Mittwoch, Dezember 25, 2024

Ostdeutschland als Energieland: Weg von Exporten, hin zur Veredelung vor Ort!

Die Energiewende ist in vollem Gange. Nicht nur in Deutschland. National, europäisch und international verstärken politische Weichenstellungen die Dynamik. Das Pariser Klimaabkommen war sicher ein entscheidender Baustein. Noch mehr wird der European Green Deal, mit dem die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Europa zum ersten treibhausgasneutralen Kontinent der Erde machen will, begonnene Entwicklungen beschleunigen, die durch den Atomausstieg und mit dem Kohlekompromiss bereits vorgezeichnet sind. Ein Kommentar von Wolfram Axthelm, Geschäftsführer Bundesverband Erneuerbare Energie.

Wolfram Axthelm,
Foto: BWE/Reents

Deutschland steuert ganz klar auf eine Reduktion seines CO2-Ausstoßes und damit einen massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien zu. Dies wird vor allem für die ostdeutschen Bundesländer ökonomische Vorteile mit sich bringen.
Energiewende bringt vor allem für Ostdeutschland ökonomische Vorteile
Bei der Ankündigung der amerikanischen Automobil-Hoffnung Tesla, seine neue Gigafabrik im brandenburgischen Grünheide bauen zu wollen, sprach Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) einen bemerkenswerten Satz aus. „In Brandenburg haben wir den Rohstoff der Zukunft: Erneuerbare Energien“. Der Ministerpräsident hob so noch einmal sichtbar hervor, warum sich Tesla ausgerechnet für einen Standort in Ostdeutschland und nicht etwa in den alten Automobilzentren Stuttgart oder München entschieden hat. Dieser Satz aus dem Mund von Dietmar Woidke, der sich zuvor in den Gesprächen um den Kohleausstieg massiv für den Erhalt der Beschäftigung in der brandenburgischen Braunkohlesparte eingesetzt hatte, mag den einen oder anderen überrascht haben. Er ist aber nicht desto trotz vollkommen richtig, denn im dünn besiedelten und in weiten Teilen landwirtschaftlich geprägten Brandenburg ist der Ausbau der Erneuerbaren Energien besonders schnell vorangekommen.
Heute sind auf 29.654 Quadratkilometern Landesfläche mehr als 3.800 Windenergieanlagen installiert. Hinzukommen große Solarparks. Gemeinsam decken die Erneuerbaren Energien schon heute über 70 Prozent des Strombedarfs in Brandenburg. In Mecklenburg-Vorpommern, wo die Küstennähe nicht nur für sehr gute Windverhältnisse sorgt, sondern auch die Errichtung von zusätzlichen Offshore-Windparks ermöglicht, besteht sogar ein Exportüberschuss von CO2-freiem, grünem Strom. Das nördlichste der ostdeutschen Bundesländer schafft so ein Exportsaldo von 70 Prozent. Auch Thüringen und Sachsen-Anhalt produzieren solide Windenergie und in Sachsen fängt langsam ein Umdenken statt. Ostdeutschland spielt also eine entscheidende Rolle bei der Energiewende – derzeit hauptsächlich als Stromexporteur.

Foto: BWE/WindEurope

Das kann und sollte sich aus der Interessenlage der ostdeutschen Bundesländer schnell ändern: Tatsächlich hat Dietmar Woidke recht. Durch die zunehmende Bedeutung des europäischen Emissionshandels und die Einführung eines nationalen CO2-Preises in den Sektoren Wärme und Verkehr, wird CO2-freier Strom mehr und mehr zum knappen Gut. Alle Sektoren fragen diesen Strom verstärkt nach. Im Mobilitätssektor wird die Elektromobilität eine wachsende Rolle einnehmen, im Gebäudesektor müssen veraltete Heizsysteme durch neue strombasierte Systeme und Wärmepumpen ersetzt werden. In der Industrie arbeiten große Chemiekonzerne oder Stahlhersteller an Konzepten, um ihre Produktionsprozesse über den Einsatz von grünem Wasserstoff zu dekarbonisieren. Digitalkonzerne wie Facebook, Google und Amazon wollen ihre Rechenzentren ausschließlich mit Erneuerbaren Energien betreiben. Dies wiederum bedeutet: Erneuerbare Energien werden zu einem echten Standortfaktor. Das zeigt das Beispiel Tesla eindrucksvoll.
Deshalb ist es nur folgerichtig, dass Brandenburg sich jetzt für die Direktnutzung von Erneuerbarem Strom stark macht. Eine Forderung die die Erneuerbaren Branchen bereits länger erheben, wobei auch Mittelständler und KMU über Direkt- und Eigenversorgung von der preiswerten Energieerzeugung profitieren sollen. Die ostdeutschen Bundesländer müssen hier deutlicher und klarer auftreten.
Es muss sehr viel stärker darum gehen, die erzeugten Kilowattstunden nicht nur an industriell geprägte Bundesländer im Süden Deutschlands zu veräußern, sondern direkt vor Ort zu veredeln. Die Wasserstoffwirtschaft, bei der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) Deutschland weltweit zur Nummer Eins machen will, bietet enorme Chancen. Auch weil im ostdeutschen Industriecluster zwischen Rodleben-Bitterfeld-Leuna-Zeitz schon ein Wasserstoff-Pipeline-System vorhanden ist. Hinzu kommt, dass Flächenpotenzial welches sich in den ehemaligen Tagebauregionen für den Ausbau der Erneuerbaren Energien öffnet. Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt können diese Regionen zu Zentren einer modernen Energiewende umbauen. Das versuchen verschiedene Projekte im Rahmen der sogenannten „Reallabore der Energiewende“ derzeit zu beweisen. Gelingt der Beweis, sendet das ein einladendes Zeichen an die großen Unternehmen der Welt: Schaut her, hier in Ostdeutschland haben wir eine aufgeschlossene Verwaltung, die Neues anpackt. Hier gibt es Hochschulen und Forschungszentren, die sich für die Technologien der Zukunft öffnen. Es gibt die Flächen für Erneuerbare Energien und es gibt trotz Demografie qualifizierte Arbeitskräfte. So lässt sich der anstehende Strukturwandel schultern. Und gleichzeitig anderen wirtschaftlich schwachen Regionen ein Vorbild geben, wie die Wertschöpfungsnetzwerke der Erneuerbaren Energien reale Zukunft schaffen. Dafür braucht es politische Entschlossenheit sowie eine positiv-mitnehmende Kommunikation gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort. Die Strukturfördermittel aus dem Strukturstärkungs- sowie dem Kohleausstiegsgesetz sollten vor diesem Hintergrund in den Aufbau einer Erneuerbaren Infrastruktur investiert werden. Es geht um Zukunft und Chancen, nicht um Festhalten und Beharren. Es geht um Neues und um Mut. Der Osten hat diesen.

 

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