Sonntag, Dezember 22, 2024

Steigende Inflation, Zinsen, Konjunktur, Rezession und Perspektiven für Unternehmer

Ein Beitrag von Prof. Dr. Florian Stapper.

Die Inflation steigt: Waren und Dienstleistungen werden teurer und die gemessene Verteuerung erreicht Ausmaße, die es lange nicht gab. Ziel der Notenbanken ist eine Inflation um die 2 Prozent p.a., denn eine geringe Preissteigerung fördert die nachhaltige Konjunktur: Wer weiß, dass ein Vermögensgegenstand oder eine Dienstleistung immer etwas teurer wird, kauft oder bestellt lieber jetzt als später. Grundsätzlich bekämpfen die Notenbanken eine übermäßige Inflation mit einer Erhöhung des Zinsniveaus, um so zu vermeiden, dass die Wirtschaft „überkocht“ und das Geld – der Schmierstoff der Wirtschaft – entwertet wird.

Aus mehreren Gründen halten die Notenbanken sich damit im Moment zurück:

  1. Ein Preisanstieg beruht auch auf einem sogenannten Basiseffekt, denn coronabedingt ist die Umsatzsteuer für sechs Monate um 3 Prozent gesenkt worden, was zu fallenden Preisen führen sollte. Nachdem die Umsatzsteuer wieder auf den ursprünglichen Satz angehoben wurde, führt das – nach einer künstlichen Senkung der Preise – zu einer Erhöhung des Preisniveaus. Ähnlich ist es mit den Energiepreisen, die während einer wirtschaftlichen Schwäche in der Pandemie gesunken sind und jetzt wieder steigen – insgesamt also ein Nullsummenspiel.
  1. Preiserhöhungen ergeben sich aktuell überwiegend aus einer Verknappung des Angebotes und nicht aus steigender Nachfrage. Da die Verknappung coronabedingt ist, weil Produzenten nur unter Schwierigkeiten produzieren können und Logistikketten unterbrochen oder beeinträchtigt sind und erwartet werden kann, dass diese Schwierigkeiten nicht dauerhaft, sondern vorübergehend sein werden, meinen die Notenbanken, die aktuelle Preissteigerung sei nicht von Dauer. Im Übrigen lösen höhere Zinsen keine Produktionsprobleme und stellen auch keine Lieferketten wieder her. Und schließlich wirken Zinserhöhungen erst mit einer Zeitverzögerung von etwa einem Jahr und dann dürfte die Corona-Pandemie – hoffentlich – vorüber sein.
  2. Zinsanhebungen führen zu steigenden Investitionskosten und dämpfen die Konjunktur. Daran besteht mitten in der Corona-Pandemie kein Interesse. Zudem befinden sich Deutschland – und damit aller Voraussicht nach auch die von der deutschen Konjunktur abhängigen Nachbarn – in einer technischen Rezession. Sollte sich der Ukraine-Konflikt ausweiten – und danach sieht es im Moment aus – droht eine echte Rezession, die Notenbanken häufig mit Zinssenkungen bekämpfen. 
  1. Die Preise von Vermögenswerten, die eine Verzinsung erwirtschaften (im Wesentlichen Aktien und fremdvermietete Immobilien), hängen stark am allgemeinen Zinsniveau. Fallende oder dauerhaft niedrige Zinsen haben Wertsteigerungen solcher Vermögenswerte zur Folge. Steigt der Zins, dreht sich der Effekt um. Die Notenbanken haben kein Interesse an dauerhaft fallenden Preisen solcher Vermögenswerte und werden daher bei Zinserhöhungen sehr sensibel versuchen, fallende Preise zu vermeiden.
  2. Es kommt hinzu, dass die Inflation über mehrere Jahre deutlich unter 2 % und damit zu niedrig gewesen ist. Die Notenbanken sind daher der Auffassung, eine Inflation könne einen ähnlichen Zeitraum auch etwas über der Zielgröße von 2 % liegen, ohne dass das mit Zinserhöhungen bekämpft werden müsste.
  3. Jede Zinserhöhung verteuert die Kosten der Staatsverschuldung. Das weltweite System der Staatsfinanzierung hat die letzten Jahre nur deshalb überstanden, weil die Zinsen niedrig oder faktisch abgeschafft waren. Bei guter Bonität war es sogar möglich, sich negativ zu verschulden, so dass mit der Schuldenmacherei sogar Geld verdient wurde. Heben die Notenbanken die Zinsen an, bringt das diejenigen Staaten in Bedrängnis, die wirtschaftlich ohnehin schlecht dastehen und das ist nicht nur Griechenland.
  4. Wer Zinsen erhöht, stärkt die eigene Währung und verteuert damit über den Wechselkurs seinen Export und verbilligt den eigenen Import. Insofern sind exportorientierte Länder, wie etwa China und die Bundesrepublik Deutschland, an einer schwachen eigenen Währung interessiert.

Aktuell hat die amerikanische Notenbank angekündigt, die Zinsen in 2022 zu erhöhen, während die Europäische Zentralbank in diesem Jahr noch keinen Handlungsbedarf dazu sieht. Das begünstigt Exporteure, die in den Dollarraum liefern, weil durch das Zinsgefälle Geld in Länder mit einer höheren Verzinsung strömt und dazu die Währung dieses Landes gekauft werden muss. Wer in den Dollarraum liefert, wird von der Stärke des Dollars und der Schwäche der eigenen Währung schon durch den Wechselkurs profitieren. Für diejenigen, die mehr importieren als ausführen, ist es andersherum. Insofern werden von dem sich ankündigenden Zinsgefälle zu Gunsten des US-Dollar die Chinesen und die Deutschen Vorteile haben, die stark in den Dollarraum exportieren und die Amerikaner, die sich regelmäßig über eine aus ihrer Sicht ungünstige Handelsbilanz gegenüber den Chinesen und den Deutschen beschweren, als Importeure Nutzen ziehen.

Die Entwicklung dürfte Unternehmer begünstigen. Andere Effekte, wie etwa der Personal- und Materialmangel, Preissteigerungen, insbesondere bei Energie und Rohstoffen, politische Unsicherheiten, das Auslaufen staatlicher Unterstützung für Belastungen durch die Corona-Pandemie, der Beginn der Rückzahlungsverpflichtungen für staatliche Kredite in diesem Rahmen, eine Zombifizierung der Wirtschaft und eine Dämpfung der Innovationskraft durch jahrelange Nullzinspolitik, dürften das Gegenteil bewirken.

 

Der Autor: Prof. Dr. Florian Stapper, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Steuerrecht

Die Erstveröffentlichung des Beitrages erfolgte im EXIS|TENZ MAGAZIN.

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