Freitag, November 22, 2024

W+M-Serie Internationale Märkte: Brasilien und Deutschland rücken zusammen

In der W+M-Serie Internationale Märkte kommen Länderexperten von Germany Trade and Invest GTAI zu Wort, die mit ihrer Expertise Impulse für einen stärkeren internationalen Austausch setzen wollen. Hier der Beitrag von Johannes Dimas aus Rio.

Der neugewählte Präsident Luiz Inácio Lula da Silva geht auf Europa zu. Die politischen Beziehungen zu Deutschland werden sich in seiner Amtszeit wieder verbessern. Im Zentrum seiner politischen Agenda stehen Armutsbekämpfung, öffentliche Bildung, Klimapolitik, die Rechte der indigenen Bevölkerung und der Schutz des Tropenwalds. Außerdem will er die Zusammenarbeit mit Europa und den USA vertiefen.
Die linksgerichteten Projekte Lulas sind allerdings keine Selbstläufer. Der „Bolsonarismus“ hat sich im Nationalkongress und in der Gesellschaft festgesetzt. Auf lange Sicht wird die politische Entwicklung eine Gratwanderung bleiben.

Brasilien neu denken

In der Amtszeit des rechtspopulistischen Vorgängers Jair Bolsonaro waren die Beziehungen zu Deutschland merklich abgekühlt. Die jahrelange strategische Partnerschaft zwischen Brasilien und Deutschland wurde aber nicht aufgegeben. Die Zusammenarbeit wurde auf institutionellen und bundesstaatlichen Ebenen fortgesetzt. So zum Beispiel bei der bilateralen Energiepartnerschaft. Darauf kann bei den anstehenden Deutsch-Brasilianischen Wirtschaftstagen im März 2023 in Belo Horizonte aufgebaut werden.

Ernährungskrise, Klimakrise, Energiekrise und schwierige Handelsbeziehungen mit autoritären Regimen: In einer globalen Neuorientierung der deutschen Wirtschaft kann Brasilien eine wichtige Rolle einnehmen. Brasilien ist schließlich einer der größten Agrarproduzenten, seine Tropenwälder fungieren als globale Kohlenstoffsenke [globaler Kohlenstoffspeicher] und es bietet einzigartige Voraussetzungen als Lieferant für grüne Energie.

Brasilien ist wichtig

Brasilien ist eine der größten Volkswirtschaften der Welt und wichtiger Handelspartner für Deutschland. Im Jahr 2021 belegte Deutschland als Lieferant den vierten Platz – hinter China, den USA und Argentinien. Deutschland liefert vor allem chemische Erzeugnisse, Maschinen, KFZ und KFZ-Teile sowie Elektrotechnik. Brasilien exportiert vorwiegend Eisenerz, Tierfutter, Rohkaffee und Zellstoff nach Deutschland.

Deutsche Firmen sind in Brasilien traditionell stark vertreten. Im Land produzieren umsatzstarke Schwergewichte wie Volkswagen, Bayer, BASF, Bosch und Siemens. Die ostdeutsche Wirtschaft ist aus historischen Gründen weniger verwurzelt. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Brasilien und Ostdeutschland hatten vor der Wende für beide Seiten keinen großen Stellenwert.

Heute machen ostdeutsche Start-Ups in Brasilien von sich Reden. So bauen die Berliner FinTec’s N26 und Mambu ihre Angebote in Brasilien aus. Neu auf dem Markt ist auch Formel Skin, ein HealthTec aus Berlin.

 

Außenhandel der ostdeutschen Bundesländern mit Brasilien im Jahr 2021 (in tausend Euro)

Ausfuhr Einfuhr
Berlin 85.573 73.435
Brandenburg 222.004 180.771
Mecklenburg-Vorpommern 42.507 29.557
Sachsen 173.391 78.683
Sachsen-Anhalt 84.823 39.109
Thüringen 83.659 83.251

Quelle: © Statistisches Bundesamt/Destatis 2022 (abgerufen am 07.11.2022)

 

Brasilien ist kompliziert

Auch wenn die liberalen Wirtschaftsreformen der letzten Jahre Vereinfachungen für Unternehmen und eine weitere Marktöffnung gebracht haben: Brasilien bleibt kompliziert. Die hohe Regelungsdichte, das komplexes Steuersystem, eine ausgeprägte Bürokratie und der Fachkräftemangel fordern ihren Tribut: die sogenannten „Custo Brasil“.

Markteinsteiger können auf ein großes deutsches Netzwerk in Brasilien aufsetzen: Unter anderen sind die Deutschen Auslandshandelskammern (AHK), die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die GTAI, der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) und deutsche Schulen vor Ort.

Brasilien hat Potential

Über die landestypischen Herausforderungen dürfen die Chancen nicht vergessen werden: Brasilien bietet einen großen, in weiten Teilen ungesättigten Binnenmarkt. Die Chancen für das totgesagte Handelsabkommen zwischen der EU und den Staaten des Mercosur [(in Portugiesisch Mercosul)] dürften mit der Wahl Lulas gestiegen sein.

Die ausdifferenzierte Industrie, der Bergbau und das hochproduktive Agrobusiness sind ausbaufähige Absatzmärkte für deutsche Unternehmen. Die digitale Innovationsfreude und eine sehr agile Start-Up-Szene laden zum Austesten neuer Geschäftsmodelle ein.

Dazu kommt das Potential einer grünen Wasserstoffwirtschaft. Die wichtigsten internationalen Energiekonzerne arbeiten bereits an Projekten in Brasilien. Solar- und Windenergie erreichen Rekorde beim Zubau. Eine zukünftige Nutzung der Offshore-Windenergie wird parteiübergreifend forciert. Die rund 80 Prozent erneuerbare Energien im Strommix erlauben Brasilien den Aufbau einer grünen Produktion von Wasserstoff. Und das, ohne zunächst langwierig den nationalen Strommarkt dekarbonisieren zu müssen.

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Der Autor: Johannes Dimas

Johannes Dimas. Foto privat

Johannes Dimas ist deutscher Unternehmer in Brasilien und berichtet regelmäßig für Germany Trade & Invest (GTAI) über die brasilianische Wirtschaft. Er ist Repräsentant für Brasilien im World Forum Offshore Wind (WFO) und berät nationale und internationale Unternehmen der Energiewirtschaft.

 

 

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