Am 22. September wählen die Bürger und Bürgerinnen den neuen Brandenburgischen Landtag. Eine richtungsweisende Entscheidung auch für die brandenburgische Wirtschaft. Deshalb hat Wirtschaft+Markt die Positionen der Parteien zu wichtigen wirtschaftspolitischen Themen in Brandenburg abgefragt. Die Antworten der wirtschaftspolitischen Sprecher haben wir thematisch zugeordnet und werden gesondert veröffentlicht.
Hier die Antworten von Helmut Barthel (SPD)
Sprecher für Wirtschaft, Digitalisierung, Städtebau und Regionalplanung der SPD-Fraktion
Helmut Barthel (SPD), geb. 1953 in Döbeln, Diplomlehrer, war von 1992 bis 2018 selbstständig und Mitinhaber der BARTHEL + BARTHEL GbR. Er ist seit 2014 Mitglied des Landtages Brandenburg und sitzt im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Energie und im Ausschuss für Infrastruktur und Landesplanung.
Wie kommt der Umbau der Lausitz voran und wie beurteilen Sie den bisherigen Einsatz der Fördermittel?
Die Fördermittel werden zielgerichtet und effektiv eingesetzt. Die wissenschaftliche Begleitforschung der BTU Cottbus-Senftenberg sowie des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle/Saale attestieren der Strukturentwicklung einen guten Start, wenngleich die handelnden Akteure aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft weiterhin eng zusammenarbeiten müssen. Schlüsselprojekte, wie beispielsweise das Instandhaltungswerk der Bahn oder der Aufbau einer Universitätsmedizin in Cottbus stehen für gut bezahlte, neue Arbeitsplätze und eine nachhaltige Daseinsvorsorge. Darüber hinaus entwickelt der Transformationsprozess in der Lausitz einen Modellcharakter, sodass im Sinne von Best-Practice-Beispielen auch andere Regionen in Brandenburg von den Ideen und Umsetzungen profitieren können. Ergänzt wird die Förderkulisse des Strukturstärkungsgesetzes durch den Just Transition Funds (JTF). Hier können insbesondere Unternehmen von einer direkten Förderung profitieren.
Außerdem werden die Erneuerbaren Energien in der Lausitz eine zentrale Rolle spielen. Unter Einsatz des Trägers Wasserstoff werden energieintensive Unternehmen in der Region versorgt. Hierfür ist der Aufbau eines entsprechenden Transportnetzwerks in Planung. Mit Hilfe von Referenzkraftwerken entwickeln wir eine grundlastfähige, CO2-neutrale Stromproduktion.
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Wie kommt der Ausbau der Erneuerbaren Energien in Brandenburg voran und welche Rolle spielen die Erneuerbaren Energien für die Wirtschaft in Brandenburg?
Brandenburg ist Vorreiter beim Ausbau erneuerbarer Energien. Mit etwa 8.400 Megawatt installierter Leistung nimmt Brandenburg bei der Windenergieerzeugung pro Kopf den Spitzenplatz in ganz Deutschland ein und auch der Ausbau von Solaranlagen boomt. So liegt die aktuelle Nettoleistung von Photovoltaik-Anlagen im Land bei 5,72 Gigawatt (GW). Der Großteil der installierten Leistung entfällt hierbei mit rund 64 Prozent auf Freiflächenanlagen. Allein im Jahr 2023 wurden über 635 MW Nennleistung zugebaut, womit Brandenburg auch bei der Leistungsdichte an Photovoltaik-Freiflächenanlagen den Ländervergleich anführt. Das Bundesland ist somit auf dem besten Weg, bis spätestens 2045 klimaneutral zu wirtschaften und zu leben.
Während der Zubau von Erzeugungskapazität wächst, gibt es insbesondere beim Ausbau der Verteilnetze deutliche Engpässe. Wartezeiten von mehreren Monaten, um eine funktionstüchtige Dachsolaranlage ans Netz zu bringen, sind nicht akzeptabel.
Deshalb haben wir als Haushaltsgesetzgeber die personelle Ausstattung der Genehmigungsbehörde verstärkt, um Ausbaugenehmigungen für die Verteilnetzbetreiber schneller zu erteilen.
Politisch setzen sich Landtag und Landesregierung dafür ein, dass es zu einer Reformierung des Strommarktdesigns kommt. Es darf in Zukunft nicht mehr so sein, dass Verbraucher und Unternehmen in Regionen mit dem höchsten Anteil an der Erzeugung erneuerbaren Energien die höchsten Strompreise zahlen. Wir brauchen die erneuerbaren Energien, um den Transformationsprozess unserer Wirtschaft hin zur CO2-Neutralität weiter erfolgreich voranzutreiben.
Auch im Wärmesektor setzen wir auf erneuerbare Energie. Deshalb unterstützen wir alle Aktivitäten kommunaler und privater Unternehmen zur Nutzung der Geothermie, insbesondere der Tiefen-Geothermie. Das Geothermie-Projekt der Energie und Wasser Potsdam GmbH zeigt, welche Potentiale hier im Boden schlummern.
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Was sind Ihre Konzepte zur Behebung des Fachkräftemangels?
Um die erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung fortzusetzen, brauchen wir genügend Fachkräfte. Dafür müssen wir allen erwerbsfähigen Menschen in Brandenburg den Weg in Beschäftigung ermöglichen. Wir müssen ebenso Fachkräfte aus anderen Regionen für Leben und Arbeit in Brandenburg gewinnen. Dazu gehört auch eine Fachkräftezuwanderung aus dem Ausland.
Ich teile die strategischen Ansätze des MWAE zur Fach- und Arbeitskräftesicherung in Brandenburg. In folgenden Bereichen gibt es aus meiner Sicht Verbesserungspotential:
- Es muss gelingen, dass jeder erwerbsfähige Jugendliche nach dem Abschluss der Schule eine berufliche Qualifikation erhält oder ein Studium aufnimmt. Das schließt für mich ein, dass die Zahl der Ausbildungs- und Studienabbrecher deutlich sinken muss. Der Schlüssel dafür ist aus meiner Sicht eine Qualifizierung der beruflichen Orientierung. Ein Erfolgsmodell sind dabei die Jugendberufsagenturen.
- Der rasante technologische Wandel und die Digitalisierung stellen Unternehmen und Beschäftigte vor große Herausforderungen. Sie zu bewältigen ist Voraussetzung für Wettbewerbsfähigkeit und sozialen Aufstieg. Es muss uns noch besser gelingen, adäquate Formen der Fort- und Weiterbildung anzubieten, die auf die konkrete Situation von Unternehmen und Beschäftigte zugeschnitten sind.
- Gute Arbeit muss sich lohnen. Solange es erhebliche finanzielle Unterschiede in der Bezahlung von Fachkräften in Ost und West gibt, werden wir hier Wettbewerbsnachteile haben. Das setzt auch ein Umdenken bei den Geschäftsmodellen voraus.
- Geflüchtete müssen noch konsequenter in den Arbeitsmarkt integriert werden. Wer sein eigenes Geld verdienen kann, soll das auch tun. Dazu muss im Bereich der Zuwanderung die Arbeitsaufnahme ab dem ersten Tag möglich sein. Fehlende Lehrkapazitäten beim Spracherwerb dürfen in Zukunft kein Grund mehr sein, um nicht in den ersten Arbeitsmarkt zu kommen. Gerade im gewerblichen Bereich muss es möglich sein, niederschwellige Sprachkompetenz parallel zur Fähigkeitsfeststellung, z.B. in Praktika zu erwerben. Der Arbeitgeber sollte stärkeren Einfluss auf die Entscheidung haben, ob das Sprachniveau für eine Tätigkeit ausreicht. Programme wie der Spurwechsel werden gezielt gefö Zudem müssen ausländische Abschlüsse und fachliche Qualifikationen unbürokratisch anerkannt und unkompliziert Fort- und Ausbildungsangebote wahrgenommen werden.
Daneben haben eine Vielzahl weiterer Faktoren einen Einfluss auf die Fachkräftesituation. Infrastruktur spielt dabei eine wesentliche Rolle. Das Betrifft die Erreichbarkeit von Ausbildungs- oder Arbeitsplatz mit dem SPNV/ÖPNV oder das Vorhandensein bezahlbaren Wohnraums. Wohnraum ist besonders für Azubis schwer zu bekommen. Der konsequente Ausbau von Lehrlingswohnheimen ist wichtig, so wie es beispielsweise mit einem neuen Objekt für Bau-Lehrlinge in Cottbus geschieht.
Perspektivisch muss es auch darum gehen, stärker mit den Akteuren der Wirtschaft zusammenzuarbeiten und zeitnah eine gemeinsame Arbeits- und Fachkräftestrategie für Berlin und Brandenburg zusammen mit den Kammern und Verbänden auf den Weg zu bringen.
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Was sind Ihre Vorschläge für Bürokratieabbau im Land zum Nutzen der Wirtschaft?
Bürokratische Hürden werden als zentrale Herausforderungen von (jungen) Unternehmerinnen und Unternehmern angesehen. Diese Hürden begegnen der Wirtschaft in unterschiedlichen Bereichen, wie beispielsweise im alltäglichen operativen Geschäft, aber auch bei der Beantragung von Fördermitteln für Unternehmenserweiterungen und Innovationen. Um diese konkreten Hindernisse zu strukturieren und gezielt abzubauen, möchte die SPD in der kommenden Wahlperiode einen Ausschuss zum Bürokratieabbau einsetzen, der sich ausschließlich mit diesen Themen befasst. Hier kommen eine Menge Aufgaben auf die zukünftigen Parlamentarier zu, welche aber im engen Austausch mit der Wirtschaft Stück für Stück abgearbeitet werden können.
Um Bürokratie abzubauen, verfolgen wir außerdem den Ansatz des Once-Only-Prinzips. Es muss ausreichen, dass Unternehmen ihre Daten „nur ein einziges Mal“ bei Behörden angegeben, um Verwaltungsdienstleistungen in Anspruch nehmen zu können.
Die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen ist bei diesem Vorhaben essentiell, denn das spart Zeit und Ressourcen. Das Tempo der Verwaltungsdigitalisierung und die bisher erreichten Ergebnisse sind unbefriedigend. Es bedarf hier eines neuen Ansatzes mit klarer Steuerungsverantwortung.
Insgesamt muss die Digitalisierung mehr dafür genutzt werden, um Verwaltungsprozesse stärker auf ihre Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit aus dem Blickwinkel der Nutzer (Verwaltung und Betroffene) zu reformieren. Damit könnten deutliche Kosten reduziert und Arbeitsaufwand minimiert werden.
Die wichtigste Grundlage ist hierfür der Zugang zu schnellem Internet. Zwar ist Brandenburg beim Glasfaserausbau auf Platz 3 (54 Prozent der Haushalte), dennoch müssen wir diesen Prozess beschleunigen. Das Zusammenspiel zwischen schnellem Internet und digitalem Verwaltungshandeln soll zukünftig ein Standortvorteil für Unternehmen in Brandenburg darstellen.
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Wie beurteilen Sie die wirtschaftliche Entwicklung Brandenburgs und was sind Ihre Konzepte zur Verbesserung der Standortbedingungen?
Die Fakten sprechen eine klare Sprache: Das Wirtschaftswachstum in Brandenburg lag im Jahr 2023 bei 2,1 Prozent. Das ist weit über dem Bundesdurchschnitt (-0,3 Prozent) und ein guter, zweiter Platz hinter Mecklenburg-Vorpommern (3,3 Prozent). Auf die multiplen Krisen, wie die Corona-Pandemie oder die Verteuerung von Energie und Rohstoffen, folgten die richtigen Antworten der Landesregierung zur Stabilisierung der Brandenburger Wirtschaft.
Die SPD möchte sich auch weiterhin mit einem sozialdemokratisch geführten Wirtschaftsministerium dafür einsetzen, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Ansiedlung und Weiterentwicklung von Unternehmen passen.
Mit der im April dieses Jahres durch das MWAE vorgelegten Industriestrategie wurde nicht nur ein Auftrag des Landtages umgesetzt, sondern auch strategische Ziele definiert, um Brandenburg weiterhin fit für den Wettbewerb der Regionen zu machen.
Die Industriestrategie beinhaltet verschiedene Handlungsfelder, im Handlungsfeld III „Flächen & Infrastruktur“ sind aus meiner Sicht die richtigen Ziele definiert und durch konkrete Maßnahmen untersetzt. Ich verweise hier insbesondere auf
- die zügige Umsetzung des Industrie- und Gewerbeflächenkonzeptes u.a. durch die Förderung der planerischen Aktivitäten der Kommunen
- die konsequente Umsetzung der Energiestrategie, um den Standortvorteil des großen Angebots an erneuerbaren Energien auch weiterhin zu erhalten und auszubauen
- die Umsetzung der Wasserstoff-Strategie (Erzeugung und Aufbau eines Backbone-Netzes)
- die Umsetzung einer Carbon-Managementstrategie, um auch zukünftig die Grundstoffindustrie (Stahl-, Zement-, E-Fuel-Produktion) in Brandenburg zu halten
- den weiteren zügigen Ausbau der Breitbandnetze (Glasfaser; 5G).
Grundvoraussetzung für die weiter erfolgreiche Entwicklung Brandenburgs ist eine weitere enge Zusammenarbeit Brandenburgs mit anderen Regionen der EU und die stärkere Nutzung der EU- Förderprogramme die nicht über die Nationalstaaten laufen, sondern direkt durch Brüssel vergeben werden.
Das wiederum erfordert ein weltoffenes, den demokratischen Grundwerten verpflichtetes Brandenburg. Dafür stellt aus meiner Sicht die drohende Dominanz der AfD eine echte Gefahr dar.