Donnerstag, April 25, 2024

Mittelstandsmotor Bürgschaftsbanken – Sachsen-Anhalt: Bürgschaften werden auch weiterhin eine große Rolle spielen

Die Bürgschaftsbanken in Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen feiern dieses Jahr gemeinsam ihr 30-jähriges Jubiläum. Kurz nach der Wende wurden die Förderbanken nach westdeutschem Vorbild in den neuen Bundesländern gegründet. Ihr Fazit ist beachtlich: 50.000 Unternehmen unterstützt, 33 Milliarden Euro Investitionen begleitet, eine Million Arbeitsplätze gesichert, davon eine Viertelmillion Arbeitsplätze neu geschaffen.
Grund für Wirtschaft+Markt bei den Geschäftsführern der ostdeutschen Bürgschaftsbanken nachzufragen. Im aktuellen Beitrag antwortet Wolf-Dieter Schwab, Geschäftsführer der Bürgschaftsbank Sachsen-Anhalt GmbH.

Wolf-Dieter Schwab, Geschäftsführer der Bürgschaftsbank Sachsen-Anhalt GmbH. Foto: Bürgschaftsbank Sachsen-Anhalt.

W+M: Wie hat sich die Nachfrage nach Bürgschaften in den vergangenen 30 Jahren entwickelt?

Wolf-Dieter Schwab: Die Entwicklung der Nachfrage nach Bürgschaften in den vergangenen 30 Jahren spiegelt die Entwicklung der Wirtschaft und der Unternehmen in Sachsen-Anhalt wieder:
Bis Mitte der 1990er Jahre gab es eine hohe Welle an Gründungen oder Privatisierungen mittelständischer Unternehmen. Entsprechend groß war aufgrund fehlenden Eigenkapitals und mangelnder Sicherheiten die Nachfrage nach Bürgschaften, pro Jahr übernahm die BB im Schnitt bis zu 500 Bürgschaften und ermöglichte damit insgesamt ein Kreditvolumen von jährlich bis zu 100 Mio. Euro.
In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre setzte eine Konsolidierung ein, in der sich die Nachfrage nach Bürgschaften auf jährlich um die 300 – 400 Stück einpendelte. Die damit insgesamt ermöglichten Kreditvolumen bewegten sich im Schnitt zwischen 70 bis 85 Mio. Euro jährlich.

Zwei Einschnitte in dieser Zeit

Erstens das Jahr 2004, als im Zuge von Basel II Eigenkapitalforderungen und  Sicherheiten eine wachsende Bedeutung erlangten, erreichte die Zahl der Engagements mit 393 Bürgschaften und insgesamt 97,5 Mio. Euro Kreditvolumen noch einmal einen Höchststand. Zweiter Einschnitt: Die Finanzkrise 2008/2009. Nach einem vorherigen Rückgang stieg das jährlich verbürgte Kreditvolumen in den Jahren 2009 – 2011 wieder auf über 80 Mio. Euro, weil die Unternehmen aufgebrauchte Liquiditätsreserven auffüllten.

Seit Beginn der Niedrigzinsphase kommen Unternehmen leichter an Kredite. Das führte zu einem generellen Rückgang der Nachfrage nach Bürgschaften ab 2013. Im letzten Vor-Corona-Jahr verbürgte die BB mit 164 Engagements insgesamt rd. 51,5 Mio. Euro Kreditvolumen.

Nach dem Ende der Pandemie erwartet die BB ein Anziehen der Nachfrage nach Bürgschaften und Beteiligungsgarantien, weil die Unternehmen dann wieder Liquidität auffüllen und verzehrtes Eigenkapital aufstocken müssen.

Foto: Bürgschaftsbank Sachsen-Anhalt

W+M: Was sind die größten Treiber für Bürgschaften? Was sind die größten Bedenken?

Wolf-Dieter Schwab: Generell kann man sagen, dass es die heutige breitgefächerte Unternehmenslandschaft in Sachsen-Anhalt ohne die Förderung durch die Bürgschaftsbank (BB) und ihr Schwesterunternehmen Mittelständische Beteiligungsgesellschaft (MBG) so nicht geben würde. Beide Einrichtungen sind eine tragende Stütze der sehr stark mittelständisch geprägten Wirtschaft in Sachsen-Anhalt und belasten dabei mit ihren Förderinstrumenten nicht den Steuerzahler.
Der größte „Treiber“ für Bürgschaftsengagements und Beteiligungen sind seit einigen Jahren altersbedingte Unternehmensnachfolgen, deren Zahl in den kommenden Jahren noch stark ansteigen wird. Für den Firmenkauf oder die Auszahlung eines Gesellschafters benötigen die Übernehmenden in der Regel eine Fremdfinanzierung, die sich die Banken mit einer Bürgschaft absichern lassen. Ergänzend oder alternativ kann die Übernahme durch eine stille Beteiligung der MBG mitfinanziert werden, für die wiederum die BB eine Garantie übernimmt.
Ein weiteres Thema sind Existenzgründungen, sie machen inzwischen ein Drittel aller Bürgschaften der BB aus.

Zunehmend wichtige Treiber sind die Transformationsprozesse in Unternehmen

Die Digitalisierung in praktisch allen Branchen, für die Unternehmen viel Geld anfassen müssen, sowie notwendige Investitionen in nachhaltige, klimafreundliche Produkte, Technologien und Betriebsstätten. Für diese Transformationsprozesse, die jetzt und mittelfristig auf alle Unternehmen vom Handwerker über den Hotelier bis zum mittelständischen Industriebetrieb zukommen, werden die Bürgschaftsbanken eigene Produktangebote entwickeln, die den Wandel befördern. Denn die Kreditentscheidung einer Hausbank geht heute auch mit der Frage nach der Nachhaltigkeit von Unternehmen und ihrer Geschäftstätigkeit einher.

Probleme

Wegen der Nullzinspolitik haben die meisten Unternehmen Zugang zu sehr günstigen Krediten, das verringert die Nachfrage nach Kreditbürgschaften. Andererseits haben es sehr kleine Unternehmen und Existenzgründer weiterhin schwer, eine Finanzierung zu erhalten. Ein anderes Problem: Es fehlen ausreichend junge Menschen, die als Unternehmer Neues wagen. Auch der Mangel an Fachpersonal in vielen Branchen gefährdet die Geschäftstätigkeit der betroffenen Unternehmen. Drittens und aktuell die Corona-Pandemie: Hier stand die BB als Krisenhelfer bereit. Die Bürgschafts-, Garantie- und Beteiligungsprogramme wurden in Abstimmung mit den staatlichen Rückbürgen den Erfordernissen der Krise angepasst und erweitert, um die Unternehmen mit Liquidität zu versorgen. Nach der Pandemie werden die Unternehmen ihren Eigenkapitalverzehr aufgrund der Umsatz- und Gewinnrückgänge wieder ausgleichen müssen und dafür Investitionen benötigen, die wir als Selbsthilfeeinrichtungen der mittelständischen Wirtschaft mit Bürgschaften und Beteiligungskapital fördern werden.

W+M: Gibt es den typischen Nutzer für Bürgschaften?

Wolf-Dieter Schwab: Den einen „typischen“ Nutzer einer Kreditbürgschaft gibt es nicht, denn Bürgschaften zur Absicherung eines Kredits werden sowohl von jungen Existenzgründern für den Start ihrer neuen Firma (oder den Erwerb einer bestehenden Firma) in Anspruch genommen als auch von gestandenen Unternehmern für Wachstumsinvestitionen. Ihnen gemeinsam und typisch ist aber der Grund, warum ihnen die Kredit gebende Bank eine Bürgschaft empfiehlt oder diese voraussetzt: nicht ausreichendes Eigenkapital und fehlende bankübliche Sicherheiten des Unternehmens.

Als einen „typischen“ Nutzer einer Bürgschaft könnte man also zum Beispiel die junge Informatikerin bezeichnen, die mit einem Erfolg versprechenden neuen Online-Angebot ein Startup gründen will, aber kurz nach ihrem Studium noch nicht über ausreichendes Kapital für die notwendigen Betriebsmittel verfügt. Oder den Handwerksmeister, der zwar seit 20 Jahren erfolgreich seinen Betrieb führt, aber jetzt merkt, dass er seine Geschäftsabläufe digitalisieren und dafür investieren muss, um nicht Kundenaufträge an die Wettbewerber zu verlieren.

Foto: Bürgschaftsbank Sachsen-Anhalt

W+M: Wie bewerten Sie die Unterschiede zwischen ost- und westdeutschen Unternehmern?

Wolf-Dieter Schwab: Ein Unterschied vor allem in den 1990er Jahren war das fehlende Eigenkapital der ostdeutschen Neuunternehmer. In der damaligen Aufbruchstimmung wollten sich viele Menschen ihren Traum von der beruflichen Selbstständigkeit erfüllen, gründeten neue Unternehmen oder übernahmen den ehemals staatlichen Betrieb, in dem sie zuvor angestellt gewesen waren, als „Management buy out“. Wie oft saßen wir einem klugen Ingenieur gegenüber, der für die Umsetzung seiner brillanten Geschäftsidee eine Finanzierung benötigte, aber als Sicherheit für die Bank nicht einmal das berühmte „Omas Häuschen“ vorweisen konnte. In dieser Zeit erwies sich die Gründung der ostdeutschen Bürgschaftsbanken als die richtige Entscheidung, einer mittelständischen Wirtschaft auf die Beine zu helfen.
In den vergangenen Jahren haben die ostdeutschen Unternehmen beim Eigenkapital  aufgeholt. In Sachsen-Anhalt sind allerdings die meisten mittelständischen Unternehmen sehr klein – fast 90 Prozent haben weniger als 10 Mitarbeiter/innen. Und in diesem Segment sind die Banken bei der Kreditvergabe sehr zurückhaltend, so dass Bürgschaften weiterhin eine wichtige Rolle spielen.

W+M: Nennen Sie bitte 10 Unternehmen, auf die Sie besonders stolz sind, weil Sie deren Gründung oder Wachstum maßgeblich unterstützt haben.

Wolf-Dieter Schwab: Hier eine Auswahl von Unternehmen.

Ambulanz Mobile GmbH, Schönebeck
Relaxdays GmbH, Halle (Saale)
Sonotec GmbH, Halle
Qtec Kunststofftechnik GmbH, Quedlinburg
Schüssler Novachem GmbH, Halle
Wheelworld GmbH, Ilsenburg
Baby Sweets GmbH, Leuna
Hasseröder Burghotel GmbH & Co. KG, Wernigerode
Hasseröder Ferienpark, Wernigerode
Harzdrenalin GmbH, Oberharz am Brocken
Urwahn Engineering GmbH, Magdeburg
Alpha-Signs GmbH, Landsberg

Interview: Frank Nehring

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