Samstag, Juli 27, 2024

Auslandsmärkte bleiben für Ostdeutschland wichtig

Interview mit Michael Kotzbauer, Vorsitzender des Vorstands des Ostdeutschen Bankenverbandes, zu den Folgen von Corona für die ostdeutsche Exportwirtschaft und den Umbau der Automobilindustrie. Von Matthias Salm

W+M: Die deutsche Exportwirtschaft hat in der Corona-Pandemie einen starken Einbruch erlebt. Wie lange wird der Weg zu einer Erholung der Märkte dauern?

Michael Kotzbauer: Diese Frage kann derzeit niemand seriös beantworten. Auch wenn wir uns auf einem guten Weg der Besserung befinden, ist es gegenwärtig noch nicht absehbar, wann das Vor-Krisen-Niveau erreicht sein wird. Erfreulich ist deshalb schon jetzt, dass etwa in den Umfragen des Ifo-Instituts die Exporterwartungen wieder ansteigen und sich ein vorsichtiger Optimismus verbreitet. Dennoch bleibt die Situation vage. Es wird stark darauf ankommen, wie lange die Pandemie noch andauert, ob es eine spürbare zweite Welle und einen erneuten Lock-Down gibt. Auch ist entscheidend, wie sich die Situation bei den wichtigen Handelspartnern entwickelt, allen voran in China und den USA – Stichwort Präsidentschaftswahlen.

W+M: Wie sehr hat die Corona-Krise die ostdeutsche Exportwirtschaft getroffen?

Michael Kotzbauer: Die Folgen der Pandemie haben starke Auswirkungen auf das gesamte Exportgeschäft. Das betrifft Ost wie West. In den Schlüsselbranchen wurden deutliche Exportrückgänge verzeichnet. Für den ostdeutschen Maschinenbau etwa gingen die Auslandsaufträge um 20 Prozent zurück. Die Automobilindustrie in Sachsen erlitt ein Minus von 38 Prozent. Jedoch zeichnet sich bereits eine leichte Erholung ab.

W+M: Der Automobilbau und seine Zuliefererindustrie befanden sich schon vor Corona in einem starken Wandel. Wie sieht die Situation jetzt aus?

Michael Kotzbauer: Der Auftragsrückgang in der Zuliefererindustrie in den ostdeutschen Bundesländern hat den sich bereits vor Corona abzeichnenden Anpassungsbedarf in der Autobranche verschärft. Die Branche wird aber für Ostdeutschland bedeutsam bleiben.

W+M: Bietet der Umbau der Branche in Ostdeutschland auch Chancen?

Michael Kotzbauer: So ist es. Die Automobilindustrie bleibt sicherlich eine Schlüsselindustrie. Allein in Sachsen und Mitteldeutschland arbeiten über 185.000 Beschäftigte in diesem Bereich, darunter viele, die sich bereits mit Transformationsthemen befassen. Wichtig ist, dass der Umbau der Branche gelingt, Forschung und Entwicklung und Innovation in den Bereichen Elektromobilität und autonomes Fahren vorangetrieben werden. Ist man hier erfolgreich, kann sich Ostdeutschland ganz vorn in diesen Bereichen positionieren.

W+M: Inwieweit müssen die Export-Unternehmen ihre Geschäftsmodelle in Folge der gegenwärtigen Situation neu ausrichten?

Michael Kotzbauer: Unternehmen, die stark von der Unterbrechung der Lieferketten betroffen waren, werden darüber nachdenken, inwieweit ihr Geschäftsmodell umstrukturiert werden muss. Dies beinhaltet zum Beispiel, ob man weiter auf just-in-time Produktion setzt oder doch höhere Lagerhaltungskosten in Kauf nimmt und dafür mehr Planungssicherheit erlangt. Wichtig bleibt aber, dem Auslandsmarkt nicht den Rücken zu kehren.

W+M: Welche Maßnahmen sollte die Politik nun zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Ostdeutschland einleiten?

Michael Kotzbauer: Sie sollten vor allem darauf abzielen, die Innovationskraft, Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der ostdeutschen Unternehmen zu stärken. Die Konjunkturpakete der Bundesregierung und Länder zielen in Teilen schon darauf ab, und gerade die Wasserstoffstrategie birgt große Chancen für den Standort. Wichtig ist aber auch die aktive Unterstützung und Anwerbung von Start-ups. Für die Exportwirtschaft sollten bestehende Instrumente der Exportfinanzierung gestärkt und angepasst werden. Wir begrüßen, dass die Hermes-Deckung der Bundesregierung auch auf marktfähige Risiken erweitert wurde. Wichtig ist auch eine Ausformulierung beziehungsweise die Anpassung konkreter Außenwirtschaftsstrategien der ostdeutschen Bundesländer.

W+M: Wie können die ostdeutschen Banken die exportierenden Unternehmen dabei unterstützen?

Michael Kotzbauer: Unsere Mitglieder, die privaten Banken, stehen als Finanzierungspartner des Mittelstandes an der Seite der Unternehmen und beraten sie in Möglichkeiten der Exportfinanzierung. Insbesondere jetzt können wir sie bei der Absicherung von Exportgeschäften unterstützen und durch unser Fachwissen und weltweites Netzwerk sachkundige Risikobewertungen für die Auslandsmärkte anbieten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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