In der letzten Woche legte der neue Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck eine bedrückende Eröffnungsbilanz Klimaschutz vor:
„Wir starten mit einem drastischen Rückstand. Die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen sind in allen Sektoren unzureichend. Es ist absehbar, dass die Klimaziele der Jahre 2022 und 2023 verfehlt werden. Aber wir unternehmen alle Anstrengungen, um den Rückstand wettzumachen. Hierzu müssen wir die Geschwindigkeit unserer Emissionsminderung verdreifachen und deutlich mehr in weniger Zeit tun.“
„Wir wollen bis 2045 klimaneutral werden und bis 2030 den Anteil Erneuerbarer Energien auf 80 Prozent steigern. Die Arbeit dafür hat begonnen. Die prioritären Gesetze, Verordnungen und Maßnahmen setzen wir jetzt aufs Gleis – ein erstes Klimaschutz-Paket kommt bis Ende April, ein zweites im Sommer.“
„Das alles ist eine Mammut-Aufgabe. Und es wird einige Jahre dauern, bis wir die Erfolge sehen werden. Aber das, was wir jetzt machen, legt die Grundlage dafür, Klimaschutz und Wohlstand zusammenzubringen.“
So weit so gut, aber wie soll das in der Realität funktionieren, auch wenn jetzt erklärtermaßen der Klimaschutz oberste Priorität besitzt. Klimaschutz geht vor Naturschutz. Das gibt Ärger mit den bekannten Naturschutzverbänden, bislang beste Freunde von Habecks Partei. Atomstrom wird nachhaltig. Dumm gelaufen für Deutschland, aber nicht mehr zu kitten. Die Preise für Strom schießen in die Höhe und machen gerade Unternehmen schwer zu schaffen. Keine Besserung in Sicht. Wie viele Gesetze und Verordnungen müssen mit der neuen Priorität versehen, geändert, abgestimmt und neu formuliert werden? Wie schnell kann das gehen in einem klagefreundlichen Umfeld?
In Habecks Vortrag blitzt manchmal ein Zukunftsbild auf, in dem die Gesellschaft ein neues Miteinander gefunden haben wird, weil es gelungen ist über den “individuellen Betroffenheitsschatten“ zu springen, in der die Wirtschaft erfolgreich, nachhaltig und klimagerecht agiert. Er ist überzeugt davon, dass die Mitwirkung am „großen Projekt“ ein lohnenswertes Ziel ist und auch zu einer Modernisierung von Gesellschaft und Staat beiträgt.
Das Narrativ klingt aber wie das aktuelle Wetter: bedrückend verhangen, schlechte Sicht und manchmal auch Glatteisgefahr. Das große Ziel ist klar: Klimaneutralität bis 2045 und bis 2030 einen Anteil von 80 Prozent bei den erneuerbaren Energien, allerdings klingt es wie eine ungewisse Bedrohung. Aber Ziele müssen nicht nur terminierbar sein, sondern vor allem realistisch und affirmativ. Begeisterung, die von breiten Schichten der Gesellschaft getragen wird, wird es brauchen, um ein solches Mammutprojekt zu stemmen. Dazu bedarf es einer Vision, die attraktiv und erstrebenswert ist. Noch sind wir im Stadium der Bedrohungsszenarien.
Frank Nehring