Wirtschaft und Markt

W+M-Parteien-Umfrage: Brandenburg hat die Wahl. Heiner Klemp (Bündnis 90/Die Grünen)

Heiner Klemp. Foto: Fraktion Bündis90/Grüne

Am 22. September wählen die Bürger und Bürgerinnen den neuen Brandenburgischen Landtag. Eine richtungsweisende Entscheidung auch für die brandenburgische Wirtschaft. Deshalb hat Wirtschaft+Markt die Positionen der Parteien zu wichtigen wirtschaftspolitischen Themen in   Brandenburg abgefragt. Die Antworten der wirtschaftspolitischen Sprecher haben wir thematisch zugeordnet und werden gesondert veröffentlicht.

Hier die Antworten von Heiner Klemp (Bündnis 90/Die Grünen)

Sprecher für Wirtschaft, Europa und Kommunales der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Heiner Klemp (Bündnis 90/Die Grünen), geb. 1963 in Berlin, Management-Berater, war von 2003 bis 2019 Leiter der Entwicklung, Management-Berater bei der ESCRIBA AG Berlin. Seit 2019 Mitglied des Landtages Brandenburg. Dort vertritt er seine Fraktion im Ausschuss für Inneres und Kommunales, im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Energie und im Ausschuss für Europaangelegenheiten und Entwicklungspolitik.

W+M-Wahlprüfstein 1

Wie kommt der Umbau der Lausitz voran und wie beurteilen Sie den bisherigen Einsatz der Fördermittel?

Der Umbau der Lausitz ist ein langer Prozess, an dessen Anfang wir uns erst befinden. Erste Projekte sind inzwichen sichtbar, wie das neu entstandene ICE-Instandhaltungswerk. Ein Großteil der Fördermittel aus der ersten Förderperiode sind inzwischen mit Projekten untersetzt. Es ist schön zu sehen, dass die der Prozess langsam anläuft, aber auch, dass wir ihn kontinuierlich nachjustieren. In der ersten Phase stand die Schaffung von Arbeitsplätzen im Vordergrund, jetzt müssen wir aber auch sicherstellen, dass diese Arbeitsplätze mit Menschen besetzt werden können und dass die Region auf diejenigen vorbereitet ist, die neu in die Lausitz ziehen. Das ist die Aufgabe der Politik.

Ein großes Versäumnis der alten Bundesregierung war es, dass bisher die Unternehmen kaum direkt von den Strukturstärkungsgeldern profitieren konnten, lediglich der Just Transition Fund war hier eine Anlaufstelle. Da wurde inzwischen von Bundesseite nachjustiert, dass nun auch Unternehmen Förderanträge stellen können. Die private Wirtschaft ist ein wichtiger Treiber Richtung Klimaneutralität und es ist entscheidend, dass wir ihnen die Möglichkeit einräumen, Unterstützung für die Transformation zu beantragen.

W+M-Wahlprüfstein 2

Wie kommt der Ausbau der Erneuerbaren Energien in Brandenburg voran und welche Rolle spielen die Erneuerbaren Energien für die Wirtschaft in Brandenburg?

Brandenburg gehört mit über 4.000 Windenergieanlagen und über 100.000 PV-Anlagen zu den Bundesländern mit der höchsten installierten Leistung an erneuerbaren Energien. Doch in den letzten Jahren drohte Brandenburg den Anschluss zu verlieren, da der weitere Ausbau ins Stocken geriet. Diesen Trend konnten wir durch zahlreiche neue Bundes- und Landesregelungen unter Bündnisgrüner Regierungsbeteiligung beenden. So gab es Neuerungen beim Denkmal- und Artenschutz, die Umstellung von Windeignungs- auf Windvorrangflächen in der Regionalplanung oder die gesetzliche Verankerung der Flächenziele. Dies hatte einen positiven Effekt auf die Neugenehmigungen von Windenergieanlagen. Diese stiegen in 2023 um fast 100 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch bei der Solarenergie geht es durch Planungshilfen für die Kommune, den Solaratlas oder der vorsichtigen Öffnung der Landschaftsschutzgebiete voran. Grüne Politik wirkt!

Damit wir die Ziele der Energiestrategie erreichen, müssen wir den Ausbau auch in Zukunft weiter vorantreiben. So muss z.B. die Leistung von Windenergie in Brandenburg jährlich um über 400 MW steigen, damit wir das Ziel von 11.500 MW bis 2030 erreichen. Dabei geht es immer seltener um neue Flächen und immer öfter um den Ersatz bestehender durch leistungsstärkere Anlagen. Diese weisen nicht nur eine höhere Nennleistung, sondern auch höhere Volllaststunden auf.

Die Erneuerbaren Energien erfüllen gleich mehrere wichtige Rollen für die Wirtschaft. Als günstiger Energieträger können Sie die Energiekosten der Wirtschaft stabilisieren, wenn nicht gar senken. Dies würde für Brandenburg umso deutlicher, wenn die durch die Netzagentur vorgeschlagene Reform der Netzentgelte vollzogen wird. Als grüner Energieträger können die Erneuerbaren einen großen Beitrag zur Dekarbonisierung zahlreicher Wirtschaftsprozesse, zur Verbesserung der Energiebilanz und zur Erfüllung der Anforderungen des ESG leisten.

Insbesondere zur Sektorenkopplung oder zur Erzeugung grünen Wasserstoffs sind die Erneuerbaren Energien essenziell. Somit wird die Verfügbarkeit der Erneuerbaren Energien auch zu einem Standortfaktor für Brandenburg. Schließlich ist die Erneuerbaren Energien-Branche selbst ein lukrativer Wirtschaftszweig, der Wertschöpfung schafft, an dem insbesondere KMU profitieren können, bei dem Menschen Arbeit finden und an dem die Kommunen über EEG oder Sonderabgaben (Wind- und Solareuro) finanziell profitieren.

W+M-Wahlprüfstein 3

Was sind Ihre Konzepte zur Behebung des Fachkräftemangels?

Wir wollen den Fach- und Arbeitskräftemangel ganzheitlich angehen, das heißt mit einem umfassenden Bündel von Maßnahmen. Ein wichtiger Weg ist die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen in Brandenburg, indem wir Kindebetreuung und Pflegeanagebote im Land ausbauen, während Betriebe flexible Arbeitsmöglichkeiten anbieten.

Ebenso ist die Aus- und Weiterbildung entscheidend. Wir setzen uns dafür ein, dass kleine und mittlere Unternehmen bei der Qualifizierung ihrer Arbeitnehmer*innen unterstützt werden. Für ältere Menschen wollen wir durch entsprechende Qualifizierungen die Möglichkeiten verbessern, beruflich aktiv zu belieben. Außerdem unterstützen wir die Beratung zu Maßnahmen der Betrieblichen Gesundheitsvorsorge, um die Arbeitskraft der Menschen länger zu erhalten. Menschen mit Behinderung wollen wir besser am Arbeitsmarkt einbinden.

Zuletzt unterstützen wir ausdrücklich die Integration von Geflüchteten und Zuwanderung von Arbeitskräften. Wir wollen Geflüchtete schneller in Arbeit bringen, Arbeitskräfte zügiger nachqualifizieren und ausländische Abschlüsse schneller anerkennen.

Abschließend bleiben natürlich die Unternehmen aufgerufen, durch Innovation und Investition die Effizienz ihrer Prozesse zu erhöhen und so den erforderlichen Personaleinsatz zu reduzieren.

W+M-Wahlprüfstein 4

Was sind Ihre Vorschläge für Bürokratieabbau im Land zum Nutzen der Wirtschaft?

Wir wollen bürokratische Prozesse für Unternehmen effizienter gestalten ohne soziale und ökologische Standards zu vernachlässigen. Durch ein ganzheitliches, rechtsgebietsübergreifendes Vorgehen sollen Prozesse vereinfacht und Bürokratielasten abgebaut werden. Dabei wollen wir Unternehmen und andere Beteiligte von Anfang an mit einbeziehen, wie dies modellhaft beim Praxis-Check im Bereich von PV-Anlagen durch das BMWK erfolgt ist. Dazu möchten wir eine zentrale Plattform für den Kontakt mit Behörden einrichten.

Um bürokratische Entscheidungen zu beschleunigen, fordern wir außerdem mehr Personal in den Genehmigungsbehörden. Aufgrund des Arbeits- und Fachkräftemangels ist aber insbesondere die Digitalisierung von Arbeitsabläufen in der Wirtschaft und der Verwaltung enorm wichtig für die Beschleunigung von bürokratischen Prozessen. Mit dem Gesetz zum Abbau von Schriftformerfordernissen haben wir in dieser Legislaturperiode die Grundlage für eine weitere Digitalisierung geschaffen. Wie der OZG-Bericht der Landesregierung (Drucksache 7/3439-B) zeigt, kommt die Digitalisierung der Verwaltungsprozesse in Brandenburg leider nur langsam voran.

Damit sich dies in der nächsten Legislaturperiode ändert, fordern wir einen strukturellen, organisatorischen und finanziellen Neustart der Digitalisierung in Brandenburg. Ein von uns in Auftrag gegebenes Impulspapier des Fraunhofer FOKUS empfiehlt die Bündelung von Zuständigkeiten in einem Digitalministerium, die Einführung eines Digitalchecks auf Landesebene, sowie die Bereitstellung von IT-Komponenten durch das Land an die Kommunen. Für die Umsetzung dieser Maßnahmen werden wir uns in der nächsten Legislaturperiode einsetzen und der Digitalisierung eine neue Priorität einräumen.

W+M-Wahlprüfstein 5

Wie beurteilen Sie die wirtschaftliche Entwicklung Brandenburgs und was sind Ihre Konzepte zur Verbesserung der Standortbedingungen?

Trotz multipler Krisen in den letzten Jahren hat sich die brandenburgische Wirtschaft insgesamt gut entwickelt. Zu diesem Schluss kommt der Mittelstandsbericht 2019 – 2024 des Landes Brandenburg. So lag das Wirtschaftswachstum in Brandenburg in 2023 mit 2,1 Prozent deutlich über dem bundesweiten Wachstum von – 0,3 Prozent. Brandenburgs Wirtschaft ist krisenfest!

Insgesamt steht die Brandenburgische Wirtschaft vor großen Herausforderungen. Unternehmen in Brandenburg kämpfen mit Auftragsrückgängen, gestiegenen Energiepreise, Arbeits- und Fachkräftemangel, sowie hohen bürokratischen Anforderungen. Die Wirtschaft steht zudem vor den gewaltigen Transformationen der Klimaneutralität und Digitalisierung. Wir wollen prüfen, ob die bestehenden Förderprogramme ausreichen, um die Unternehmen mit ausreichenden Mitteln für die grüne und digitale Transformation auszurüsten.

Gerade im Berliner Umland werden Gewerbe- und Industrieflächen zunehmend knapp. Wir wollen insbesondere die kleinen, ländlichen Kommunen bei der Entwicklung von Gewerbe- und Industriegebieten unterstützen. Wir legen besonderes Augenmerk, darauf, bestehende Flächen auf die heutigen Anforderungen (z.B. Internet-Anbindung) aufzurüsten und ungenutzte Flächen zusammenzufassen, um Platz für Neuansiedlungen zu schaffen. Wir wollen prüfen, ob das durch eine Landesgesellschaft unterstützt werden kann, die in Zusammenarbeit mit den Kommunen bestehende Flächen aufbereitet und für Unternehmen nutzbar macht.

Wir setzen uns für einen schnellen und flächendeckenden Ausbau der digitalen Infrastruktur, sowie des ÖPNV ein. Der ÖPNV muss so gestaltet werden, dass es insbesondere in den Stoßzeiten des Berufsverkehrs nicht zu einer Überlastung kommt. Dabei müssen wir Innovative Lösungen für den ÖPNV, insbesondere für den Anschluss an das Schienennetz, mitdenken. Für ein effizientes ÖPNV-Netz (insb. mit Ruf- und Plusbussen), unterstützen wir die Sanierung baufälliger Verkehrsstraßen sowie deren Instandhaltung. Für viele Unternehmen ist die Verfügbarkeit von erneuerbarer Energie ein entscheidender Faktor. Wir streben an, dass in Gewerbegebieten Anlagen für grünen Strom und Speichersysteme schneller genehmigt und errichtet werden und der Strom direkt vor Ort nutzbar ist. Unsere Konzepte zum Abbau bürokratischen Hürden und der Lösung des Fach- und Arbeitskräftemangels finden sich oben.

Außerdem wollen wir den Wissenstransfer von Brandenburger Hochschulen und Forschungseinrichtungen in die Praxis stärken und so Innovation fördern. Dazu wollen wir vorhandene Strukturen und Ansätze, wie die Transfer- und Präsenzstellen sowie Förder- und Unterstützungsstrukturen für Gründungen und Start-ups weiter ausbauen.

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