Donnerstag, Dezember 26, 2024

W+M Redaktions- und Consulting-Netzwerk Ost

VNG – Der Zukunftskonzern aus Sachsen

Klimawandel, Energiewende, gesamtgesellschaftliche Verantwortung für die Zukunft, diese und andere Themen haben wir im W+M Interview mit Bodo Rodestock, VNG-Vorstandsmitglied für Finanzen und Personal, besprochen und dabei erfahren, wie die VNG AG sich selbst erfolgreich auf die Zukunft ausgerichtet hat.

W+M: Der Klimawandel ist plötzlich das Thema Nummer Eins. Wie stehen Sie zu der Diskussion und was hat sich die VNG AG zum Thema Begrenzung des Klimawandels vorgenommen?

Bodo Rodestock: Ich empfinde die Diskussion als extrem wichtig, aber teilweise auch als etwas zu emotional. Ich hoffe, dass wir das Thema wieder stärker versachlichen können und uns die Fakten genau anschauen. Beeindruckt hat mich, mit welcher Wucht das Thema jetzt in das öffentliche Bewusstsein gerückt ist und wie Politik, Gesellschaft und jeder Einzelne gleichermaßen über das Thema Klimawandel nachdenken. Nachhaltige Veränderungen werden aber nur möglich sein, wenn sich alle gemeinsam und beherzt des Themas widmen. Jetzt geht es darum, dieses kollektive Momentum zu nutzen. Die Energiewende wird nur dann erfolgreich sein, wenn sie mit einem gesellschaftlichen Konsens einhergeht. Das ist eine große Aufgabe.

W+M: Was bedeutet das für ein Erdgasunternehmen wie VNG?

Bodo Rodestock: Wir bei VNG sind uns dabei wohl bewusst, dass wir mit Erdgas einen fossilen Energieträger in unserer DNA haben. Aber wir sind überzeugt davon, dass wir mit Erdgas und unserer Zukunftsstrategie „VNG 2030+“ einen wichtigen Beitrag zur CO2-Reduzierung leisten können. Das hat die Politik vor zwei Jahren noch gänzlich anders gesehen. Da waren wir noch Teil des Problems. Aber Gas ist preiswert, sicher, sauber und die erforderliche Infrastruktur besteht ebenfalls. Zudem bauen wir unser Unternehmen um und denken nicht mehr primär nur an Erdgas, sondern immer stärker an die Vergrünung des Gases.

Bodo Rodestock, Foto: W+M

W+M: Welche Erfahrungen haben Sie mit Partikularinteressen? Gibt es hier Schwerpunkte und Trends?

Bodo Rodestock: Unterschiedliche Interessenlagen sind normal und es ist auch legitim, sich dafür einzusetzen. In Anbetracht einer Vielzahl von Positionen über die gesamte Breite der Klimadiskussion, von totalem Verzicht bis „weiter so“, glaube ich, dass die Wahrheit in der Mitte liegt. Wir müssen generell schonender mit den verfügbaren Ressourcen umgehen. Aber ebenso müssen wir die Innovationskraft nutzen, die in der globalen Energiewende steckt. Entscheidend ist dabei, dass ehrlich und vernünftig argumentiert wird. Allerdings müssen die reicheren Nationen – und dazu gehört auch Deutschland – vorweg gehen und Wege aufzeigen bzw. Trends setzen.

Die Energieende ist ein Riesenprojekt

W+M: Die Energiewende ist vielleicht nicht mehr umkehrbar, aber was sollte verändert werden?

Bodo Rodestock: Zunächst ist die Energiewende ein Riesenprojekt, bei dem auch Fehler passieren können und werden. Bisher hatten wir einen Konsens, der immer noch aktuell ist: Wir wollen die Wende umweltverträglich, versorgungssicher und wirtschaftlich vollziehen. Die Umweltverträglichkeit stand im Vordergrund und manchmal haben wir dabei die Wirtschaftlichkeit vernachlässigt.
So gab es von Anfang an Potenziale im Wärmemarkt. Den hohen Anteil an Ölheizungen hätte man längst mit geringem Aufwand auf moderne Gasheizungen umstellen können. Da hätten wir 27 Mio. Tonnen CO2 einsparen können. Diese Größenordnung entspricht annähernd dem CO2-Ausstoß des internationalen Luftverkehrs in Deutschland. Das ist nur ein Beispiel für niedrighängende Früchte, die man schnell ernten könnte. Der Umbau der Energiewirtschaft muss weiter erfolgen, aber wir brauchen den Konsens in der Gesellschaft bei ausgewogener Wahrung der drei Ziele. Der Schlüssel ist CO2 und CO2 braucht einen Preis. Das haben wir zu lange außer Acht gelassen.

W+M: War es aus heutiger Sicht klug, aus der Atomenergie auszusteigen. Ist ein Wiedereinstieg vorstellbar?

Bodo Rodestock: Spätestens nach den Ereignissen des japanischen Atommeilers in Fukushima entsprach ein schneller und konsequenter Ausstieg dem gesellschaftlichen Zeitgeist. Dieser Wille wurde von der damaligen Bundesregierung konsequent umgesetzt. Insofern stellt sich diese Frage heute nicht mehr. In der aktuellen politischen Diskussion kann ich nicht erkennen, dass diese Entscheidung wieder zurückgedreht wird oder ansatzweise eine Alternative ist. Im Zuge des Ausstiegs aus Kern- und Kohleenergie wird aber Gas im Energiemix und als Garant der Versorgungssicherheit zukünftig noch relevanter.

W+M: Wie schätzen Sie den Wettbewerb zwischen Batterie und Brennstoffzelle ein?

Bodo Rodestock
Foto: W+M

Bodo Rodestock: Ich denke, dass eine Koexistenz beider Technologien langfristig möglich bzw. auch unumgänglich ist. Beide Technologien haben besonders geeignete Einsatzgebiete und sie ergänzen sich komplementär recht gut. Das Thema E-Mobilität hat Zukunft und es wird uns noch lange beschäftigen. Wir tun allerdings gut daran, uns eine technologische Offenheit zu bewahren. Das ist die Voraussetzung für neue Entwicklungen, die sich in der Praxis beweisen müssen. Es wird nicht die eine Lösung für alles geben und deshalb bin ich überzeugt davon, dass auch Wasserstoff eine große Zukunft hat. Die angesprochene Koexistenz zeigt sich für uns als Unternehmen auch im Verhältnis zur EnBW AG: Wir als VNG sind ein Gaskonzern und setzen deshalb u. a. auch auf das Thema Wasserstoff, während EnBW als unsere Muttergesellschaft auf Elektromobilität setzt.

Wir sind wirtschaftlich stark unterwegs

Foto: VNG/Eric Kemnitz

W+M: Wie geht es der VNG AG?

Bodo Rodestock: Wir sind froh darüber, dass wir wirtschaftlich stark unterwegs sind. Wir sind ein profitables Unternehmen und haben es geschafft, mit unserem Geschäftsmodell und neuen Aktivitäten eine gesunde wirtschaftliche Basis zu erwirtschaften. Das hat viel Anstrengung gekostet. Wir haben in den Vorjahren vieles auf den Prüfstand gestellt, die Kosten reduziert und geprüft, welche neuen Ertragsfelder wir angehen. Letztlich haben wir das Unternehmen aus eigener Kraft neu aufgestellt. Dieser Transformationsprozess dauert an. Wir sind hier auf einem sehr guten Weg.
Dafür steht insbesondere unsere Strategie „VNG 2030+“, die uns ein nachhaltiges Geschäftsmodell ermöglicht. Dabei geht es um die Vergrünung des Gases und wie wir unsere bestehende Gasinfrastruktur dafür einbringen können. Unsere neuen Geschäftsfelder Grüne Gase, digitale Infrastruktur und Quartierslösungen sind allesamt auf Langfristigkeit und Zukunftsfähigkeit ausgerichtet, um die künftige Daseinsberechtigung der VNG sicherzustellen. Für 2019 zeichnet sich ab, dass wir die wirtschaftlichen Ziele erneut gut erfüllen und auch beim Umbau unseres Portfolios ein weiteres Stück vorangekommen sein werden.

Wir geben aber auch dem Thema Innovationen breiten Raum.

W+M: Welche Themen stehen für die VNG aktuell im Vordergrund?

Bodo Rodestock: Wir beschäftigen uns intensiv mit Projekten im Bereich grüner Gase wie zum Beispiel Biogas, synthetische Gase und Wasserstoff. Aktuell erarbeitet VNG eine Position „Grüne Gase“, in der die zukünftige Transformation unseres Gasmixes strategisch konkretisiert wird. Grüne Gase wie zum Beispiel Wasserstoff aus „Power-to-Gas“ bieten sich als Partner der Erneuerbaren wie Wind- und Sonnenstrom an, weil sie flexibel einsetzbar und grundlastfähig sind und zudem in allen Sektoren eingesetzt werden können. Dafür können wir auch in Zukunft unsere bestehende Gasinfrastruktur aus Netzen und Speichern nutzen, um die Versorgung mit CO2-freien Gasen sicherzustellen. Dazu haben wir das Netzgeschäft weiter ausgebaut. Beispielsweise hat die ONTRAS Gastransport GmbH (ONTRAS) als unabhängiger Fernleitungsnetzbetreiber der VNG in das Projekt EUGAL im Zusammenhang mit Nord Stream 2 etwa 500 Mio. Euro investiert. Im Bereich Handel und Vertrieb sind wir ebenfalls deutlich gewachsen.

Hervorzuheben sind auch unsere neuen Geschäftsfelder Quartiersentwicklungen und Biogas. Beim Thema Quartiersentwicklung arbeitet unsere Tochter VNG ViertelEnergie GmbH gemeinsam mit ihrem Partner Tilia GmbH daran, in die Entwicklung ganzer Quartiere einzusteigen, um dort die passende Energielösung zu finden, zu installieren und zu betreiben. Im Biogas-Bereich haben wir über die Jahre eine Kompetenz aufgebaut, die uns jetzt zugutekommt. Mittlerweile betreibt unsere BALANCE VNG Bioenergie GmbH 15 Anlagen mit einer installierten Leistung von 73 MW FWL.

Wir geben aber auch dem Thema Innovationen breiten Raum. Dafür haben wir mit der VNG Innovation GmbH eine eigene Gesellschaft, die sich finanziell und mit Smart-Capital an Startups beteiligt. Mittlerweile sind wir so strategischer Partner von fünf Startups. Wir versuchen auch, gemeinsam mit regionalen Partnern die Innovationskraft zu steigern. So sind wir Mitbegründer und Partner des SpinLab – The HHL Accelerator in Leipzig. VNG fördert hier jährlich vier Startups als Pate im Bereich Energie. Darüber hinaus ist VNG Ankerinvestor im ersten privaten Venture Capital Fonds der neuen Bundesländer, der auf das innovative Wachstumsthema „Smart Infrastructure“ setzt.
Wir beteiligen uns ebenfalls aktiv an den vom BMWi ausgeschriebenen sogenannten Reallaboren. VNG hat sich beim Ideenwettbewerb „Reallabore für die Energiewende“ mit insgesamt drei Projekten beworben. Hier wollen wir Erfahrungen mit grünen Gasen sammeln und Potentiale für den Strukturwandel in Ostdeutschland erschließen.

Drei wichtige VNG-Infrastrukturprojekte (Reallabore) für die Energiewende
1. Mit dem Energiepark Bad Lauchstädt in Sachsen-Anhalt erreichte VNG im Juli 2019 die zweite Runde. Unter realen Bedingungen soll hier grüner Wasserstoff erzeugt, gespeichert und transportiert werden. Neben u. a. Uniper und der DBI-Gruppe sind die Töchter VNG Gasspeicher GmbH (VGS) und ONTRAS beteiligt.
2. Weiterhin ist VNG über die ONTRAS in einem Konsortium an einem Referenz-Kraftwerk in der Lausitz (Schwarze Pumpe und Cottbus) beteiligt, einem Reallabor für Wasserstoff und Energieeffizienz.
3. Die dritte Reallabor-Bewerbung ist ein Geothermie-Projekt in Hamburg. Hierbei soll Hamburgs flächenmäßig größter Stadtteil Wilhelmsburg komplett autark durch Geothermie versorgt werden.

 

W+M: Wie steht es um das Image der VNG AG in Ostdeutschland? Wie wollen Sie wahrgenommen werden?

Bodo Rodestock: Über unser Image müssen andere urteilen, aber was wir sagen können: Bei VNG sollen die Menschen an einen wirtschaftlich gesunden, europaweit aktiven Unternehmensverbund denken, der mit seinem Produkt Erdgas neben der Sicherung des eigenen wirtschaftlichen Erfolgs, durch Wertschöpfung in Ostdeutschland auch seiner Verantwortung in der Region nachkommt.
Wir sind ein Unternehmen aus der Region mit einer unverwechselbaren Historie, die kaum ein anderes ostdeutsches Unternehmen vorweisen kann. VNG ist ein positives wirtschaftliches Beispiel der deutsch-deutschen Wiedervereinigung. Unsere Vorgänger haben es geschafft, VNG in den ersten sieben Jahren nach der Wende wirtschaftlich so aufzustellen, dass wir in der Marktwirtschaft bestehen konnten. Schon damals ging es auch um eine massive Veränderung der Energielandschaft. Die erste Energiewende war die Umstellung von Stadt- auf Erdgas in den neuen Bundesländern, verbunden mit enormen Investitionen und der Tatkraft zahlreicher zumeist kommunaler Partner. Für VNG können wir sagen: Wir haben vieles richtig gemacht und das aus eigener Kraft. Unsere Wurzeln liegen in der Region und hier sehen wir daher auch eine besondere Verantwortung.

So fördern wir mit unserer Stiftung eine Vielzahl sozialer Projekte, darunter u. a. unsere Ehrenamtsinitiative „Verbundnetz der Wärme“. Wichtig sind uns auch die Hochschulkooperationen mit der Universität Leipzig, der HTWK Leipzig, der HHL Leipzig und der TU Bergakademie Freiberg.
Und mit dieser Geschichte ist der 30. Jahrestag der Friedlichen Revolution für uns als Leipziger Unternehmen in 2019 ein großes Thema. Anlässlich dieses Jahrestages organisieren wir einige Veranstaltungen und Aktivitäten, um die Ereignisse sowohl intern als auch extern zu würdigen, positive Beispiele der Entwicklung in den neuen Bundesländern herauszustellen und auf noch bestehende strukturelle Problemlagen hinzuweisen.

Interview: Frank Nehring

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