Was für Insolvenzverwalter schlechte Zeiten sind, bedeutet für die Wirtschaft normalerweise, dass sie brummt. In Zeiten der Krise sehen wir aktuell wenig Insolvenzen, ohne dass es der Wirtschaft sonderlich gut geht. Und das hat seine Gründe. Lesen Sie, wie unser W+M-Experte Prof. Dr. Florian Stapper die Situation einschätzt.
2020 war für Insolvenzverwalter ein schlechtes Jahr. Die Anzahl der Insolvenzverfahren ist im Verhältnis zum Vorjahr deutlich zurückgegangen und die Entwicklung war schon in den Jahren davor nicht gut. Vor Ausbruch der Corona-Pandemie im Jahr 2020 hatten viele Insolvenzverwalterbüros zum Teil ganz erheblich Personal und Kapazität abgebaut und 2020 kam dann noch die Corona-Pandemie. Man könnte sagen: Zunächst hatten Insolvenzverwalter lange Jahre kein Glück mehr – die Anzahl der Insolvenzverfahren hatte sich ständig vermindert – und dann kam auch noch Pech – die Corona-Pandemie – dazu.
Pandemiebedingt hat sich der Markt der Insolvenzverwaltung 2020 deutlich verzerrt: Der Gesetzgeber hatte die Insolvenzantragspflicht bis zum 30.09.2020 ausgesetzt und bis zum 30.12.2020 – wenn auch nur wegen Überschuldung – verlängert. Nach einer weiteren Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis Ende Januar 2021 wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung, ist die Insolvenzantragspflicht dann bis zum 30.04.2021 noch einmal aufgehoben worden. Voraussetzung ist stets, dass eine wirtschaftliche Schieflage auf der Corona-Pandemie beruht, Insolvenzgründe zum Jahresende 2019 nicht vorgelegen haben und einiges mehr. Die Hauptantragsteller von Insolvenzverfahren, Finanzämter und Sozialversicherungsträger, stunden Forderungen während der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sehr großzügig und der Staat hilft Unternehmen in Schwierigkeiten mit Beihilfen, Krediten und anderen Förderinstrumenten in einem nie dagewesenen Umfang.
Nachdem es einen Impfstoff gegen das Coronavirus gibt, werden Sozialversicherungsträger ab Mitte 2021 gestundete Forderungen beitreiben und der Staat wird seine Förderung kontinuierlich zurückfahren, Steuerstundungen werden auslaufen und Kredite müssen irgendwann auch zurückbezahlt werden. Das dürfte ab Mitte 2021 zu einer ganz erheblichen Bereinigung der Wirtschaft von solchen Unternehmen führen, die mit den zahlreichen pandemiebedingten Sonderzuwendungen noch überleben konnten, ohne diese Maßnahmen aber kaum eine Daseinsberechtigung haben. Im Übrigen dürften sich strukturelle Veränderungen der Wirtschaft, etwa vom Präsenz- in den Onlinehandel auswirken.
Der Gesetzgeber hat die anrollende Welle wirtschaftlicher Probleme vieler Unternehmen im Blick und hat durch ein Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts eine EU-Richtlinie umgesetzt und mit Beginn des Jahres 2021 einen Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen geschaffen, der die vorinsolvenzliche Sanierung erleichtern soll. Außerdem soll die Restschuldbefreiung für natürliche Personen in drei Jahren erlangt werden können.
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie werden das Geschäft der Sanierer und Insolvenzverwalter daher ab Mitte 2021 deutlich beleben. Im Vorteil werden diejenigen sein, die als Sanierer wirklich sanieren und sich nicht nur als sogenannte Unternehmensberater generieren. Scheitert die vorinsolvenzliche Sanierung, kommt es auf die Auswahl eines geeigneten (vorläufigen) Sach- oder Insolvenzverwalters an. Hier werden diejenigen (vorläufigen) Sach- oder Insolvenzverwalter ihren Marktanteil ausbauen können, die über ausgewiesenen wirtschaftlichen und psychologischen Sachverstand verfügen und Betriebe auch fortführen und gemeinsam mit professionellen Sanierern restrukturieren und danach wieder aus der Insolvenz hinausführen können. Ab Mitte 2021 wird sich auch zeigen, ob die neuen Sanierungsinstrumente ihre Bewährungsprobe bestehen.
Der Autor: Prof. Dr. Florian Stapper, Rechtsanwalt. Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Steuerrecht, Leipzig