Die Wirtschaft ist in Zeiten der Pandemie besonderen Herausforderungen ausgesetzt. Gerade die vornehmlich klein- und mittelständischen Unternehmen in den neuen Bundesländern mussten sich auf die Krisenbedingungen einstellen und brachten dafür Rat und Tat. Die Industrie- und Handelskammern waren wichtige Ansprechpartner. W+M sprach auch mit dem Hauptgeschäftsführer der IHK Rostock Thorsten Ries darüber.
Industrie- und Handelskammern in Zeiten von Corona
Thorsten Ries: Die Unternehmerinnen und Unternehmer haben uns verstärkt in Anspruch genommen. Als IHK zu Rostock konnten wir verdeutlichen, wie wir den Unternehmen zur Seite stehen. Mit unserer Initiative „#GemeinsamSTARK“ haben wir aufgezeigt, bei welchen Themen wir für die Unternehmen da sind: mit umfangreichen aktuellen Informationen, einer guten Beratung der Unternehmen und der Politik sowie der Interessenvertretung.
Zwar fiel durch die Corona-Schutzmaßnahmen der von uns so geschätzte persönliche Kontakt zu den Unternehmen oftmals weg. Doch konnten wir auf dem digitalen und hybriden Weg sehr schnell agieren. Das war vorteilhaft, denn so konnten wir die Anliegen der Unternehmen aus unserem IHK-Bezirk direkt an die verantwortliche Politik adressieren und in Task Forces einbringen, die das Land zusammengestellt hatte.
Die Herausforderungen, die die Corona-Pandemie mit sich gebracht hat, hat auch zu neuen Formaten geführt. So haben wir gleich zu Jahresbeginn einen hybriden Round-Table für die Veranstaltungsbranche initiiert. Dort kamen erstmals auch ganz unterschiedliche Veranstalterinnen und Veranstalter zusammen, wir haben damit eine Plattform für einen noch besseren Austausch der Branche geschaffen. Aus der Krise gelernt haben wir, dass wir als IHK zu Rostock in einem Flächenland wie dem unseren auch unabhängig von Corona-Beschränkungen weiterhin hybride Formate anbieten werden. Diese wurden gut angenommen, tragen zu Zeit- und Ressourceneffizienz bei und sie sind zeitgemäß. Wir werden nun sukzessive auf den Prüfstand stellen, welche hybriden und digitalen Formate für die Mitgliedsunternehmen einen Mehrwert haben und wann der Austausch in Präsenz zielführender ist.
W+M: Wie bewerten die IHK die Maßnahmen, den wirtschaftlichen Schaden durch die Corona-Krise abzufedern? Waren sie ausreichend?
Thorsten Ries: Die Unternehmerinnen und Unternehmer würden gewiss antworten, dass die Maßnahmen nicht ausgereicht haben. Auf die Ausgestaltung des größten Teils der konkreten Maßnahmen hatten wir als IHK zu Rostock nur bedingt Einfluss, denn Vieles erfolgte auf Bundesebene. Positiv hervorheben möchte ich die Marktpräsenzprämie, die das Land Mecklenburg-Vorpommern aufgelegt hat. Stationäre Einzelhändlerinnen und Einzelhändler konnten vom Land Mecklenburg-Vorpommern eine einmalige Marktpräsenzprämie in Höhe von 5.000 Euro erhalten. Mit der Pauschale hat das Land Einzelhändlerinnen und Einzelhändler bei Maßnahmen zur Erhöhung der Marktpräsenz, also z. B. bei Werbemaßnahmen, bei der Umsetzung eines Internetauftritts oder Onlineshops unterstützt. Antragsberechtigt waren Unternehmen einschließlich Soloselbstständige aus dem stationären Einzelhandel, die einen Corona bedingten durchschnittlichen Umsatzrückgang in den Monaten November und Dezember 2020 oder Januar und Februar 2021 von mindestens 70 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum haben. Die Antragsfrist endete am 31. Mai 2021. Dank des guten Miteinanders von IHKs und Politik wurde auf diese Weise etwas auf den Weg gebracht, das andere Bundesländer in dieser Form ihren Unternehmen nicht geboten haben.
W+M: Was braucht die Wirtschaft als Perspektive, um die Corona-Krise zu überwinden?
Thorsten Ries: Zunächst: Die Wirtschaft braucht eine Perspektive. Um diese zu haben, müssen Bund und Land gemeinsam an einem Strang ziehen. Inhaltlich geht es dabei um so relevante Kernthemen wie beispielsweise die lebendige Innenstadt oder die Digitalisierung. Dabei geht es auch um Transparenz. Wichtig ist, dass die Wirtschaft der Politik diese Kernthemen ins Stammbuch schreibt und wie ein Luchs darauf achtet, dass die Politik diese Forderungen auch umsetzt. Unseren Landespolitikern haben wir als IHK immer wieder deutlich gemacht: Bei sehr vielen Themen ist es nicht zielführend, in Legislaturperioden zu denken. Viele Themen müssen jetzt angeschoben und umgesetzt werden und dulden keinen Aufschub.
W+M: Wie wichtig ist die Zusammenarbeit zwischen den 14 ostdeutschen Kammern?
Thorsten Ries: Der Austausch der ostdeutschen Kammern ist sehr wichtig, die Zusammenarbeit vertrauensvoll. Das bedeutet: Jeder ist bereit, sein Wissen zu teilen und jeder hat den Anspruch, dass wir einen ganzheitlichen Ansatz sehen.
Themenfeld: IHK im Wahljahr
W+M: Wie bewerten Sie die Situation der Wirtschaft in ihrem Kammergebiet? Erfolge und Herausforderungen?
Thorsten Ries: Der Wert der Ausfuhren aus Mecklenburg-Vorpommern hat sich gegenüber dem Jahr 2005 (knapp 2,8 Mrd. Euro) bis zum Jahr 2020 (mit gut 8,6 Mrd. Euro bisheriger Ausfuhrrekord) fast verdreifacht. Über die Jahre ist der Trend bei den Ausfuhren positiv. Dies zeigt, dass die MV-Wirtschaft internationaler geworden ist. Gleichwohl dürften immer noch viele Betriebe, die export- und wettbewerbsfähige Produkte/Leistungen in ihrem Portfolio haben, aus verschiedenen Gründen immer noch nicht auf Auslandsmärkten agieren. Kammern und die Landesregierung MV motivieren die Betriebe stetig, hier noch bestehende Potenziale zu erschließen. Die vergangenen Jahre haben gezeigt: Bei „Störungen“ des Exports durch eine internationale/weltwirtschaftliche Rezession ist MV hinsichtlich der Auswirkungen auf das BIP weniger anfällig als andere – exportstarke – Bundesländer, andererseits fallen BIP-Zuwächse bei einem konjunkturellen weltwirtschaftlichen Aufschwung geringer aus.
Großes Potenzial sehen wir in unserer Region auch als Energieland. Denn die Geschichte hat gezeigt: Industrie folgt der Energie. Hier gibt es viele Chancen für unser wind- und sonnenreiches Bundesland, das infrastrukturell mit der Anbindung an den Ostseeraum und mit der Kaikante beste Voraussetzungen bietet.“
W+M: Welche speziellen Forderungen haben Sie an die neue Bundesregierung?
Thorsten Ries: Die Belastungen für die Unternehmen dürfen nicht zunehmen. Die Unternehmen haben infolge der Corona-bedingten Einschränkungen gelitten, viele müssen nun Kapital aufnehmen für zu tätigende Investitionen – da darf nun nicht mehr Belastung auf sie zukommen.
W+M: Welche Reformen sind aus Sicht der IHK dringend geboten?
Thorsten Ries: Seit vielen Jahren fordern wir als IHK zu Rostock einen echten Bürokratieabbau. Im Landtagswahlkampf konnten wir beobachten, dass alle Parteien inzwischen diese Forderung aufgegriffen haben, Stichwort: .One in – one out‘ oder gar ,two out‘, das bedeutet: Sobald neue Regeln entstehen, werden andere gestrichen. Das ist schon mal gut. Besser wird es aber erst dann, wenn durch die Politik auch die Umsetzung dieser Forderung erfolgt.
W+M: Wie kann Klimaschutz und Wirtschaft aus Sicht der IHK miteinander vereinbart werden?
Thorsten Ries: International leisten gerade auch die regionalen Unternehmen einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz – Stichwort: Global denken – regional handeln. Es liegt meistens in der DNA der ehrbaren Kaufleute, auf die Nachhaltigkeit ihres Unternehmens zu schauen. Langfristig dürfte dieser Aspekt der Corporate Social Responsibility zu Wettbewerbsvorteilen für die regionalen Unternehmen führen – als IHK zu Rostock sehen wir dies – wenn es dem Gesamtinteresse der regionalen Wirtschaft dient – mit Wohlwollen.