Sonntag, Dezember 22, 2024

Veränderung ist das neue NORMAL – Wie werden wir in Zukunft arbeiten? Arbeitswelten neu gedacht

Sie arbeiten überall: im Café, zu Hause, im Einzelbüro oder im MultiSpace. Sie treffen sich in virtuellen Meetings und physisch im klassischen Konferenzraum. Manche spontan, andere geplant, sie arbeiten allein konzentriert, kollaborativ, linear oder agil. Sie sind 24/7 on oder halten sich an 9 to 5. Die modernen Büroarbeiter nutzen flexibel Raum, Zeit und Strukturen, um ihre Aufgaben auszuführen. Der ehemals feste Rahmen, das zeigen die Entwicklungen, wird mehr und mehr einer Flexibilisierung in der Arbeitsorganisation weichen. Das bedeutet nicht nur, dass es möglich sein sollte, jeden Tag den Arbeitsort neu zu wählen, sondern auch Arbeitsumgebungen zu schaffen, die verschiedene Optionen für Besprechungen, Brainstorming und Coworking gewährleisten. Umgebungen, die mit entsprechender Technologie ausgestattet sind und die Möglichkeit bieten, mit anderen Teammitgliedern in Kontakt zu bleiben, die sich gerade an einem anderen Standort aufhalten. Von Sebastian Saatweber

Die Entwicklung hin zum orts- und zeitunabhängigen Arbeiten ist keineswegs neu, doch erfährt sie im Zuge der Pandemie eine neue Richtung, mit der wesentliche Fragen verbunden sind: Was können Unternehmen von den aktuellen Herausforderungen lernen? Wie, wann und wo wollen und werden wir in Zukunft arbeiten? Wie lässt sich sicherstellen, dass das Unternehmen auch in Zukunft schnell und anpassungsfähig ist? Kann das Büro als primärer Arbeitsort, so wie wir es kennen, Schritt halten oder wird es langfristig von der Bildfläche verschwinden?

Arbeit und ihre Methoden haben sich, insbesondere durch die technologischen Innovationen der letzten Jahrzehnte, rasant verändert.

Neue Technologien ermöglichen es uns, vernetzt, mobil und selbstbestimmt zu arbeiten. Unsere bisherigen Arbeitsumgebungen mit ihren Richtlinien und Gepflogenheiten scheinen der Entwicklungen jedoch immer etwas hinterherzuhinken. Es gibt sie noch, die endlos langen, dunklen Büroflure mit ihren davon abgehenden, durchaus großzügigen Einzelbüros, in denen die Mitarbeiter unter den Augen der Führungskräfte unterschiedlichsten Tätigkeiten in Präsenzarbeitszeit nachgehen. Zu jener Zeit entsprechend der Arbeitsanforderungen entwickelt, sind sie nicht mehr auf heutige und zukünftige Anforderungen ausgerichtet.

Ich habe im Zuge meiner Arbeit unterschiedlichste Unternehmen auf dem abenteuerlichen Weg in eine neue Arbeitswelt begleitet und kann daher jeden beruhigen: Arbeitsumgebungen lassen sich verändern! Schon vor der Pandemie war der Wille nach Veränderung in den Unternehmen groß. „Agilität“, eine „neue Unternehmens- und Führungskultur“ sowie „flexible, effiziente und intelligente Bürolandschaften“ sind nur einige der Stichworte, die Organisationen gerne im Zuge des Wettbewerbs um qualifizierte Mitarbeiter und deren Bindung an das Unternehmen unter dem Themenfeld „New Work“ zusammenfassen.

Recht schnell wurde erkannt, dass nicht alle ‚Google‘ und ‚Apple‘ mit Hängematten, Rutsche und Kicker sind und sein wollen.

Arbeitswelten, damit sie langfristig funktionieren, müssen entsprechend der jeweiligen Unternehmensanforderungen und unter gleichwertiger Betrachtung von Raum, Technologie und Kultur entwickelt werden. Erst wenn wir verstehen, wie eine Organisation funktioniert, können wir bedarfsgerechte und auf die sehr individuellen Anforderungen ausgerichtete, passgenaue Arbeitsumgebungen ableiten. Ja, Flächeneffizienz durch mobile Arbeitsformen und flexible Raum- und Möblierungskonzepte sind ein hoch aufgehängtes Thema. Es zu betrachten kann jedoch nur mit einer gleichzeitigen Steigerung des Wohlbefindens der Nutzer und einer entsprechend gelebten Führungskultur einhergehen. Das ist eine Voraussetzung.

Jeder Eingriff in die Arbeitsorganisation bringt auch Veränderung für alle Beteiligten mit sich.

Das ist mühsam. Doch alte Systeme aufrechtzuhalten, kostet immer mehr Zeit, Energie und Ressourcen. Je länger man sich den Themen verschließt, desto aufwändiger wird der Wandel. Unternehmen, die das früh erkannt haben, konnten relativ schnell auf einen Lockdown reagieren und ihre Mitarbeiter zu fast 100% ins „Home Office“ schicken. Die Erfahrungen zeigen: Arbeit von zu Hause aus funktioniert. Sie wird mehr und mehr zu dem, was wir tun und immer weniger an einen festen Ort gebunden. Mit dieser Entkopplung der Arbeit vom Ort gehen Ängste und Bedenken der Beschäftigten einher: durch flexible Konzepte seinen persönlich zugewiesenen Arbeitsplatz zu verlieren, die Kolleg*innen in offenen, lauten und chaotische Flächen nicht aufzufinden oder den eigenen Status nicht weiter durch die Größe des Büros zu definieren. Auch die Befürchtung, ständig und überall erreichbar zu sein und nicht mehr zwischen Beruf und Privatleben trennen zu können, gehört dazu. Dies alles sind gerechtfertigte Einwände, die aber im Kontext tatsächlich gelebter „neuer Arbeit“ fast immer ausklingen. Wichtig ist die frühzeitige und enge Einbindung der Mitarbeitenden und Führungskräfte in den Veränderungsprozess. Nur wenn wir Veränderung als ein „neues Normal“ begreifen und verstehen, wie Organisationen und die Menschen darin arbeiten, können wir zukunftsfähige Arbeitsweltenkonzepte entwickeln, die auch auf stetig sich wandelnde Anforderungen reagieren.

So sehr wir private Orte brauchen, an die wir gehen, um Ruhe zu suchen, so sehr brauchen wir auch öffentliche Orte, die uns zusammenbringen. 

In welchem Verhältnis sich hier mobile zu stationären Arbeitsorten entwickeln, wird sich in naher Zukunft abzeichnen. Je nach Tätigkeitsprofil des Unternehmens, der Abteilungen, der Teams und der Mitarbeitenden werden die jeweiligen Orte der Arbeit bestmöglich und ausgeglichen konfiguriert. Diese Balance bezieht die Unternehmensstandorte mit ihren unterschiedlichen Nutzflächen ebenso mit ein, wie dezentrale Arbeitsmöglichkeiten – sei es der Küchentisch zu Hause oder der Schreibtisch im Coworking-Space. Auch wenn dieses Szenario zurzeit gern geäußert wird: Einen Großteil der Mitarbeitenden jetzt pauschal mobil arbeiten zu lassen und Büroflächen abzumieten, ist auf jeden Fall viel zu kurz gedacht.

Das Büro der Zukunft wird ein Arbeitsort von vielen sein,

in dem Mitarbeitende für unterschiedlichste Tätigkeiten zusammenkommen, die durch virtuelle Räume und digitale Werkzeuge oder von zu Hause aus nicht abbildbar sind. Ein Treffpunkt und Ort des persönlichen Austauschs, in dem neue Ideen gemeinsam, interdisziplinär für einen bestimmten Zeitraum entwickelt werden. Ebenso werden Möglichkeiten für konzentriertes und fokussiertes Arbeiten bereitgestellt. Mitarbeiterführung und Unternehmenskultur werden wesentliche Erfolgsfaktoren und Räume entsprechend ihrer Anforderungen gestaltet. Einen Weg zurück in die „alte Welt“, in der wir neu erlernte Arbeitsmethoden in festgefügte Räume „pressen“ und Unternehmen an ausgedienten Prozessen, Mustern und Strukturen festhalten, wird es hoffentlich nicht geben. Auch wenn es verklärend klingt – wir sollten aus der Krise lernen und nicht in alte Muster zurückfallen. Ein Umdenken auf vielen Ebenen ist gefordert: die Betrachtung neuer Arbeitszeit-, Schutz- und Gesundheitsmodelle und entsprechende Gesetzgebungen. Berufe werden integriert, die scheinbar nicht flexibel sind und bisher nicht von zu Hause aus unter gesunder Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf betrachtet werden können. Die Einbindung neuer Technologien wie IoT oder künstlicher Intelligenz gehören ebenso dazu wie neue Mobilitäts-, Stadtentwicklungs- und Klimaschutzkonzepte. Denken wir Arbeit und ihre Räume neu. Fordern wir, dass wir uns alle mehr öffnen. Trauen wir uns, öfter „einfach mal zu machen“.

Es bleibt abzuwarten, welche neuen, uns bisher unbekannten, digitalen und analogen Arbeitsorte entstehen. Wir werden sehen, welche gesellschaftlichen, ökonomischen und ökologischen Nebeneffekte daraus erwachsen. Eines ist klar: Die uns bekannte Arbeitswelt wird auf den Kopf gestellt und das Büro muss sich im Zuge der Entwicklungen neu erfinden.

Geben wir dem Büro eine Chance!

Wir werden es auch in Zukunft noch brauchen – wie auch immer es dann aussehen wird.

Sebastian Saatweber. Foto Kinnarps

Der Autor

Sebastian Saatweber ist Next Office Concept Manager bei Kinnarps

 

 

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