Mittwoch, Dezember 11, 2024

Krieg, Pandemie, Inflation, Zinsen: Was kommt danach?

Kriege haben immer die Inflation getrieben: Die heftigste Inflation gab es während und nach den beiden Weltkriegen im 20. Jahrhundert. Kleinere Kriege danach, wie etwa der Jom-Kippur-Krieg, der zu einem Ölpreisschock in den 70iger Jahren führte und der Falklandkrieg, der die Inflation im Vereinigten Königreich befeuerte, sind Beispiele. Ein Gastbeitrag von Prof. Florian Stapper.

Aktuell ist der Ukraine-Krieg einer der Hauptgründe für die höchste Inflation seit Ende des 2. Weltkrieges. Dazu ist Folgendes zu sagen:

Bei Kriegen drohen Versorgungsengpässe so wie aktuell bei Energieträgern oder Rohstoffen und der Staat verhängt Preisregulierungen.

Zudem richten Staaten ihre Aktivitäten auf Verteidigung aus und geben dafür enorme Geldbeträge aus, so dass insgesamt weniger Güter für Investitionen und für Konsum zur Verfügung stehen und die Verschuldung steigt. Daneben spielt die Psychologie eine große Rolle: Es wird erwartet, dass Waren während des Krieges knapp werden. Insofern wird gehortet, so dass die Nachfrage steigt. Kriegsbedingt vermindert sich insofern das Angebot und gleichzeitig steigt die Nachfrage: Die Krieg-Preis-Spirale. Notenbanken bekämpfen die Inflation mit Zinserhöhungen und schwächen damit die Wirtschaft.

Aktuell wird erwartet, dass der Ukraine-Krieg endlos andauern wird,

denn er soll um jeden Preis von der Ukraine gewonnen werden, um Russland zu zeigen, dass es keinen Sinn macht, fremde Länder zu überfallen, um seinen eigenen Einflussbereich zu erweitern, um den Chinesen klarzumachen, dass eine militärische Eroberung Taiwans keinen Erfolg haben wird, um dem Iran zu verdeutlichen, dass ein Angriff auf Nachbarstaaten ein schlechtes Mittel ist, um von inneren Problemen abzulenken und um andere Aggressoren zu warnen. Auch wenn immer klarer wird, dass Russland sich in der Ukraine militärisch kaum durchsetzen wird und Historiker meinen, man erlebe gerade den Zerfall einer Weltmacht, ist der Ausgang des Krieges in der Ukraine offen.

Endet der Krieg in der Ukraine, ist die Taiwan-Frage geklärt und der Iran sowie andere Aggressoren ausreichend gewarnt,

kehrt sich der Trend wieder um. Staaten verschieben ihre Aktivitäten dann von der Verteidigung hin zu Investitionen und Konsum und Verbraucher verbrauchen erst einmal das Gehortete. Das Angebot steigt und die Nachfrage sinkt erst einmal. Preise dürften dann wieder fallen. Die Notenbanken werden darauf mit einer Verminderung des Zinsniveaus reagieren. Damit helfen sie gleichzeitig dem Staat, der für die Finanzierung des Krieges hohe Kosten getragen hat, die irgendwann auch erwirtschaftet werden müssen und sie befeuern so die in die Rezession abgedriftete Wirtschaft. Die Inflation der Jahre 2021 bis 2023 war dann nur ein Zwischenhoch der Preise.

Die Corona-Pandemie hat die Preise wahrscheinlich nur leicht getrieben,

auch, wenn der durch die Pandemie ausgelöste Angebotsschock – insbesondere durch die Störung von Lieferketten aus dem chinesischen Raum – in guten Teilen durch großzügige Einkommensbeihilfen des Staates wieder ausgeglichen wurde. Ihr Beginn liegt inzwischen mehr als zwei Jahre zurück. Auch bei Berücksichtigung einer gewissen Zeitverzögerung ist der Abstand zwischen dem Anfang der Corona-Pandemie und dem Beginn der Inflation im Jahr 2021/2022 für einen Zusammenhang ungewöhnlich groß. Wahrscheinlich hat daher die Corona-Pandemie die Inflation entstehen lassen und der Ukraine-Krieg hat sie verstärkt.

Der Staat, der für die Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie und für Verteidigung erhebliche zusätzliche Kosten tragen muss,

mag die Entwicklung von Inflation und Zinsen: Zunächst war es ihm während der Niedrigzinsphase möglich, sich sogar negativ zu verschulden. Alte, teure Anleihen konnten deutlich günstiger umfinanziert werden und neue Schulden kosteten kaum noch Zins. Teilweise war der Zins sogar negativ. Seitdem die Inflation steigt, vermindert sich die Schuldenlast um die Inflationsrate. Allein 2022 hat die Inflation die Staatsschulden so um etwa 10 Prozent vermindert. Gleichzeitig nimmt der Staat durch die Inflation deutlich mehr ein, denn erhöhte Preise erhöhen auch die Umsatz- und andere Steuern. Insofern hat der Staat wenig Interesse daran, die Zinsen anzuheben, um die Inflation zu vermindern. Auch wenn die den Zins beeinflussenden Notenbanken unabhängig sind, ist mit Christine Lagarde eine ehrgeizige, ehemalige französische Wirtschafts- und Finanzministerin zur Präsidentin der EZB gewählt worden. Insofern dürften die Staatsfinanzen bei Entscheidungen zur Höhe der Zinsen eine Rolle spielen.

Es kommt hinzu, dass die Gesamtsituation für Wirtschaft, Politik und Zentralbanken neu und komplex ist.

Historische Vergleiche gibt es kaum. Eine Pandemie mit anschließendem Krieg gab es noch nie. Es gab aber den umgekehrten Fall: An den 1. Weltkrieg schloss sich die Spanische Grippe – eine Influenza-Pandemie – an, die mit 20 bis 100 Mio. Menschenleben mehr Tote forderte als der 1. Weltkrieg mit etwa 17 Mio. Auf den 1. Weltkrieg und die Spanische-Grippe-Pandemie folgten die Goldenen Zwanziger Jahre – Zeiten eines sehr robusten Wirtschaftswachstums. Nach dem 2. Weltkrieg gab es dann – ohne Pandemie – ein sehr ausgeprägtes Wirtschaftswachstum, das für Deutschland sogar als Wirtschaftswunder bezeichnet wurde. Auch die Japaner erwirtschafteten nach dem 2. Weltkrieg enorme Wachstumsraten. Wer hätte damals gedacht, dass ausgerechnet die zwei großen Verlierer des 2. Weltkrieges – Deutschland und Japan – nach dem Ende des Krieges die Lokomotive des weltweiten Wirtschaftswachstums werden?

Bei den Energiepreisen deutet sich Entspannung an.

Die OPEC will ein Abtriften der weltweiten Konjunktur durch überhöhte Energiepreise verhindern, weil sie ansonsten in der Zukunft weniger Öl zu schlechteren Preisen verkaufen dürfte und sich andere Energiequellen, insbesondere das Fracking, immer mehr lohnen würden. Auch der Gaspreis ist zuletzt deutlich gesunken. Die sich eintrübende Weltkonjunktur drückt also schon die Preise. Bei den Konsumenten wird das aber nur mit einer erheblichen Zeitverzögerung ankommen.

Insofern dürfte die weltweite Wirtschaft nach dem Ende des Krieges in der Ukraine und nach Überwindung der Corona-Pandemie wieder genauso stark wachsen wie nach dem Ende anderer großer Kriege.

Der Autor: Prof. Dr. Florian Stapper

Der Autor: Prof. Dr. Florian Stapper, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Steuerrecht

Die Erstveröffentlichung des Beitrages erfolgte im EXIS|TENZ MAGAZIN.

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