Überalterung und Bevölkerungsrückgang sind weiterhin hohe Standortrisiken für Ostdeutschland. Doch der demographische Wandel trifft nicht alle Regionen gleichermaßen. Ein Blick auf die Zahlen und Fakten:
Von Matthias Salm
Die ostdeutschen Flächenländer haben ausnahmslos die älteste Bevölkerung in Deutschland. Sachsen-Anhalt nahm Ende 2024 mit einem Durchschnittsalter der Bevölkerung von 48,3 Jahren den unrühmlichen Spitzenplatz unter den Bundesländern ein. Aber auch Mecklenburg-Vorpommern mit einem Durchschnittsalter von 48,1 Jahren und Thüringen mit 47,9 Jahren stehen nur ungleich besser da. Etwas jünger kommt Brandenburg daher. Mit einem Durchschnittsalter von 47,5 Jahren profitiert das Land auch von jungen Familien im Berliner Umland, Sachsen mit 47,1 Jahren wiederum von der jüngeren Bevölkerung in den Großstädten Dresden und Leipzig. Dennoch ist auch die sächsische Bevölkerung im Durchschnitt älter als die des Saarlands (46,4), dem Bundesland mit der ältesten Bevölkerung im Westen. Einzige Ausnahme im Osten ist Berlin. Nach Hamburg hat die Hauptstadt die jüngste Bevölkerung in Deutschland (42,8 Jahre).
Ohne Berlin liegt das Durchschnittsalter in den westlichen Bundesländern bei 44,5 Jahren und in den östlichen Ländern bei 47,6 Jahren. Das war 1990 noch ganz anders. Da lag Ostdeutschland mit Berlin-Ost im Durchschnittsalter bei 38,1 Jahren und Westdeutschland mit Berlin-West bei 39,6 Jahren. Ein Fünftel der ostdeutschen Bevölkerung war damals unter 15 Jahre alt. Seither hat der demographische Wandel den Osten besonders hart getroffen. Heute sind im thüringischen Suhl 35 Prozent aller Menschen 65 Jahre und älter, mehr als überall sonst in Deutschland.
Besserung ist auch deshalb nicht in Sicht, weil die Geburtenzahlen in Ostdeutschland weiter rückläufig sind. In Mecklenburg-Vorpommern sank die Zahl der Lebendgeborenen von 13.442 im Jahr 2016 auf 9.157 im letzen Jahr. Nicht besser sah es in Brandenburg aus: Die Zahl der Geburten sank 2024 auf 15.154. Damit wurden ähnlich wenige Geburten wie 1996 gemeldet, als es nach der Wiedervereinigung zu einem Einbruch der Geburtenzahlen gekommen war. Wie in allen Ländern kommt es auch in Brandenburg zu regionalen Unterschieden. Während in Potsdam je 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner die meisten Kinder (7,7) geboren werden, sind es im Landkreis Spree-Neiße (4,5) die wenigsten. In Thüringen wurden 2024 gar nur 11 803 Lebendgeborene registriert, der niedrigsten Wert für Thüringen seit dem Jahr 1955. In Sachsen ist der rückläufige Trend bei den Geburten seit 2017 anhaltend. Mit den 24.697 lebend geborenen Kindern im Jahr 2024 erreichten die Geburtenzahlen den niedrigsten Stand seit 1995. In Sachsen-Anhalt ist der Geburtenrückgang seit 2017 zu beobachten. Im Vergleich zu 2016 sind die Geburtenzahlen um 30,8 Prozent gesunken.
Auch die innerdeutschen Wanderungsbewegungen wirkten sich in den 35 Jahren seit der Vereinigung negativ auf den Standort Ostdeutschland aus. Ende 2024 lebten in Deutschland 83,6 Millionen Menschen und somit 3,8 Millionen Menschen mehr als 1990. Während aber in diesem Zeitraum in Ländern wie Bayern (+16 Prozent) und Baden-Württemberg (+14 Prozent) starke Zuwächse stattfanden, ist die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner in Sachsen-Anhalt (-26 Prozent), Thüringen (-20 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern (-18 Prozent) im Vergleich zu 1990 stark zurückgegangen. 1990 lebten 77 Prozent der Bevölkerung in Westdeutschland und 18 Prozent in Ostdeutschland sowie fünf Prozent in Berlin. 2024 war das Verhältnis 81 Prozent zu 15 Prozent sowie vier Prozent in Berlin. Einzige Boomregion bleibt die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg. In Berlin wuchs die Bevölkerung seit der Wende um sieben Prozent, in Brandenburg ging sie nur leicht um ein Prozent zurück.
Die Wanderungsentwicklung: Im Jahr 1991 verließen im Saldo etwa 165 000 Personen die östlichen Bundesländer und zogen in den Westen. Bis zum Jahr 2000 summierte sich dieser negative Wanderungssaldo auf etwa 611 000 Personen. In den folgenden Jahren bis 2010 wanderten in der Summe noch rund 553 000 Menschen von Ost nach West.
Erst in den 2010er-Jahren ebbte die Abwanderung von Ost nach West ab. 70 000 Personen waren es im Saldo zwischen 2011 und 2016. In den folgenden Jahren bis 2022 kam es erstmals zur Trendwende. In der Summe 18 000 Personen mehr wanderten von West nach Ost. Seit 2023 ziehen wieder mehr Menschen in den Westen. Die Wanderungsverluste in den Westen werden allerdings durch Zuwanderung aus dem Ausland zum Teil kompensiert. Insgesamt ist die Bevölkerungsentwicklung in Ostdeutschland aber rückläufig. Grund hierfür ist der deutliche Sterbeüberschuss.
Regionale Unterschiede im Osten
Auffallend sind die großen regionalen Unterschiede in Ostdeutschland. Keine Stadt in Deutschland wuchs seit 1995 stärker als Leipzig. Die Zahl der Einwohner und Einwohnerinnen nahm in der Messestadt um 30 Prozent zu. Auch Dresden boomt mit plus 20 Prozent Bevölkerungszuwachs seit 1995.
Dem steht gegenüber die Abwanderung aus den ländlichen Regionen. In Thüringen sank die Bevölkerung 2024 vor allem im Süden des Landes: In Suhl um 4,5 Prozent, im Landkreis Sonneberg um 1,8 Prozent und im Landkreis Hildburghausen um 1,2 Prozent. Der prozentual größte Bevölkerungsverlust in Sachsen-Anhalt wurde im Altmarkkreis Salzwedel registriert, während die Landeshauptstadt Magdeburg einen Bevölkerungsgewinn (0,8 Prozent) verbuchen konnte.
In Sachsen gab es in den Jahren 2022 und 2023 noch einen Bevölkerungszuwachs, vor allem durch Wanderungsgewinne. Im Jahr 2024 entfielen 87 Prozent der Wanderungsgewinne auf einen positiven Wanderungssaldo mit dem Ausland. Die Bevölkerungsentwicklung verlief 2024 auch im Freistaat regional höchst unterschiedlich. In Leipzig (+0,6 Prozent), Dresden (+0,3 Prozent) und Chemnitz (+0,2 Prozent) leben mehr Menschen, die Landkreise in Sachsen dünnen weiter aus.
Ganz anders stellt sich die Situation in der Hauptstadtregion dar. Berlin verzeichnete 2024 186.222 Zuzüge und 159.115 Fortzüge. Der Wanderungsgewinn geht ausschließlich auf die hohe Zuwanderung aus dem Ausland (+41.862) zurück. An die übrigen Bundesländer verlor Berlin Bevölkerung (–14.755).
Berlins direkter Nachbar Brandenburg hingegen profitiert weiterhin vom Zustrom aus Berlin und dem Ausland. 32.419 Personen wanderten von Berlin nach Brandenburg, während es 17.006 Personen aus der Mark in die Hauptstadt zog. Wie das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg mitteilt, verzeichnete das Land Brandenburg im Jahr 2024 insgesamt einen Wanderungsgewinn von 22.629 Personen. Seit 1990 hat Brandenburg bei der Einwohnerzahl Sachsen-Anhalt und Thüringen überholt, seit 2010 verzeichnet Brandenburg einen positiven Wanderungssaldo und seit 2013 einen Bevölkerungszuwachs.