bei einem großen Automobilhersteller und promovierte im Bereich der Produktionstechnik. Das Gesamtvolumen des MBO belief sich inklusive Kaufpreis auf 475.000 Euro. Die Beteiligung der Bürgschaftsbank Brandenburg trug zur zügigen Abwicklung des gesamten Transfers wesentlich bei. Die unter neuer Führung stehende Firma war vom Start weg profitabel. Der neue Eigentümer investiert aktuell in nachhaltige Fertigungsprozesse und -systeme und die fortschreitende Digitalisierung des Geschäftsmodells. Nach der Einstellung weiterer Mitarbeiter im laufenden Jahr sind 15 Fachkräfte für das Unternehmen tätig.

Der Autor: Harald Eisenach,

Harald Eisenach ist Sprecher der Geschäftsleitung Region Ost der Deutschen Bank

 

 

 

 

 

 

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