Das deutsche Lieferkettengesetz wird in seiner Umsetzung immer schärfer und die EU-Regulierung soll noch weit darüber hinausgehen. Die Folgen sind nicht mehr kalkulierbar. Die Handlungsfreiheit des industriellen Mittelstands, der vom Export lebt, wird aufs Spiel gesetzt – ungeachtet aller aktuellen Krisen. Damit werden auch die Ziele der Gesetze gefährdet.
Menschenrechte einhalten und Kinderarbeit verhindern – diese beiden zentralen Grundsätze des deutschen und des geplanten europäischen Lieferkettengesetzes werden vom Maschinen- und Anlagenbau uneingeschränkt unterstützt. Was die Gesetzgeber tatsächlich auf den Weg gebracht haben oder noch bringen wollen, geht jedoch weit über diese Grundrechtesicherung hinaus. Die Lieferkettengesetze werden für mittelständische Unternehmen immer mehr zu einer Falle, der sie nicht entgehen können. „Unsere Firmen sollen unter anderem auch dafür verantwortlich sein, dass rund um den Globus die europäischen Umwelt- und Sozialstandards eingehalten werden – sonst werden sie bestraft. Das ist völlig unrealistisch. Während die EU-Staaten aus gutem Grund ihre Standards jetzt lockern, wenn sie in der Welt Gas einkaufen, sollen die Betriebe umso mehr in Haftung genommen werden. Das kann gerade für eine vom Export lebende Nation wie Deutschland aber auch Europa insgesamt nicht gutgehen. Hier wird die Handlungsfähigkeit des industriellen Mittelstands aufs Spiel gesetzt“, warnt VDMA-Präsident Karl Haeusgen. Diese Sorgen und Kritik hat der Verband jetzt auch in einem Brief an Wirtschaftsminister Robert Habeck und weitere Ministerien klar zum Ausdruck gebracht.
Am geplanten EU-Lieferkettengesetz kritisiert der VDMA:
- dass neben den Menschenrechten auch die Verletzung von Umwelt- und Klimastandards, Arbeitsrichtlinien sowie Good Governance-Regeln auf dem Rücken der Betriebe sanktioniert werden sollen, statt dass Staaten dafür zur Verantwortung gezogen werden,
- dass das Gesetz nicht nur die erste Stufe der Lieferkette umfasst, sondern alle Stufen auch aller Tochtergesellschaften und sogar für die Kunden gehaftet werden soll,
- das Fehlen einer “White List“ von Ländern außerhalb der EU, mit denen Unternehmen ohne aufwändige Prüfung weiter Handel treiben können.
- dass das Gesetz bereits ab einer Schwelle von 500 Mitarbeitenden greifen soll,
- dass Unternehmen und UnternehmerInnen in die zivilrechtliche Haftung genommen werden können, ohne Einfluss auf die zugrunde liegenden Sachverhalte zu haben.
„Wenn das EU-Lieferkettengesetz ohne dringend notwendige Korrekturen verabschiedet wird, können sich unsere kleineren und mittleren Firmen aus dem globalen Wettbewerb in Teilen verabschieden. Und die Konkurrenz aus den USA, Großbritannien und Asien lacht sich ins Fäustchen. Das kann die EU nicht wollen, zumal es der Zielsetzung Europas widerspricht, die Resilienz der europäischen Wirtschaft zu stärken“, betont Haeusgen.
Zur Umsetzung des deutschen Lieferkettengesetzes:
Auch der deutsche Gesetzgeber und seine zuständige Behörde BAFA sind dabei, das bereits beschlossene Lieferkettengesetz in der Umsetzung so zu verschärfen, dass es die Unternehmen aus vielen Märkten treiben wird. So ist vorgesehen, dass Firmen ihre Berichte über die voraussichtlichen Risiken von Menschenrechtsverletzungen, Umwelt- und Klimaschäden im Detail auf ihren Webseiten für alle einsehbar machen müssen – und dies sieben Jahre lang. Diese Informationen sind dann auch für Wettbewerber und Kunden verfügbar, die keine solchen Verpflichtungen haben. „Das wird zum Rückzug unserer Unternehmen aus ganzen Ländern führen und damit ist den Menschen vor Ort geschadet, nicht geholfen!“, betont Haeusgen.
„Im Grunde könnte die Politik den Unternehmen auch direkt sagen: Wir wollen nicht mehr, dass ihr mit diesem oder jenem Land überhaupt noch Geschäfte betreibt. Das wäre wenigstens ehrlich. Der angebliche Grundsatz ,Befähigung vor Rückzug‘ ist eine Worthülse. Sie wälzt nur die Verantwortung auf den Rücken derjenigen ab, die für Arbeitsplätze und Steuereinnahmen sorgen. Diesen Prozess in Zeiten von Krieg, hoher Inflation und einer ungelösten Energieversorgung nicht zu stoppen, ist unverantwortlich“, resümiert der VDMA-Präsident.