Es gibt eine Unmenge von Handlungsempfehlungen für den Unternehmer zu den wirtschaftlichen und rechtlichen Möglichkeiten der Sanierung, aber so gut wie nichts zur Psyche. Als wenn das kein Problem wäre. Dabei ist bekannt, dass es kaum eine größere psychische Belastung gibt, als wenn die eigene Firma vor der Insolvenz steht. Von Prof. Dr. Florian Stapper.
Psychische Widerstandskraft, Hartleibigkeit und Robustheit, die auch als Resilienz bezeichnet wird und in der Krise notwendig ist, hat nicht jeder. Professionelle Sanierer, Restrukturierer, Sach- und Insolvenzverwalter verfügen daher auch über psychologische Kenntnisse und Erfahrungen und stehen dem zu Sanierenden in der Krise auch insofern als „Fels in der Brandung“ zur Seite. Dabei ist Folgendes wichtig:
- Wer (drohend) insolvent ist, hat häufig einen langen Leidensweg hinter sich. Die meisten wirtschaftlichen Schieflagen kommen nicht über Nacht.
- Wer saniert werden muss, hat regelmäßig nicht nur wirtschaftliche Probleme. Gemäß dem Grundsatz “ein Unglück kommt selten allein“ gesellen sich gesundheitliche, familiäre und andere Schwierigkeiten gern dazu.
- In der Krise nimmt die Anzahl der Freunde erfahrungsgemäß ab. Wer wirtschaftliche Probleme hat, fühlt sich oft allein.
- Bei Insolvenzgefahr fehlt den Handelnden oft die Perspektive. Das führt zu Unsicherheit bei allen Beteiligten.
- Menschen in Krisen befinden sich in extremen Lebenssituationen. Wer mit dem Rücken an der Wand steht, meint gern, er hätte nichts mehr zu verlieren und verhält sich auch so.
Wer vor und nach der Insolvenz professionell saniert, kümmert sich daher auch um die Psyche desjenigen, der saniert wird. Dazu muss der Sanierer schnell Vertrauen zu den Beteiligten, aber auch zu dem zu Sanierenden aufbauen, was häufig schon deshalb keine leichte Aufgabe ist, weil in vielen Fällen schon alle möglichen Ankündigungen gemacht und nicht eingehalten wurden. Danach gilt es, schnell eine Perspektive zu entwickeln, die Beteiligten davon zu überzeugen, den Sanierenden mitzunehmen und mit der Umsetzung zu beginnen. Die Sanierung entspricht insofern auch einem Boxkampf. Der Sanierer steigt daher mit in den Ring und lässt seinen Auftraggeber wissen, dass er ein ganz erfahrener Boxer ist. Er hat schon häufig gekämpft, ist auch schon „auf die Bretter“ gegangen, hat aber noch nie verloren und nach 12 Runden ist der Kampf vorbei, sofern der Gegner nicht vorher aufgegeben hat oder durch k. o. ausscheidet. Der Sanierer darf nicht wackeln, denn in entscheidenden Verhandlungen und Gesprächen halten sich viele – auch der Insolvente – an seiner klaren Perspektive und seinem unerschütterlichen Willen zum Erfolg fest. Wer so saniert, holt das letzte bisschen Resilienz aus dem zu Sanierenden heraus und trägt so entscheidend dazu bei, dass der Insolvente recht bald wieder kraft- und motivationsvoll sein Unternehmen alleine – ohne den Sanierer – führen kann.
Der Autor:
Prof. Dr. Florian Stapper, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Steuerrecht, Leipzig