Freitag, Dezember 27, 2024

W+M-Serie 2/5 – Führung: Alle Krisen sind Führungskrisen

Das ist der zweite Beitrag der W+M-Serie Work + Life. Johannes Grassl, Experte und  Berater rund um das Thema Führung, widmet sich im aktuellen Beitrag dem Thema „Alle Krisen sind Führungskrisen“.

Afrika hat uns schon immer fasziniert. Nachdem ich mehrere Jahre im Marketing und Vertrieb tätig war, gingen meine Frau und ich nach Namibia. Die Monate dort haben uns einen neuen Blick eröffnet. Unsere Zielgruppe waren nicht mehr Businessleute, sondern AIDS-Kranke und Waisenkinder. Wir waren in verschiedenen Hilfsprojekten tätig und reisten durch weite Teile des Landes. Die Schönheit der Natur, das reiche Tierleben und die Menschen haben uns begeistert. Und mir ist etwas aufgefallen, was der große Managementdenker Peter Drucker schon lange vorher erkannte: „There are no underdeveloped countries, only undermanaged ones – Es gibt keine unterentwickelten Länder, nur schlecht geführte“. Der Reichtum an Ressourcen und Möglichkeiten ist groß, das Problem ist schlechtes Management.

Das Statement von Drucker gilt nicht nur für Länder oder Unternehmen, sondern auch für uns persönlich. Wir können sagen: „Es gibt kein unterentwickeltes Leben, nur ein schlecht geführtes“. Mit anderen Worten: Alle Krisen – auf staatlicher, unternehmerischer oder persönlicher Ebene – sind Führungskrisen. Staats-Krisen, Unternehmens-Krisen, Finanz-Krisen, Sinn-Krisen, Beziehungs-Krisen und oft auch gesundheitliche Krisen haben ihre Ursache in fehlender oder schlechter Führung. Das heißt: Wenn wir uns selbst nicht gut führen, landen wir in der Krise. Wie können wir dem vorbeugen und wie sieht gute Führung aus?

Burkhard Schwenker, damals Chef der Unternehmensberatung Roland Berger, veröffentlichte ein Buch mit dem Titel „Gute Führung“ [1]. Schwenker geht darin der Frage nach, warum Unternehmen scheitern und wie gute Führung gelingen kann. Er analysiert klassische Führungsfehler, die Firmen erst in die Krise und dann zum Absturz bringen. Diese Führungsfehler unterlaufen uns oft auch im persönlichen Leben. Ich greife die wichtigsten heraus, damit wir sie vermeiden und erfolgreich auf Kurs bleiben können.

Führungsfehler #1: Frühwarnsignale werden nicht wahrgenommen oder sogar aktiv verdrängt

Frühwarnsignale im Business können abweichende Kennzahlen, Qualitätsprobleme oder Kundenbeschwerden sein. Was aber sind Frühwarnsignale im persönlichen Leben? Vielleicht ein inneres Unbehagen, ein leidender Ehepartner oder körperliche Symptome. Ich spüre innerlich, dass ich Dinge verändern sollte – werde aber nicht aktiv. Mein Ehepartner sendet schon lange Signale, dass er sich mehr Aufmerksamkeit wünscht – ich gehe aber nicht darauf ein. Mein Körper lässt verschiedene Alarmzeichen aufleuchten – auf die ich keine Rücksicht nehme. Das Problem: Wenn wir nicht rechtzeitig gegensteuern, landen wir in der Krise. Dann zahlen wir einen Preis, der viel höher ist, als hätten wir frühzeitig reagiert. Wie machen wir es besser? Wir nehmen Frühwarnsignale ernst und schauen der Wahrheit ins Auge.

Führungsfehler #2: Geschäftsmodelle werden nicht kritisch reflektiert

Ein Geschäftsmodell beschreibt die Grundlogik eines Unternehmens. Warum gibt es uns? Für wen sind wir tätig? Wie schaffen wir einen Mehrwert? Ein gutes Geschäftsmodell ist wichtig. Wie aber sieht es mit unserem Lebensmodell aus? Wofür will ich leben? Was ist mir wirklich wichtig? Wie will ich meine Ressourcen einsetzen, um eine gute Wirkung zu erzielen? Nehmen wir uns die Zeit, unser Lebensmodell immer wieder einmal auf den Prüfstand zu stellen? Im Coaching sagte mir ein Manager, dass er noch nie über diese Fragen nachgedacht hätte… Kein Wunder, dass wir dann am eigentlichen Kern unseres Lebens vorbei leben. Wie machen wir es besser? Wir nehmen uns Zeit zum Nachdenken. Handy ausschalten, Füße baumeln lassen, denken! Managementvordenker Roger L. Martin sagt: Sie müssen sich in Ihrem Leben Zeit zum Nachdenken nehmen. Wenn Sie Ihre Zeit mit Dingen füllen, die Ihnen keine Zeit lassen, sich zurückzulehnen und nachzudenken, dann wird Sie das eines Tages einholen.

Führungsfehler #3: Es mangelt an Mut, gegen die herrschende Meinung zu argumentieren

Eine Frage, die ich Führungskräften immer wieder stelle: Was sind deine unverhandelbaren Prinzipien? Was sind die Überzeugungen und Werte, bei denen du, wenn sie verletzt werden, vom Tisch aufstehst und gehst? Harvard-Ikone Clayton Christensen sagte, es ist leichter, sich zu 100 Prozent an seine Prinzipien zu halten als nur zu 98 Prozent. Wenn wir davon abweichen, öffnen wir die Türe für falsche Kompromisse. Dieser Türspalt wird immer größer, bis wir irgendwann korrumpiert sind. Wie machen wir es besser? Wir nehmen ein Blatt Papier und notieren unsere Werte und unsere No-Go’s. Was ist uns wichtig und was geht auf keinen Fall? Dadurch bauen wir eine Sicherheitsschranke ein, die uns vor Abdriften und Abstürzen bewahren kann.

Führungsfehler #4: Bei Veränderungen wird zögerlich gehandelt – Aktionismus statt konkreter Maßnahmen

Oft ist es so: Entweder wir bleiben zu lange passiv und lassen die Dinge laufen, oder wir verfallen in einen Aktionismus und versuchen, die Umstände zu schnell und zu hektisch zu verändern. Beides verursacht Schaden. Nachhaltige Veränderung braucht eine klare Analyse und einen durchdachten Lösungsweg. Wir müssen zuerst klären, was verändert werden soll. Dann können wir darüber nachdenken, wie uns die gewünschte Veränderung gelingt. Wie machen wir es besser? Unsere Action-Steps müssen „unverschämt einfach“ sein. Eine Tasse Espresso mit dem Ehepartner, die Kinder einmal am Tag in den Arm nehmen, regelmäßig ein festes Zeitfenster für Sport etc… Besser kleine, aber sehr konkrete Schritte als der große Knall, der viel Staub aufwirbelt und wenig verändert.

Führungsfehler #5: Es fehlt eine klar und überzeugend kommunizierte Vision und Strategie

Im Business und an der Börse begeistern große Visionen. Was aber ist die Vision für mein Leben? Ein junger Mann schrieb mir in einer Mail: „Gerade wieder stelle ich mir die Frage, warum ich auf dieser Welt bin? Mir fehlt eine Vision, die mich motiviert und begeistert.“ Wir arbeiten 60 oder 70 Stunden die Woche, haben wenig Zeit für Freunde und Familie und zahlen einen hohen Preis. Was ist der Sinn unseres Tuns, was ist unser „Warum“? Wie machen wir es besser? Wir brauchen Zeit zum Träumen. Wenn wir darüber nachdenken, wofür wir leben wollen, wird das unserem Leben Sinn und Richtung geben. Martin Luther King sagte: Wer nichts hat, wofür es sich zu sterben lohnt, ist noch nicht fit fürs Leben.

Warum ist gute Führung so wichtig? Weil sie uns hilft, Krisen zu vermeiden und auf geradem Kurs zu bleiben. Es geht nicht nur um den Job. Es geht um unser Leben. Das verdient beste Führung.

[1] Gute Führung: Über den Lebenszyklus von Unternehmen, Burkhard Schwenker und Mario Müller-Dofel, BrunoMedia-Verlag, 2012

Der Autor: 

Johannes Grassl. Foto: Grassl

Johannes Grassl ist CEO der Leaders’ Integrity Foundation, Berater für Führungskräfte und Ermutiger aus Leidenschaft. Seit 20 Jahren ist er als Impulsgeber rund um Leadership, Selbstmanagement und erfolgreiche Karrieregestaltung im ganzen deutschsprachigen Raum aktiv. Mehr unter www.johannesgrassl.com und www.lif.ch.

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