Dienstag, November 5, 2024

GTAI-Wirtschaftsausblick: Die fetten Jahre sind in China vorbei (Stand: März 2023)

Germany Trade and Invest (GTAI) erarbeitet regelmäßig Wirtschaftsausblicke für wichtige Märkte. In Kooperation mit GTAI veröffentlicht W+M künftig auf der Grundlage dieser Wirtschaftsausblicke Auszüge daraus. Hier der erste Beitrag zu China von Roland Rohde.

  • Die fetten Jahre sind in China vorbei (Stand: März 2023)

  • Die Immobilienkrise, Alterung der Gesellschaft und hohe Verschuldung lasten auf der Wirtschaft. Indien und

  • -Südostasien lösen China als Wachstumslokomotive ab.

  • Wirtschaftsentwicklung: Konjunkturbelebung steht bevor

Nach Wegfall der Null-Covid-Politik ist mit einer Erholung der Wirtschaft zu rechnen. Seit Anfang Januar 2023 sind fast alle Beschränkungen im Land weggefallen. Die Coronawelle ebbt ab. Langsam kommt der Binnenkonsum und die Mobilität im Land wieder in Gang. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist im Lockdown-Jahr 2022 nach Angaben des nationalen Statistikamtes um lediglich 3 Prozent gestiegen. Dabei handelt es sich um den zweitniedrigsten Wert der vergangenen vier Jahrzehnte, der zudem durch umfangreiche Pandemiebekämpfungsmaßnahmen künstlich aufgebläht war.

Alle Analysten erwarten infolge der Lockerungen eine Konjunkturerholung für 2023. Sie rechnen im Schnitt eine Zunahme des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um real 5,5 Prozent. Auch die Regierung geht von 5 Prozent Wirtschaftswachstum aus. Für 2024 soll das Wachstum leicht abnehmen auf 4,5 Prozent, so die Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF). Damit wachsen andere Märkte in Süd- und Südostasien wie Indien, Indonesien, Malaysia oder die Philippinen stärker als das Reich der Mitte. Die fetten Jahre sind definitiv vorbei. Langfristig dürfte Chinas Wirtschaft nur noch um die 2 bis 3 Prozent wachsen.

Zahlreiche strukturelle Faktoren drücken auf das Wachstum: Die Unternehmensverschuldung war bereits vor Covid die höchste aller asiatischen Flächenstaaten. Alleine die chinesische Staatsbahn sitzt auf Verbindlichkeiten von nahezu 1 Billion US-Dollar (US$). Der teils zahlungsunfähige Konzern Evergrande kam „nur“ auf 300 Milliarden US$ Schulden, ließ dafür aber eine über Jahrzehnte entstandene Immobilienblase platzen. Dies passiert zu einer Zeit, in der Chinas Gesellschaft rasant altert. Das Land hat das Rennen, schneller reich als alt zu werden, verloren.

Investitionen: Ausländische Firmen suchen nach Alternativen

Beijing hat zur Überwindung der Coronakrise 2022 die Finanzierungsmöglichkeiten verbessert. Banken wurden angewiesen, mehr Kredite zu vergeben. Zudem hat die chinesische Regierung einen 21-Punkte-Plan zur Stützung der Baubranche angekündigt, der unter anderem vorsieht, die Anzahlungsforderungen für Hauskäufer zu lockern. Da die Bevölkerung in den drei Jahren der Coronapandemie von 2020 bis 2022 hohe Sparguthaben angesammelt hat, welche die Deutsche Bank auf 15 Prozent des BIP schätzt, könnten diese nun in die Baubranche fließen. Doch da weltweit die Zinsen kräftig steigen, wird Beijing wohl oder übel nachziehen müssen, wenn ein Währungsverfall, Kapitalflucht und eine zu hohe Inflation verhindert werden sollen. Das wiederum wird die Investitionsfähigkeit und -willigkeit der Unternehmen schwächen und könnte den Immobiliensektor erneut auf Talfahrt schicken.

Für ausländische Unternehmen ist das Engagement in China schwieriger und risikoreicher geworden. Durch die Unterstützung Russlands im Ukrainekrieg und die militärische Bedrohung Taiwans hat sich das Land ein gutes Stück weiter von der westlichen Wertegemeinschaft entfernt. Internationale Firmen werden sich zunehmend für ihre Chinageschäfte rechtfertigen müssen. Zudem kann der Markt bei einer Eskalation des Taiwan-Konfliktes über Nacht wegbrechen. Die Suche nach alternativen Absatz- und Beschaffungsquellen nimmt an Fahrt auf. Viele deutsche Firmen vor Ort investieren indes weiter, um Kundenanforderungen gerecht zu werden und sich unabhängiger von Importen zu machen.

Konsum: Wirtschaftserholung erwartet

In China zieht der Konsum und Inlandstourismus wieder an. Der Einzelhandelsumsatz war 2022 um 0,2 Prozent gegen[1]über dem Vorjahr geschrumpft. Vor der Pandemie waren 8 Prozent die Norm. Doch den Menschen sitzt das Geld nicht mehr so locker in der Tasche. Nicht wenige haben ihren Job oder ihr Geschäft verloren. Andere sitzen auf hohen Sparguthaben, die während der Pandemie gewachsen sind. Die Arbeitslosigkeit unter der jungen Bevölkerung (16 bis 24 Jahre) lag im Januar 2023 bei 17 Prozent.

Hinzu kommen die Folgen der Immobilienkrise. Das Neubaugeschäft und die Verkäufe sind dramatisch eingebrochen. Praktisch alle Hausbesitzer sind auf dem Papier ärmer geworden. Dieser negative Vermögenseffekt drückt zusammen mit der raschen Alterung der Gesellschaft dauerhaft auf die Konsumlaune. Dadurch wird auch die offizielle Dual-Circulation-Strategie konterkariert. Ihr zufolge soll sich die Wirtschaft stärker auf den einheimischen Markt und den Inlandskonsum konzentrieren.

Die Inflation der Konsumentenpreise lag mit 2 Prozent gegenüber dem Vorjahr deutlich niedriger als in den USA und Europa. Am stärksten fielen darunter die Preissteigerungen bei Transport und Lebensmitteln ins Gewicht. Auch die Produzentenpreise stiegen lediglich um 4,1 Prozent.

Außenhandel: Durchwachsene Exportprognose

Chinas Außenhandel hatte 2021 noch ein Rekordergebnis eingefahren. Doch gerade im 2. Halbjahr 2022 ist er deutlich langsamer gewachsen. Im Gesamtjahr 2022 erhöhte er sich nur um 4,4 Prozent. Das Ergebnis ist vor allem auf den schwachen Inlandskonsum zurückzuführen. Die Einfuhren legten lediglich um 1,1 Prozent zu, während China seine Ausfuhren um 7 Prozent steigern konnte. Steigende Preise für Energie, Rohstoffe und Vorprodukte dürften aber die Handelswerte künstlich aufgebläht haben. Sorgen bereitet, dass die Auslandsnachfrage nach chinesischen Waren durch die steigende Inflation in Schlüsselmärkten und das langsamere globale Wirtschaftswachstum nachlässt.

Mit der Europäischen Union ging der Warenhandel 2022 um 3,1 Prozent zurück, während er mit Deutschland um 12 Prozent zunahm, so Angaben des chinesischen Zolls. Dies ist vor allem auf den stark gestiegenen chinesischen Exportwert nach Deutschland zurückzuführen (+15,1 Prozent). Aus Deutschland importierte China hingegen 10,6 Prozent weniger als im Vorjahr. China verliert damit für Deutschland im Export an Bedeutung und rutscht auf Rang 4 der wichtigsten Abnehmermärkte.

Mehr: Trade (gtai.de)

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