Wirtschaft und Markt

Berliner Konjunkturumfrage: Eingetrübte Erwartungen bei allgemeiner Verunsicherung

Rezession. Foto: AdobeStock

Die konjunkturelle Stimmung in der Berliner Wirtschaft ist weiterhin getrübt. Auch wenn sich über den Sommer hinweg die Geschäfte insgesamt solide entwickelt haben, blicken die Unternehmen weitgehend skeptisch auf die nächsten Monate. Vor allem im Gastgewerbe und im Handel bereitet mangelnde Konsumfreude der Verbraucherinnen und Verbraucher Sorgen. Das derzeitige schwierige konjunkturelle Umfeld geht auch am Handwerk nicht spurlos vorüber. Obwohl die angespannte wirtschaftliche Lage auch in vielen Betrieben spürbar ist, beweist das Handwerk Resilienz angesichts der aktuellen Herausforderungen. Dies sind die Ergebnisse der gemeinsamen Konjunkturumfrage von IHK und Handwerkskammer Berlin im Herbst unter mehr als 910 repräsentativ ausgewählten Unternehmen.

Der Konjunkturklimaindex (geometrisches Mittel aus aktueller geschäftlicher Lage und Erwartungen) kommt nicht weiter voran und sinkt im Herbst leicht auf 105 Punkte, nach 108 Zählern im Frühsommer. Das sind nur fünf Punkte oberhalb des neutralen Wertes von 100 Zählern.

Bei der Bewertung der aktuellen Lage fällt auf, dass in der Industrie die Geschäfte über den Sommer sichtbar an Fahrt aufgenommen haben. Bewerteten im Frühsommer noch 31 Prozent der befragten Industrieunternehmen die Lage als gut, sind es im Herbst 47 Prozent. Hier sind es vor allem die Sektoren Pharma und E-Mobilität, die eine gute Geschäftsentwicklung verzeichneten. Im Gastgewerbe laufen im Sommer traditionell die Geschäfte besser, allerdings profitierten in diesem Sommer vor allem die großen Gastgewerbetreibenden. 28 Prozent der Gastgewerbeunternehmen bewerten die Sommersaison als gut (Frühjahr: 30 Prozent), 53 Prozent immerhin als zufriedenstellend (Frühjahr: 43 Prozent). Auch im Handwerk wird die aktuelle Lage entweder als gut (40 Prozent) oder zufriedenstellend (46 Prozent) bezeichnet. Stabilisierend wirkt sich die Entwicklung im Kfz-Gewerbe aus. Entgegen dem pessimistischen Trend, gehen 38 Prozent der befragten Betriebe davon aus, dass sich die Geschäftslage in den kommenden sechs Monaten weiter verbessern wird. Auch das Gesundheitsgewerbe konnte sich nach einer Anpassung der Vergütungssätze für Gesundheitsleistungen weiter stabilisieren. In einer Gemengelage, die einerseits durch stockenden Wohnungsneubau und andererseits durch hohen Sanierungsbedarf geprägt ist, laufen die Geschäfte im Bauhandwerk hingegen nur mäßig zufriedenstellend. Eindeutig nachgelassen haben auch die Geschäfte im Handel. Die Zahl derjenigen, die unter schlecht laufenden Geschäften leiden, ist von 24 Prozent im Frühsommer auf aktuell 34 Prozent gestiegen.

Auch wenn sich die aktuelle Lage für viele Unternehmen als zumindest stabil darstellt, fehlt offenbar die Hoffnung auf Besserung. Die Erwartung an die Geschäftsentwicklung der kommenden Monate setzt die leichte Aufwärtsbewegung aus dem Frühsommer nicht fort: Der Erwartungsindikator der Berliner Wirtschaft, sich errechnend aus optimistischen und pessimistischen Einschätzungen, verliert zu damals sechs Zähler und notiert aktuell bei -5 Punkten. Damit sehen mehr Unternehmen pessimistisch als optimistisch in die nahe Zukunft.

Diese Skepsis hat Auswirkungen. So bleiben die Unternehmen recht verhalten bezüglich des Aufbaus neuer Stellen. Der Saldo aus geplantem Auf- und Abbau liegt mit fünf Punkten nahezu unverändert zu dem Wert aus dem Frühsommer 2024 und signalisiert damit eine eher schwache Dynamik auf dem Arbeitsmarkt.

Mit den schwachen Erwartungen nimmt auch die Investitionsdynamik weiter ab. Der entsprechende Indikator sinkt von 17 Punkten im Frühsommer 2024 auf 14 Punkte im Herbst. Damit setzt die Investitionsbereitschaft ihren Abstiegspfad, nach der Erholung des pandemiebedingten Einbruches, weiter fort. Diese Entwicklung dürfte langfristig die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft gefährden, da fehlende Investitionen in Innovation und Modernisierung zu einem Rückstand gegenüber internationaler Konkurrenz führen.

Jürgen Wittke, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Berlin: „Die Berliner Wirtschaft zeigt sich stabil, jedoch ohne nennenswerte Dynamik, sodass wir derzeit die längste konjunkturelle Schwächephase seit den frühen 2000er-Jahren erleben. Das Berliner Handwerk bleibt dabei ein zentraler Stabilitätsanker, auch unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen. In vielen Gewerken ist die Auftragslage gut bis saisonüblich. Die Auftragsreichweite liegt nach wie vor bei mehr als 14 Wochen. Die negative Stimmungslage geht zwar am Handwerk nicht vorbei, trotzdem zeigt es sich resilient in der Krise, da wichtige Zukunftsaufgaben, wie Photovoltaik, moderne Heizungsanlagen und Antriebstechniken, eine große Relevanz für die Auftragslage haben.“

Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der IHK Berlin: „Es fehlt an Hoffnung, dass es kurzfristig wieder aufwärts geht. Die Unternehmen befürchten, dass die mangelhaften wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen zum dauerhaften Bremsklotz werden. Knapp 60 Prozent der Unternehmen sehen ihre wirtschaftliche Entwicklung hierdurch gefährdet. Entsprechend groß ist der Wunsch nach politischen Maßnahmen. Es reicht nicht nur einen konjunkturellen Impuls zu setzen, vielmehr brauchen wir echte strukturelle Verbesserungen. Darunter fällt die infrastrukturelle Ertüchtigung, ein international konkurrenzfähiges Steuersystem mit mehr Investitionsanreizen und bezahlbare Energie. In Berlin nicht zu vergessen insbesondere die Verwaltungsreform, die am Ende klare Zuständigkeit schafft und wirtschaftsrelevante Prozesse beschleunigt.“

Den vollständigen Konjunkturbericht finden Sie hier ➠ www.hwk-berlin.de/konjunktur oder laden Sie ihn direkt ➠ hier herunter.

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