Michael Kotzbauer, Bereichsvorstand Mittelstandsbank Mitte/Ost der Commerzbank AG, im W+M-Interview über die Internationalisierung des ostdeutschen Mittelstands, die Konflikte im Welthandel und die Expertise der Commerzbank AG im Auslandsgeschäft.
W+M: Herr Kotzbauer, die Commerzbank AG möchte im Mittelstandssegment weiter wachsen. Wie gut sind sie auf diesem Weg in Ostdeutschland vorangekommen?
Michael Kotzbauer: In den ersten acht Monaten dieses Jahres ist unser Kreditvolumen im ostdeutschen Firmenkundengeschäft um rund zwei Prozent gestiegen. Mit diesem Ergebnis können wir sehr zufrieden sein. Darüber hinaus haben wir in Ostdeutschland im ersten Halbjahr in einem hart umkämpften Markt mehr als 100 neue Firmenkunden hinzugewonnen. Dieses Wachstum konnten wir vor allem im breiten Mittelstand in einer Unternehmensgröße unter 100 Millionen Euro Umsatz verzeichnen. Das spricht für die Attraktivität unserer Produkte und unserer Beratung, beispielsweise wenn mittelständische Unternehmen auf internationale Märkte expandieren wollen.
W+M: Über die gegenwärtigen Risiken im Auslandsgeschäft hat die Commerzbank AG aktuell eine Studie vorgelegt, deren Ergebnisse für Ostdeutschland W+M exklusiv vorliegen. Wie verunsichert ist ihren Erkenntnissen zufolge der ostdeutsche Mittelstand angesichts wachsender Konflikte im Welthandel?
Michael Kotzbauer: Die mittelständische Wirtschaft befindet sich zurzeit generell in einer Phase zunehmender Unsicherheit. Das betrifft nicht nur den internationalen Handel. Auch auf den heimischen Märkten drängen sich den Unternehmen zahlreiche Fragen auf. Gelingt beispielsweise die Digitalisierung der Wirtschaft? In vielen Regionen – übrigens in Deutschland insgesamt – fehlt immer noch der Zugang zum schnellen Internet. Dies wird immer mehr zum Wettbewerbsnachteil, etwa wenn Kundenvertriebswege digitalisiert werden sollen. Auch der Fachkräftemangel hemmt das Wachstum – das bereitet beispielsweise Speditionen Sorge, die händeringend LKW-Fahrer suchen. Auch die IT-Branche benötigt dringend hochqualifizierte Fachkräfte. Hinzu kommen dann noch, wie Sie ganz richtig anmerken, die Krisen auf den Weltmärkten…
W+M: …für die gegenwärtig keine Lösungen in Sicht sind?
Michael Kotzbauer: Leider. Das ist mittlerweile in das Bewusstsein vieler ost- wie auch westdeutscher Mittelständler eingedrungen: Die Krisen haben sich nicht, wie Anfang des Jahres noch gehofft, aufgelöst, sondern im Gegenteil verstetigt. Das gilt für den Handelskonflikt zwischen den USA und China ebenso wie für den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Auch außenpolitische Experten können momentan keine realistische Einschätzung abgeben, wann und wie diese Konflikte gelöst werden. Unsere Studie hat ergeben, dass mehr als die Hälfte – 60 Prozent – der ostdeutschen Unternehmen mit einer abnehmenden Planungssicherheit rechnet.
W+M: Welche Konsequenzen sollten die Unternehmen daraus ziehen?
Michael Kotzbauer: Im Osten wie im Westen: Die Konsequenz darf auf keinen Fall heißen, sich aus dem Auslandsgeschäft zurückzuziehen. Panik ist im Exporthandel der falsche Ratgeber. Und die wirtschaftlichen Daten zeigen ja zum Glück auch, dass sich die Exporttätigkeit zunächst fortsetzt und die Unternehmen sich von den politischen Unwägbarkeiten nicht abschrecken lassen. Dies ist wiederum auch ein Vorteil länger währender Krisen: Die Unternehmen haben gelernt, sich darauf einzustellen.
W+M: Wie beurteilen Sie die Exportstärke der ostdeutschen Wirtschaft?
Michael Kotzbauer: Aus Ostdeutschland heraus exportieren, so das Ergebnis unserer Studie, etwa 36 Prozent der Unternehmen. Da ist noch deutlich Luft nach oben, beispielsweise im Maschinenbau oder der Konsumgüterindustrie. Denn wer nicht in das Auslandsgeschäft investiert, verspielt auch Chancen für die Zukunft seines Unternehmens. 85 Prozent der ostdeutschen Unternehmen sagen, dass „German solutions“, die Lösungskapazität deutscher Produkte und Verfahren, auf den globalen Märkten nach wie vor Exportschlager sind. In China wird beispielsweise deutsche Kompetenz bei Themen wie Recycling oder Ressourcenschonung stark nachgefragt. Deshalb bin ich fest davon überzeugt, dass wir weiter gute Jahre im Export haben werden.
W+M: Wie kann die Commerzbank ihre Kunden dabei helfen, Chancen auf den internationalen Märkten zu ergreifen?
Michael Kotzbauer: Wir registrieren seit geraumer Zeit, dass traditionelle Themen des Außenhandels wieder stärker in den Fokus rücken. Dazu gehören Produkte zur Absicherung der Zahlungsströme im Export ebenso wie eine kluge Handhabung der Währungsrisiken. Hier können wir unsere Expertise im Auslandsgeschäft ins Spiel bringen, nicht nur, weil wir in zahlreichen Ländern Repräsentanzen unterhalten, sondern weil wir den deutschen Mittelstand seit fast 150 Jahren bei der Expansion ins Ausland begleiten. Hier verstehen wir uns als strategischer Partner, der hilft, die Risiken im Export für die Unternehmen sachkundig zu bewerten.
W+M: Herr Kotzbauer, abschließend noch ein Blick in die Zukunft der Commerzbank AG: Mit Beginn des Jahres 2020 ersetzt Roland Boekhout, bisher Manager bei der ING, den jetzigen Firmenkundenvorstand Michael Reuther. Was wird sich mit dem Wechsel an der Spitze des Firmenkundengeschäfts ändern?
Michael Kotzbauer: Jeder Firmenkundenvorstand bringt sich natürlich in die Strategie der Bank ein – das ist seine Aufgabe. Roland Boekhout bringt sehr viel Erfahrung in wichtigen Themen wie beispielsweise die Transformation und Digitalisierung des Bankgeschäfts mit. Seine neuen Impulse, da bin ich mir sicher, werden helfen, das Erfolgsmodell der Commerzbank AG als Bank für den deutschen Mittelstand weiter auszubauen.
Interview: Matthias Salm/Frank Nehring
Das Interview ergänzt um interessante Grafiken aus der Commerzbankstudie können Sie in der Printausgabe von WIRTSCHAFT+MARKT lesen. Sie erscheint im Oktober.