W+M-Serie Internationale Märkte: Bedeutung der USA wächst für die deutsche Wirtschaft
In der W+M-Serie Internationale Märkte kommen Länderexperten von Germany Trade and Invest GTAI zu Wort, die mit ihrer Expertise Impulse für einen stärkeren internationalen Austausch setzen wollen. Hier der Beitrag von Ullrich Umann aus Washington.
Die Vereinigten Staaten von Amerika bleiben der wichtigste Handelspartner deutscher Unternehmen. Für die deutsche Industrie ist der US-Markt zuletzt sogar noch attraktiver geworden, seit sich die außenwirtschaftlichen Unwägbarkeiten nach Ausbruch des Ukrainekrieges vervielfältigt haben.
Vor allem Unternehmen aus den neuen Bundesländern suchen derzeit nach Möglichkeiten, ihre Lieferausfälle mit Russland und der Ukraine zu kompensieren. Hinzu kommen die anhaltenden Corona bedingten Probleme beim Chinageschäft. Die Aktivierung des Vertriebs auf dem riesigen US-Markt bietet sich regelrecht an.
Exporte in die USA wachsen überdurchschnittlich stark
Bereits im vergangenen Jahr stiegen die deutschen Ausfuhren in die Vereinigten Staaten überdurchschnittlich stark. Während die Gesamtexporte um knapp 14 Prozent zulegten, wuchsen die Lieferungen in die USA um 18 Prozent und erreichten 122 Milliarden Euro. Unternehmen aus den neuen Bundesländer steigerten ihr Exporte im Jahr 2021 sogar um 23 Prozent und verkauften Waren im Wert von knapp 8,8 Milliarden Euro.
Zwar wächst auch in den USA die Inflationsgefahr und zuletzt wurden die Wachstumserwartungen für die größte Volkswirtschaft der Erde nach unten korrigiert. Dennoch erweist sich das Land als Stabilitätsanker für die Weltwirtschaft, wie die jüngste Prognose der Blue Chip Economic Indicators vom Mai zeigt. Laut dieser soll das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2022 um real 2,6 Prozent zulegen, für Investitionen und Konsum wird ein Plus von 5,7 beziehungsweise 3,0 Prozent erwartet.
Außenhandel der ostdeutschen Bundesländer mit den USA (in Mio. Euro, Stand 2021)
Ausfuhren | Einfuhren | |
Berlin | 1.401 | 720 |
Brandenburg | 1.147 | 564 |
Mecklenburg-Vorpommern | 500 | 108 |
Sachsen | 4.141 | 2.356 |
Sachsen-Anhalt | 757 | 182 |
Thüringen | 1.590 | 439 |
Quelle: Destatis
Vielfältige Geschäfts- und Wachstumschancen
Absatzchancen erwachsen der deutschen Exportwirtschaft zum Beispiel aus dem Infrastrukturpaket der US-Regierung im Gesamtumfang von 1,2 Billionen US-Dollar. Mit diesem Geld sollen unter anderem die Verkehrsinfrastruktur ausgebaut und die Wasserwirtschaft modernisiert werden. Auch der tiefgreifende Strukturwandel im verarbeitenden Gewerbe der USA eröffnet deutschen Unternehmen Geschäftspotenziale. So stellt sich die Kfz-Zulieferindustrie wegen der Transformation zur Elektromobilität derzeit komplett neu auf. Weitere Chancen bieten die Automatisierung und Digitalisierung der Logistikketten, der Produktion und des Vertriebs, die inzwischen selbst kleine und mittlere amerikanische Unternehmen angehen.
Die gegenwärtige Renaissance der amerikanischen Öl- und Gasindustrie löst eine starke Nachfrage nach Bohrausrüstungen aus. Dabei gilt für deutsche Exporteure die Faustregel: je kürzer die Lieferzeiten desto höher die Chancen, einen Zuschlag zu erhalten. Zudem steht der Bau von Anlagen zur Gasverflüssigung sowie von Verladeterminals für Flüssiggas am Golf von Mexiko an.
Weitere Absatzmöglichkeiten bietet die von der Biden-Regierung geförderte Erschließung alternativer Quellen in der Energiewirtschaft, die vielerorts geplante Errichtung energieeffizienter Häuser sowie die Einführung intelligenter und datenbasierter Produktionsverfahren in der nachhaltigen Landwirtschaft.
Außenhandel Deutschlands mit den USA und China (in Mio. Euro, Stand 2021)
Ausfuhren | Einfuhren | |
USA | 122.016 | 72.043 |
China | 103.670 | 141.784 |
Quelle: Destatis
USA größter Zielmarkt für ausländische Direktinvestitionen
Auch als Investitionsstandort sind die USA von herausragender Bedeutung für deutsche und europäische Unternehmen. „Amerika ist unsere Chance für ein starkes strategisches Wachstum“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Volkswagen AG, Herbert Diess, Anfang Mai. Und gab bekannt, dass sein Unternehmen das Werk in Chattanooga, Tennessee, von der Fläche her verdoppeln und darüber hinaus noch ein zweites Werk bauen werde.
Der Flugzeughersteller Airbus, Hauptkonkurrent von Boeing, will in den USA ebenfalls expandieren und zwei weitere Montagelinien am Standort Mobile, Alabama, errichten. Damit möchte das Unternehmen die Fertigung des meistverkauften Schmalrumpfflugzeugs A-320 bis 2025 um 50 Prozent auf 75 Stück pro Monat steigern.
Im Jahr 2021 waren die USA der größte Zielmarkt für ausländische Direktinvestitionen mit einem Zustrom von 382 Milliarden US-Dollar, so die Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Davon investierten 616 europäische Firmen zusammen 204 Milliarden US-Dollar.
Zeitpunkt für den Markteinstieg günstig
Der Zeitpunkt für den Eintritt in den US-Markt ist günstig. Nicht zuletzt dank der Wiedereröffnung des Messebetriebs in Präsensform nach zwei Jahren Lockdown. Damit stehen wieder zahlreiche Plattformen zur Vernetzung und Kundenakquise „in persona“ zur Verfügung.
Trotz der umfangreichen Geschäftschancen müssen sich deutsche Firmen auf einen Markteintritt gut vorbereiten: In jedem Bundesstaat existieren eigene Normen und Standards, eigene Rechtssysteme, eigene Steuersätze oder auch eigene Vorschriften zur Anerkennung von Bildungsabschlüssen. Und sogar eigene Regelwerke zur Ausübung bestimmter Berufe.
Der Aufwand bei der Wahl eines geeigneten Standortes ist damit groß und verursacht hohe Startkosten. Das gilt für Exporteure und Investoren gleichermaßen. Wertvolle Hilfestellungen bietet die AHK USA mit ihren regionalen Niederlassungen. Ist der Eintritt erst mal geschafft, erwartet die Unternehmen in den USA ein schier gigantischer Markt mit seinen 332 Millionen kaufkräftigen Konsumenten.
US-Mark im Überblick 2021
Einwohner in Millionen | 332 |
BIP nominal, Milliarden US$ | 22.940 |
BIP pro Kopf (US$) | 69.096 |
Der Autor: Ullrich Umann
Ullrich Umann arbeitet seit 2018 als Wirtschaftskorrespondent im Büro von Germany Trade & Invest in Washington, D.C. Vorher war er für jeweils mehrere Jahre in gleicher Funktion an den Standorten Riga, Warschau, Mexiko-Stadt, New York und Moskau tätig.