Sonntag, November 24, 2024

GTAI-Wirtschaftsausblick: Unternehmen in Polen rüsten sich für ein schwieriges Jahr (Stand: März 2023)

Germany Trade and Invest (GTAI) erarbeitet regelmäßig Wirtschaftsausblicke für wichtige Märkte. In Kooperation mit GTAI veröffentlicht W+M künftig auf der Grundlage dieser Wirtschaftsausblicke Auszüge daraus. Hier der Beitrag zu Polen von Christopher Fuß aus Warschau.

Mehr als ein Mini-Wirtschaftswachstum ist für Polen 2023 vermutlich nicht drin. Unternehmen kürzen Investitionen. Für deutsche Exporteure gibt es aber einige Lichtblicke.

Polens Wirtschaft hat an Schwung verloren. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs im 4. Quartal 2022 kalender- und preisbereinigt um gerade einmal 0,3 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Eine Besserung ist Anfang 2023 nicht in Sicht. Der Produktionsausstoß in Polens Industrie stagniert.

Immerhin: die Stimmung in den Unternehmen hat sich laut Statistikbehörde GUS (Główny Urząd Statystyczny) leicht verbessert. Auch der Einkaufsmanagerindex PMI befindet sich im Aufwärtstrend und stieg im Februar 2023 auf 48,5 Punkte. Polen konnte damit im Vergleich zum Vormonat einen Punkt gutmachen. Die Lage in der Wirtschaft bleibt dennoch angespannt. Erst ein PMI-Wert von über 50 Punkten bedeutet, dass sich die Auftragsbücher der Unternehmen füllen.

Wirtschaftsentwicklung: Es reicht 2023 für ein Miniwachstum

Die Befürchtungen verschiedener Ökonomen scheinen sich zu bewahrheiten. Experten hatten prognostiziert, der Jahresauftakt 2023 werde besonders schwer. Die Europäische Kommission rechnet für das 1. Quartal 2023 mit einem Rückgang von Polens Wirtschaftsleistung. Für das gesamte Jahr ist aber immerhin ein Miniwachstum von 0,4 Prozent möglich. Auch die Zentralbank NBP (Narodowy Bank Polski) geht inzwischen nicht mehr davon aus, dass Polens Wirtschaft 2023 ins Minus rutscht.

Metallhersteller und die Fahrzeugindustrie rechnen mit steigenden Bestellungen. Hersteller von Automobilteilen erhalten Aufträge aus Deutschland und Frankreich. Elektronikproduzenten klagen seltener über fehlende Bauteile. Die für Polen wichtige Möbelindustrie schaut hingegen pessimistisch in die Zukunft. Die Produktion der Branche ist seit Monaten rückläufig. Unternehmen erwarten keine Besserung.

Die Arbeitslosenquote nimmt 2023 voraussichtlich nur leicht zu. Anders die Konsumentenpreise: Sie steigen 2023 im Jahresdurchschnitt laut Europäischer Kommission um knapp 12 Prozent. Bereits 2022 gab es zweistellige Zuwachsraten.

Investitionen: Immer noch keine neuen EU-Gelder

Polens Zentralbank hat im Kampf gegen die Inflation den Leitzins angehoben. Anfang Oktober 2021 betrug er 0,1 Prozent. Mittlerweile liegt der Wert bei 6,75 Prozent. Damit fällt es Betrieben schwerer, Investitionen zu finanzieren. Die Kapitalkosten sind neben der durch Russlands Angriff auf die Ukraine ausgelösten Unsicherheit mit dafür verantwortlich, dass fast alle Branchen ihre Investitionen 2023 reduzieren wollen.

Positive Ausnahmen sind die Petrochemie, die Pharmaindustrie und Hersteller von elektrischen Geräten. Außerdem zeigen energieintensive Industrieunternehmen ein wachsendes Interesse an eigenen Kraftwerken. Davon könnte die Windkraft profitieren. Polen hat Anfang 2023 die Abstandsregelungen für Windräder gelockert.

Brüssel: Sitz der Europäischen Kommission in Brüssel. Foto: AdobeStock

Die Europäische Kommission glaubt hingegen, dass wichtige Investitionsimpulse von ausländischen Unternehmen und von staatlichen Trägern ausgehen werden. Tatsächlich hat die öffentliche Hand Großprojekte angekündigt. Polen will Gesundheitsdienstleistungen ausbauen, Energieversorgung und Stromnetz modernisieren, einen Großflughafen errichten, neue Schienen verlegen und Autobahnen weiter ausbauen. Das Problem: Die meisten Vorhaben sind auf EU-Unterstützung angewiesen. Aktuell fließen aber weder aus dem Wiederaufbaufonds noch aus den kohäsionspolitischen Töpfen neue Mittel nach Polen. Die Europäische Kommission will die Gelder freigeben, wenn das Land sein Justizwesen reformiert. Das Parlament hatte ein entsprechendes Gesetz auf den Weg gebracht. Staatspräsident Andrzej Duda leitete die Novelle zur Überprüfung an das Verfassungsgericht weiter. Ein Urteil steht aus. Ohne Reform verzögert sich die Auszahlung weiter.

Konsum: Rückgang trotz Strompreisbremse

Eine Strompreisbremse entlastet Privathaushalte. Sie kann den Rückgang privater Konsumausgaben aber nicht aufhalten. Allein zwischen Januar und Februar 2023 sanken die Umsätze in Polens Einzelhandel um 1,9 Prozent. Das hängt auch damit zusammen, dass viele ukrainische Geflüchtete das Land wieder verlassen haben.

Der private Verbrauch wird 2023 voraussichtlich weiter zurückgehen. Ein Grund: Die Reallöhne sinken aufgrund der hohen Inflation. Außerdem sind die meisten Immobilienkredite in Polen an den Leitzins gebunden. In einigen Fällen haben sich die Tilgungsraten verdoppelt. Hilfsprogramme sorgen für eine leichte Entspannung. So können Privatpersonen ihre Immobilienkredite seit August 2022 über einen Zeitraum von bis zu 8 Monaten sanktionsfrei aussetzen. Das sorgt für Ärger bei den Banken wie bei der Commerzbank-Tochter mBank.

Außenhandel: Deutsch-Polnischer Außenhandel weiter positiv

Foto: AdobeStock

Der deutsch-polnische Außenhandel hat das Jahr 2022 mit einem neuen Umsatzrekord von knapp 168 Milliarden Euro abgeschlossen. Gemessen am Wert führte Deutschland noch nie so viele Waren nach Polen aus, wie 2022. Zwischen Januar und Dezember 2022 stieg der Wert der deutschen Exporte laut deutscher Statistikbehörde Destatis um 14,9 Prozent.

Anfang 2023 gibt es ebenfalls ein leichtes Plus. Die Wachstumsdynamik flacht aber konjunkturbedingt ab. Ein Verkaufsschlager bleiben Maschinen. Das neue Werk des polnischen Holzbauriesen Erbud in Toruń setzt beispielsweise auf Produktionslinien des schwäbischen Unternehmens Weinmann. Auch der Hersteller von Maschinen für die Metallbearbeitung SW Maschinenbau kann neue Kunden gewinnen.

Potenzial haben Energiesparlösungen. Privathaushalte investieren massiv in Wärmepumpen – zunehmend in Kombination mit Fotovoltaik. Auch kommunale Versorger experimentieren mit Wärmepumpen. Deutsche Firmen wie SMA profitieren vom Bau neuer Fotovoltaikparks in Polen. Siemens steht kurz davor, Windkraftturbinen für Polens geplante Offshore-Windparks zu liefern. Airbus hofft, A220-Flugzeuge an die polnische Airline LOT verkaufen zu können.

Polens Export wird sich laut Europäischer Kommission 2023 positiv entwickeln. Das ist eine gute Nachricht für die Unternehmen des Landes. Viele Branchen sind auf internationale Märkte angewiesen.

 

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