Personalprofis wissen: Schon kleine Formulierungen in Stellenausschreibungen können juristische Folgen, wie Entschädigungsansprüche haben. Dabei geht es nicht nur um geschlechtsneutrale Sprache. Die Arbeitsrechtskanzlei Wittig Ünalp fasst für W+M-Leser zusammen, was zu beachten ist.
Seit 2006 schreibt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vor, dass Menschen
keine „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des
Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der
sexuellen Identität“ erfahren dürfen. Aus diesem Grund wird Arbeitgebenden unter anderem empfohlen, auf Formulierungen wie „junges dynamisches Team“ oder „Young Professionals“ in Stellenausschreibungen zu verzichten, um keine Diskriminierung wegen des Alters zu indizieren. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschied allerdings letztes Jahr, dass im Fall eines noch nicht lange bestehenden Start-ups die Passage in einer
Stellenausschreibung, dass ein „junges Team mit flachen Hierarchien“ geboten werde, keinen Bezug zum Alter der Mitarbeitenden des Teams aufweist, sondern mehr auf das Bestehen des Unternehmens gerichtet ist. „Es bleibt abzuwarten, ob es sich hierbei um eine
Einzelfallentscheidung handeln wird“, meint Sarah Pieper, Rechtsanwältin und Fachanwältin
für Arbeitsrecht der Kanzlei Wittig Ünalp. Sie empfiehlt deshalb, weiterhin von
entsprechenden Formulierungen in Stellenausschreibungen abzusehen.
Ich habe heute leider kein Foto für Dich
„Ein Bewerbungsfoto enthält stets Hinweise auf Diskriminierungsmerkmale, sei es die
Hautfarbe, das Geschlecht oder auch Anzeichen für eine religiöse Einstellung“, erklärt Sarah
Pieper. Um sich an diesem Punkt möglichst wenig angreifbar zu machen, entscheiden sich
viele Unternehmen dafür, in Stellenausschreibungen ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass
das Beifügen eines Bewerbungsfotos nicht erwünscht ist. „Dieses Vorgehen kann auch aus
datenschutzrechtlichen Aspekten durchaus sinnvoll sein“, so Sarah Pieper. „Grundsätzlich
dürfen aus Gründen der Datensparsamkeit so wenig personenbezogene Daten wie möglich
verarbeitet werden.“ Insofern gehört das Bewerbungsfoto in ihren Augen nicht mehr zu den
„Must-haves“ einer Bewerbung. Das zeigt auch der Blick auf andere Länder wie Kanada oder die USA. Hier sind Bewerbungsfotos nicht mehr üblich. Hintergrund ist auch hier das Gebot der Chancengleichheit.
m/w/d oder d/m/w?
Die Kennzeichnung „m/w/d“ ist mittlerweile gängige Praxis. Ist sie nicht aufgeführt, kann die Ausschreibung als diskriminierend gewertet werden und damit zu erheblichen
Entschädigungszahlungen führen. Denn neben den Geschlechtern „männlich“ und „weiblich“ muss nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2017 im Behördenregister ein drittes Geschlecht einzutragen sein können. Das gebietet bereits das Persönlichkeitsrecht eines jeden Einzelnen. Es sollen intersexuelle Menschen, die sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet fühlen, erfasst werden. Darauf zurückzuführen ist die Nennung eines weiteren Geschlechts, welches vielfach mit „divers“ gekennzeichnet wird. Das sollte auch in Stellenanzeigen berücksichtig werden. Auch wenn sich die Reihenfolge „m/w/d“ etabliert hat, empfiehlt Sarah Pieper die alphabetische Reihenfolge, um eine Diskriminierung möglichst zu vermeiden.
Die Suche nach einem bestimmten Geschlecht
Kann es unter bestimmten Umständen gestattet sein, nach einem Geschlecht zu suchen? Die Antwort lautet: Ja. Das AGG besagt, dass eine unterschiedliche Behandlung wegen des
Geschlechts zulässig ist, wenn das Geschlecht eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, der Zweck rechtmäßig ist und die Anforderungen angemessen sind.
Die Rechtsprechung der vergangenen Jahre zeigt, dass die Regelung jedoch nur sehr
zurückhaltend Anwendung findet. Die Anforderungen an die Zulässigkeit solcher
Ausschreibungen sind sehr hoch. Sarah Pieper empfiehlt daher vor Veröffentlichung einer
Stellenausschreibung mit der Suche nach einem bestimmten Geschlecht stets anwaltlichen Rat einzuholen.
Über Wittig Ünalp:
Die Wittig Ünalp Rechtsanwälte PartGmbB gehört zu den größten Kanzleien für Arbeitsrecht
in Deutschland. Sie wurde 1998 gegründet und berät vornehmlich Unternehmen und
Führungskräfte in allen Fragen des Arbeitsrechts. Für die Kanzlei arbeiten mehr als 35
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, davon 19 Fachanwältinnen und Fachanwälte für
Arbeitsrecht. Wittig Ünalp ist deutschlandweit tätig und unterhält Standorte in Berlin.