Ostdeutschland verfügt über eine eindrucksvolle Dichte an weltweit anerkannten Forschungseinrichtungen und Universitäten. Hier wird an Lösungen für drängende Fragen der Zukunft etwa in der Medizintechnik, der Energieversorgung oder der Mobilität geforscht. In enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft entstehen so innovative Produkte und Verfahren. WIRTSCHAFT+MARKT stellt in einer neuen Serie die spannendsten und innovativsten Forschungsstandorte zwischen Ostsee und Erzgebirge vor.
Teil 2: Mecklenburg-Vorpommern
Fraunhofer-Institut für Großstrukturen in der Produktionstechnik IGP
Ort: Rostock
Forschungsfelder: Fertigungstechnik, Produktionssysteme und Logistik
Das Rostocker Fraunhofer IGP erarbeitet gemeinsam mit Kooperationspartnern aus der Industrie Konzepte für Produkt- und Prozessinnovationen. Das Augenmerk gilt dabei dem Schiff- und Stahlbau, der Energie- und Umwelttechnik, dem Schienen- und Nutzfahrzeugbau sowie dem Maschinen- und Anlagenbau. Seit 2020 gehört das ehemals eigenständige Institut in der Rostocker Südstadt offiziell zur Fraunhofer-Gesellschaft und ist damit mit rund 200 Mitarbeitern das erste Fraunhofer-Institut mit Hauptsitz in Mecklenburg-Vorpommern.
Ein Forschungsschwerpunkt der Rostocker wird künftig das Thema Werft 4.0 sein. Dabei geht es unter anderem um die Forschung zu Fertigungstechniken und Werkstoffen unter Wasser. Am Wachstumskern OWSplus – Floating Offshore Wind Solutions des Bundesforschungsministeriums ist das IGP ebenfalls beteiligt: In diesem Projekt entwickeln die Partner Lösungen für schwimmende Windparks. Auch an Folienbeschichtungssystemen als Korrosionsschutz für Offshore-Windkraftanlagen oder an der Verbesserung der Schweißnahtqualität beim Unterwasser-Schweißen wird in Rostock geforscht.
Dabei gehört die Zusammenarbeit mit Partnern aus der Industrie fest zum Forschungsprofil der Rostocker. Beispiel: Mit der Stralsunder Ostseestaal GmbH & Co.KG und der Universität Rostock wird ein Handhabungssystem für die automatisierte kaltplastische Umformung von Grobblechen für den Schiffbau und den Bereich der erneuerbaren Energien entwickelt. Ein weiteres Zukunftsthema am Fraunhofer IGP: Gemeinsam mit weiteren Unternehmen und Forschungseinrichtungen das Land Mecklenburg-Vorpommern als Zentrum der Wasserstoffwirtschaft auf der Landkarte etablieren.
Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie (INP)
Ort: Greifswald
Forschungsbereich: physikalische Plasmen
Das Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e.V. (INP) in der Hansestadt Greifswald zählt zu den größten außeruniversitären Forschungseinrichtungen für Niedertemperaturplasmen in Europa. Die Greifswalder forschen an plasmagestützten Verfahren und Technologien, die etwa zur Beschichtung von Oberflächen, zur Dekontamination von Lebensmitteln, zur Reinigung von Abwasser und Abluft, aber auch in der Medizin eingesetzt werden können.
Das INP ist zudem leitende Einrichtung des CAMPFIRE Bündnisses der Region Nord-Ost, in dem sich über 30 hauptsächlich regionale Partner die dezentrale Herstellung grünen Ammoniaks aus Luft, Wasser und erneuerbaren Energien zum Ziel gesetzt hat. Dieser soll beispielsweise als emissionsfreier Schiffstreibstoff genutzt werden. Hier hilft das INP, die Energiebranche mit der maritimen und chemischen Industrie zu verknüpfen. In Kooperation mit der Universität Greifswald konnte zudem die weltweit erste Professur für Plasmamedizin initiiert werden.
Das INP forscht marktorientiert, die Innovationen der Greifswalder sind bereits in marktfähige Produkte und Dienstleistungen überführt worden. Im Rahmen eines Spin-off-Konzepts wurden in den vergangenen Jahren erfolgreiche Ausgründungen in der Region angeschoben. Dazu zählt die neoplas med GmbH, die am Einsatz von kaltem Plasma in der Medizin arbeitet. Ein wichtiger Erfolg des Unternehmens: kINPen® MED, der erste CE-zertifizierte Atmosphärendruck-Plasmajet, der als Medizinprodukt zur Behandlung von Wunden und erregerbedingten Erkrankungen der Haut zugelassen ist. Das Spin-off Nebula Biocides GmbH entwickelt das Zwei-Komponenten-Desinfektionssystem Sporosan. Das neuartige Desinfektionsmittel basiert auf Wasser und ist im Gegensatz zu herkömmlichen Lösungen nicht entflammbar und äußerst kostengünstig.
Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP)
Ort: Greifswald
Forschungsfelder: Plasmaphysik, Fusionsforschung
Grundlagenforschung mit Weltgeltung: Das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) mit den Standorten im bayerischen Garching und in Greifswald erforscht die physikalischen Grundlagen für ein Fusionskraftwerk, das Energie aus der Verschmelzung von leichten Atomkernen gewinnen soll. In dem 1994 gegründeten IPP-Teilinstitut Greifswald wird die Fusionsanlage Wendelstein 7-X betrieben.
Die Experimentieranlage, die weltweit größte ihrer Art, soll die Kraftwerkstauglichkeit von Fusionsanlagen des Typs „Stellarator“ nachweisen. Ziel der Fusionsforschung ist es, ein klima- und umweltfreundliches Kraftwerk zu entwickeln. Ähnlich wie die Sonne soll es aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie gewinnen, ohne dass große Mengen hochradioaktiver Stoffe anfallen wie es bei der Kernspaltung der Fall ist.
Friedrich-Loeffler-Institut Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit
Ort: Greifswald – Insel Riems
Forschungsbereich: Tiergesundheit
Die Corona-Pandemie rückte auch dieses in Deutschland einzigartige Forschungsinstitut in die Schlagzeilen. Denn rund 75 Prozent aller neu auftretenden Infektionskrankheiten beim Menschen haben ihren Ursprung im Tierreich. Diesen Zoonosen, zwischen Mensch und Tier übertragbaren Krankheiten, ist das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) als Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit auf der Insel Riems auf der Spur. Zur Früherkennung und Bekämpfung solcher Infektionskrankheiten ist das FLI in zahlreiche nationale und internationale Forschungsprojekte eingebunden. Zur Eindämmung der Corona-Pandemie wurden etwa Untersuchungen unternommen, welche Gefahr für Nutztiere wie Schweine, Hühner oder Rinder besteht.
Im Rahmen des BMBF-Programms „Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation“ engagiert sich das FLI beispielsweise bei „InfectControl 2020“, einem Konsortium aus verschiedenen Wirtschaftsunternehmen und akademischen Partnern: Ziel ist die Entwicklung von Strategien zur frühzeitigen Erkennung, Eindämmung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten.
Daneben unterstützt das FLI Aktivitäten im Bereich der Entwicklung neuer Impfstoffe. In einem Verbundprojekt mit der Universität Freiburg und dem Vakzinehersteller CEVA (vertreten mit einem Standort in Greifswald – Riems) soll beispielsweise ein Impfstoff gegen die Schweinegrippe entwickelt werden. In Kooperation mit dem US-amerikanischen Impfstoffhersteller Zoetis Inc. werden vergleichende Untersuchungen von Impfstoffkandidaten gegen die Afrikanische Schweinepest durchgeführt.
Am Hauptstandort auf der Insel Riems arbeiten 450 Mitarbeiter, weitere Standorte befinden sich in Jena und in Niedersachsen. Wegen des besonderen Forschungsgegenstands verfügt das FLI auf Riems über Sicherheitslabore, die zum Teil in Europa einzigartig sind.
Institut für Regenerative EnergieSysteme IRES
Ort: Stralsund
Forschungsfelder: Regenerative Energiesysteme
Die Hochschule Stralsund betreibt wirtschaftsnahe Forschung in den Bereichen Elektrotechnik, Informatik, Maschinenbau und Wirtschaft. Seit 2009 stehen am Institut für Regenerative EnergieSysteme die Nutzung erneuerbarer Energiequellen und der Wasserstofftechnologie im Fokus. Jüngst ist den Stralsundern mit der hauseigenen Methanol-Synthese-Anlage erstmals die direkte Produktion von Methanol aus Wasserstoff und Kohlendioxid gelungen. Die Wissenschaftler haben damit gemeinsam mit Partnern der bse Engineering Leipzig GmbH den problemlosen Einsatz von Wasserstoff als Energieträger für die Wirtschaft ermöglicht. Das Institut gilt als international angesehenes Kompetenzzentrum zur Speicherung, Wandlung und zum Einsatz Erneuerbarer Energien. Und es ist wesentlicher Treiber einer Wasserstoffregion Rügen-Stralsund.
Leibniz-Institut für Katalyse (LIKAT)
Ort: Rostock
Forschungsfelder: Katalyseforschung
Das Leibniz-Instituts für Katalyse e.V. an der Universität Rostock (LIKAT), 1952 gegründet, ist eines der größten öffentlich geförderten Forschungsinstitute im Bereich der angewandten Katalyse in Europa. Es gehört zu den europaweit führenden
Forschungseinrichtungen bei der Entwicklung von homogenen und heterogenen Katalysatoren. Forscherinnen und Forscher des LIKAT veröffentlichen jährlich fast 250 Artikel in anerkannten Fachjournalen weltweit.
Gegenwärtig arbeitet das LIKAT beispielsweise im Forschungsvorhaben E4MeWi unter Leitung des Berliner Start-ups CreativeQuantum mit Chemikern und Ingenieuren aus ganz Deutschland an einer Chemiefabrik in Containergröße, die hocheffizient Methanol aus Wasser, Kohlendioxid und Erneuerbaren Energien produzieren soll. Damit könnten in einigen Jahren auch kleine und mittelständische Unternehmen sowie regionale Versorger dezentral und umweltfreundlich Methanol herstellen. Die Rostocker arbeiten eng mit großen Konzernen wie Evonik oder Henkel zusammen. So zum Beispiel bei der Entwicklung eines Klebstoffs aus Reststoffen der Papierindustrie.
Institut für ImplantatTechnologie und Biomaterialien e.V. (IIB e.V.)
Ort: Rostock
Forschungsfelder: Medizintechnik
Das Institut für ImplantatTechnologie und Biomaterialien e.V. (IIB e.V.) wurde 1996 im Rostocker Ortsteil Warnemünde gegründet. Das IIB ist eine gemeinnützige, außeruniversitäre und wirtschaftsnahe Forschungseinrichtung. Seit dem Jahr 2013 ist es zudem ein An-Institut der Universität Rostock. Der IIB e.V. beherbergt das Kompetenzzentrum für Medizintechnik Mecklenburg-Vorpommern und ist Partner des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Rostock.
Mit seinen aktuell 33 Mitarbeitenden sind die Warnemünder Forschungs- und Entwicklungspartner der Medizintechnikindustrie. Durch die Unterstützung der regionalen Industrie und die enge Hochschulkooperation trägt der IIB e.V. wesentlich zum Ausbau Mecklenburg-Vorpommerns als Technologiestandort bei. Geprägt wurde das Institut von seinem Direktor, Professor Klaus-Peter Schmitz. 1998 gelang ihm die Ausgründung und Ansiedelung des Medizintechnikunternehmens CORTRONIK. Das Unternehmen, ein Tochterunternehmen der BIOTRONIK-Gruppe, beschäftigt mittlerweile 450 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und gehört damit zu einem der größten Arbeitgeber in Rostock.
W+M-Serie:
Exzellente Forschung im Osten
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Teil 1 – Brandenburg
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