Freitag, April 26, 2024

„The time is now“ – Wendekinder übernehmen Führung

Kennen Sie die Wendekinder? Oder gehören Sie vielleicht zu Ihnen? Dr. Adriana Lettrari ist Gründerin des ‚Netzwerk 3te Generation Ost’. In diesem Beitrag berichtet sie über die Idee der Wendekinder, deren Zeit nun gekommen scheint. Es geht um neue ostdeutsche Führungspersönlichkeiten, um Wendekinder im Lead.

Befinden wir uns in einer Zäsur?

Und haben ostdeutsch sozialisierte Betrachter*innen aufgrund ihrer Transformationserfahrung von 1989+ eine besondere Antwort auf den Umgang mit abrupten Veränderungen, wie jener der Corona-Pandemie? Für wen es der erste Stillstand des Gewohnten ist, der mag besonders überrascht sein und seine Vulnerabilität, seine Verletzlichkeit spüren. Wer Krise erlebt hat und kennt, mag einen weniger großen Überraschungseffekt spüren und schnell wieder in die Handlung gehen können. Ostdeutsche Führungskräfte zeigen derzeit gemeinsam mit deren Mitarbeiter*innen ihren vitalen Beitrag zur Bewältigung der Corona-Krise. Denn unabhängig davon ob in den 1950er, 60er, 70er oder 80er Jahren in der DDR Geborene – die Macher*innen der ostdeutschen Transformationsgesellschaft und deren Kinder, die Wendekinder, vereint eine biographische Erfahrung des Wandels welche zu einer relevanten Kompetenz erwachsen ist: einer ‚Transformationskompetenz’ (Lettrari/Nestler/Porath 2020). Diese beschreibt die Fähigkeit, Veränderungen mit einer veränderungsfreudigen Haltung und Change-Instrumenten bewusst zu managen. Sie findet augenblicklich Anwendung im generationenübergreifenden täglichen ‚Tun’. In dieser Krise, in welcher die Wendekinder nicht mehr Kinder sind, sondern verantwortungsvolle Führungsaufgaben übernehmen, findet ein produktiver Generationendialog statt, welcher besser hätte nicht eingeleitet werden können.

Junge digitale Kompetenz trifft auf langjährige analoge Berufserfahrung

und wird in Zeiten von konstantem Wandel gemeinsam neue Antworten hervorbringen, welche die ostdeutsche Wirtschaft weiterhin benötigt.
Die Generation der Wendekinder wird in dieser Zukunft eine bedeutsame Rolle spielen.  An der Hand ihrer Eltern haben sie in jungen Jahren einen gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Wandel sui generis erlebt und waren in hohem Maße sehr bald auch selbstständig gefordert, sich in der ‚neuen Welt’ zu behaupten. Denn der Elitewechsel in der Elterngeneration sorgte in jugendlichen Jahren für einen oftmals hierarchiefreien Raum welcher konstruktiv gefüllt werden wollte: Ideen und Aktion waren gefragt. In den meisten Fällen war ihr Weg nach dem Schulabschluss verknüpft mit Abwanderung und Bildungsaufstieg begleitet mit einer, manchmal diffusen, heimatlichen Sehnsucht. Das Ergebnis dieser sehr besonderen Form des Aufwachsens, in der ein anderes Land in das eigene kam, mündet entwicklungspsychologisch betrachtet in einer „Doppelten Sozialisation“ (Lettrari/Nestler/Troi-Boeck 2016), ähnlich derer von Diplomatenkindern (‚Third Culture Kids’, Pollock 1999): sie können sich zwischen verschiedenen Welten mühelos bewegen.

Die Zeit dafür ist jetzt gekommen

In jüngster Zeit erfreuen sich Ostdeutschland und vor allem die Elterngeneration über die hohen Rückwanderungsraten der Wendekinder. Sie sind wieder da und ‚”The Time is now”: jetzt ist die Zeit gekommen, wo sie anwenden und zeigen können, was ihre Biographie so besonders macht. Denn nach Aristoteles heißt Krise ganz schlicht: ‚Hier entscheidet sich etwas. Die Krise ist der Weg entweder zur Genesung oder in den Untergang, den Tod.’ In diesem Sinne ist Krise ein Begriff, der die Zeit unterteilt in ein Davor und ein Danach. Wie das Danach und damit auch die wirtschaftliche Zukunft Ostdeutschlands aussehen wird, darauf kommt es jetzt an. Die ostdeutschen Führungskräfte mit ihren Nachfolgern, den Wendekindern, werden sie gemeinsam hervorbringen. Für die Wendekinder in ihrer Lebensmitte bedeutet dies in jedem Fall einen inneren Wechsel vom Zuschauen zur Verantwortungs- und damit Machtübernahme. Die Zeit dafür ist jetzt gekommen.

Die Autorin:

Dr. Adriana Lettrari ist Organisationsberaterin, Speakerin, Publizistin und Gründerin des ‚Netzwerk 3te Generation Ost’ . Für ihr berufliches und ehrenamtliches Engagement wurde sie unter anderem ausgezeichnet mit den Titeln ‚Frau Europas Deutschland 2016’ und ‚Women of Europe 2017’.

Literatur:

Lettrari, Adriana/Nestler, Christian/Porath, Jane (2020): Wendekinder in der Berliner Republik und Europa. Transformationskompetenz – eine etymologische, transdisziplinäre Exploration. In: Benkert, Volker (Hrsg.): Unsere Mütter, unsere Väter. Deutsche Generationen seit 1945. Campus Verlag, Frankfurt am Main/New York.

Lettrari, Adriana/Nestler, Christian/Troi-Boeck, Nadja (Hrsg.) (2016): Die Generation der Wendekinder – Elaboration eines Forschungsfeldes. Springer VS-Verlag, Wiesbaden.

Pollock, David C.: (2017): Third Culture Kids: The Experience of Growing Up Among Worlds

 

 

 

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