W+M-Parteien-Umfrage: Thüringen hat die Wahl. Thomas L. Kemmerich (FDP)

Am 1. September wählen die Bürger und Bürgerinnen den neuen Sächsischen Landtag. Eine richtungsweisende Entscheidung auch für die sächsische Wirtschaft. Deshalb hat Wirtschaft+Markt die Positionen der Parteien zu wichtigen wirtschaftspolitischen Themen in Sachsen abgefragt. Die Antworten der wirtschaftspolitischen Sprecher haben wir thematisch zugeordnet und gesondert veröffentlicht.

Hier die Antworten von Thomas L. Kemmerich (FDP)

Vorsitzender der FDP Thüringen

Thomas L. Kemmerich (FDP), geb. 1965 in Aachen, Jurist, ist seit 1999 Vorstandsvorsitzender der Friseur Masson AG. Im Jahr 2020 war er für wenige Wochen Ministerpräsident des Freistaats Thüringen. Seit 2019 sitzt er zum zweiten Mal im Thüringer Landtag und ist dort Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft und im Haushalts- und Finanzausschuss.

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W+M-Wahlprüfstein 1

Wie steht es aus Ihrer Sicht um die Energiewende in Thüringen und wie ist Ihre Position beim Thema „Wind über Wald“?

Das Vorhandensein einer zukunftsweisenden Energie-Infrastruktur ist eine der globalen Fragen des 21. Jahrhunderts. Der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft bei gleichzeitig voranschreitender Elektrifizierung wird nur mit ausreichend verfügbarer und kostengünstiger Energie gelingen. Der vorzeitige Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie, noch dazu während der Energiekrise, ist ein Kardinalfehler. Wir stehen für eine ideologiefreie Energiepolitik, die alle verfügbaren und zukünftigen Technologien berücksichtigt. Deutschland muss die bestehenden AKW wieder nutzen und in die Forschung intensivieren. Der Bau neuer AKW darf kein Tabu sein; er ist vielmehr ein Gebot der Vernunft.

Die Energiewende muss zugleich lokal gestaltet werden. Deshalb wollen wir eine verstärkte Unterstützung für regionale, energetische Gesamtlösungen. Diese Maßnahme zielt darauf ab, die Versorgungssicherheit zu erhöhen, die Energiepreise zu stabilisieren und den Weg zur Dekarbonisierung zu ebnen. Dabei ist die Einbindung der lokalen Akteure wichtig. Die Verbindung von Städten, Gemeinden, Fachleuten und regionalen Unternehmen ist entscheidend für die erfolgreiche Realisierung von Energieprojekten. Wir wollen Thüringens als Standort für Power-to-X Technologien und als Speicher- und Technologiestandort für Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe entwickeln.

Windkraft und Photovoltaik alleine können weder den Energiehunger stillen noch sind sie grundlastfähig. Dies gilt angesichts der konkreten geografischen sowie meteorologischen Gegebenheiten erst recht für ein Land wie Thüringen. Das einseitige Setzen der rot-rot-grünen Landesregierung auf Windstrom wird den Ansprüchen an eine sichere Energieversorgung nicht gerecht. Nicht zuletzt treffen die bis zu 250 Meter hohen Windräder aus vielerlei Gründen verständlicherweise auf Widerstände der Menschen. Die FDP Thüringen lehnt den Bau von Windkraftanalgen in Wäldern strikt ab. Wir haben in dieser Legislatur aus der Opposition heraus eine Änderung des Thüringer Waldgesetzes initiiert und dafür im Thüringer Landtag eine Mehrheit gefunden.

W+M-Wahlprüfstein 2

Wie stehen Sie zu Subventionen des Landes für Großansiedlungen wie CATL?

Bei jeder geplanten Subvention bedarf es einer konsequenten volkswirtschaftlichen Abschätzung der Folgen. Vorteile können die Förderung von Innovation, die Unterstützung von benachteiligten Regionen, die Stärkung von Wirtschaftsbereichen und die Erreichung ökologischer Ziele sein. Nachteile können Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der mittelständischen Wirtschaft sein. Aber auch Fehlallokationen von Ressourcen sowie die Erhöhung der öffentlichen Schulden sind mögliche Folgen.
Bei Vorliegen berechtigter Zweifel sollte die Entscheidung gegen Subventionen fallen.

W+M-Wahlprüfstein 3

Thüringen steht beim Digital-Ranking des Branchenverbandes BITKOM an letzter Stelle. Was muss für die Digitalisierung getan werden?

Die zentrale Aufgabe der Digitalisierung erweist sich in Thüringen seit Jahren als permanentes Staatsversagen. Die rot-rot-grüne Landesregierung beweist weder Gestaltungswillen noch Führungsstärke, während sie andererseits ein lähmendes Zuständigkeits-Pingpong seitens der staatlichen Akteure zulässt.

Damit Thüringen endlich rauskommt aus der digitalen Steinzeit, braucht es ein entschlossenes und koordiniertes Umsteuern: Die Digitalisierung muss zur Chefsache der künftigen Landesregierung werden. Alle Institutionen und Projekte sollten auf dem Prüfstein gestellt und möglichst konsolidiert werden. Die Effizienz ist zu steigern. Doppelstrukturen sind zu vermeiden. Unser Ziel ist es, Thüringen zu einem attraktiven und wettbewerbsfähigen Standort zu entwickeln, indem wir die Digitalisierung in Verwaltung, Wirtschaft, Bildung, Justiz, Wissenschaft und Gesundheit vorantreiben.
Ein flächendeckendes Gigabit-Internet ist essenziell für die Daseinsvorsorge. Wir setzen auf den eigenwirtschaftlichen Ausbau und eine Willkommenskultur für Telekommunikationsunternehmen, um Versorgungslücken zu schließen und die digitale Infrastruktur zu stärken. Wir wollen den beschleunigten Ausbau auch durch den Abbau bürokratischer Hemmnisse erreichen.

W+M-Wahlprüfstein 4

Was sind Ihre Vorschläge für Bürokratieabbau im Land zum Nutzen der Wirtschaft?

Wir setzen uns für eine zeitliche Begrenzung von Gesetzgebungen und Verordnungen ein, um eine regelmäßige Überprüfung ihrer Notwendigkeit und Wirksamkeit sicherzustellen. Zudem befürworten wir die Einführung der „One in – Two out“-Regelung, die für jede neue Vorschrift die Streichung zweier Bestehender verlangt.

Es ist uns ein Anliegen, nicht mehr zeitgemäße oder unnötige Bestimmungen zu eliminieren und die Überprüfung von Bürokratiekosten bereits während des Gesetzgebungsprozesses zu standardisieren. Wir fordern die Erprobung neuer Regelungen in einem kontrollierten Rahmen, wobei die Absenkung von Standards zu akzeptieren ist.

Die FDP Thüringen setzt sich für eine umfassende Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren ein. Unser Ziel ist es, Thüringen an die Spitze der Bundesländer zu bringen, wenn es um Effizienz, Innovation und Wachstumsförderung geht. Dazu gehört:
● die Ernennung von Modellregionen für innovative Ansätze
● die Verkürzung von Dokumentationsfristen
● die Reduzierung der Häufigkeit von Sozialversicherungs- und Betriebsprüfungen
● die Intensivierung des direkten Datenaustauschs zwischen Behörden zur Vermeidung doppelter Datenerfassung (Once-Only-Prinzip)
● die Umsetzung von EU-Vorgaben ohne zusätzliche nationale oder weitere länderspezifische Auflagen
● sowie die Vereinfachung des Vergaberechts auf Bundes- und Länderebene, einhergehend mit der Forderung der Abschaffung des Vergabemindestlohns und der Tariftreuepflichten.

 W+M-Wahlprüfstein 5

Wie beurteilen Sie die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung des Landes und was sind Ihre Vorschläge zur Verbesserung der Standortbedingungen?

Thüringen hat 90 Weltmarkt- und Technologieführer. Andererseits ist Thüringen im Ländervergleich der Wirtschaftsleistung auf den vorletzten Platz zurückgefallen. Damit dürfen wir uns nicht abfinden! Nach 10 Jahren unter Rot-Rot-Grün muss Thüringen endlich wieder mehr Wirtschaftswachstum ermöglichen. Das, was die vor allem mittelständisch geprägte Wirtschaft braucht, sind faire Rahmenbedingungen. Es kommt darauf an, Fortschritt und Strukturwandel durch politische Entscheidungen zu unterstützen, statt sie mit ausufernder Bürokratie und mangelnder Digitalisierung auszubremsen. Die Rolle des Staats muss die eines Wegbereiters statt eines Verhinderers sein. Das Signal muss lauten: Investitionen in den Standort lohnen sich wieder.

In einer sich stetig verändernden Welt müssen Pragmatismus, Ideenreichtum und eine freiheitliche Politik, die die Eigenverantwortung stärkt, im Zentrum stehen. Daher schlagen wir neben einer bewährten mittelstandsorientierten Wirtschaftspolitik auch neue Wege vor. Dazu gehört das Schaffen einer Sonderwirtschaftszone, in der mehr Spielraum für Pilotprojekte aus Wirtschaft, Forschung und Entwicklung möglich ist.