W+M-Parteien-Umfrage: Thüringen hat die Wahl. Diana Lehmann (SPD)
Am 1. September wählen die Bürger und Bürgerinnen den neuen Sächsischen Landtag. Eine richtungsweisende Entscheidung auch für die sächsische Wirtschaft. Deshalb hat Wirtschaft+Markt die Positionen der Parteien zu wichtigen wirtschaftspolitischen Themen in Sachsen abgefragt. Die Antworten der wirtschaftspolitischen Sprecher haben wir thematisch zugeordnet und gesondert veröffentlicht.
Hier die Antworten von Diana Lehmann (SPD)
Sprecherin für Arbeit, Wirtschaft, Tourismus, Rente und Familie der SPD-Fraktion
Diana Lehmann (SPD), geb. 1983 in Jena, Soziologin, war von 2011 bis 2014 Referentin im Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Technologie. Seit 2014 ist sie Mitglied des Thüringer Landtags und seit 2023 dessen Vizepräsidentin. Zudem sitzt sie im Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft.
W+M-Wahlprüfstein 1
Wie steht es aus Ihrer Sicht um die Energiewende in Thüringen und wie ist Ihre Position beim Thema „Wind über Wald“?
Für uns ist klar, dass die Energiewende langfristig Arbeitsplätze in der Industrie, im Handwerk und in den vielen kleinen und mittleren Unternehmen in Thüringen sichert. Wenn wir über die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit von Thüringen als Wirtschaftsstandort sprechen wollen, kommen wir an dem massiven Ausbau von erneuerbaren Energien nicht vorbei. Im vergangenen Jahr hat eine vom SPD-geführten Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Studie gezeigt, dass mit einem zügigen Ausbau der Erneuerbaren Energien für die Dekarbonisierung der Wirtschaft in den nächsten zehn Jahren zusätzliche Wertschöpfung von etwa 23,5 Milliarden Euro erzeugt werden könnte. Theoretisch müssten alle demokratischen Parteien angesichts solcher Prognosen sich auf den Ausbau erneuerbaren Energien verständigen können. Dazu gehört aus unserer Sicht auch das Nutzen von geeigneten Waldflächen für Windkraft. Es ist daher unverständlich, dass CDU und FDP mit Hilfe der AfD gemeinsam im Thüringer Landtag im Dezember 2023 den Bau von Windrädern in Wäldern erheblich erschwert haben. Folgerichtig haben sie damit den Unmut von energieintensiven Thüringer Unternehmen auf sich gezogen, die auf den Ausbau von erneuerbaren Energien angewiesen sind.
W+M-Wahlprüfstein 2
Wie stehen Sie zu Subventionen des Landes für Großansiedlungen wie CATL?
Die Ansiedlung des Batterieherstellers CATL war ein gutes Zeichen für den Wirtschaftsstandort Thüringen. Die Produktion von Batteriezellen ist bedeutend für die Zukunft der Elektromobilität. Dennoch ist für uns wichtig, die Wirtschaftsförderung zukünftig stärker an soziale Kriterien zu knüpfen. Neben der Schaffung neuer Arbeitsplätze durch Ansiedlungen soll die Sicherung von „Guter Arbeit“, die die Beschäftigten mitbestimmt und tarifiert entlohnt, als weiterer Förderschwerpunkt etabliert werden.
W+M-Wahlprüfstein 3
Thüringen steht beim Digital-Ranking des Branchenverbandes BITKOM an letzter Stelle. Was muss für die Digitalisierung getan werden?
Es ist klar, dass Thüringen insbesondere im Bereich der Infrastruktur noch besser werden muss. Wo nicht hinreichend schnell und umfassend ausbaut wird, werden wir durch gezielte Förderung der Thüringer Glasfasergesellschaft in Beratung und den Ausbau eine flächendeckende Glasfasererschließung erreichen – wo immer möglich, sollen die Netze der Zukunft im Eigentum der Kommunen entstehen. Die Thüringer Unternehmen unterstützen wir in der Digitalisierung bereits auf verschiedene Weise. Ich möchte exemplarisch auf zwei Beispiele eingehen: Mit dem Kompetenzzentrum Wirtschaft 4.0 wollen wir Unternehmen und ihre Beschäftigten weiter dabei unterstützen, die Chancen der Digitalisierung zu ergreifen und gemeinsam über die Weiterentwicklung der Arbeitsprozesse und Geschäftsmodelle diskutieren. Außerdem unterstützen wir Digitalisierungsvorhaben von kleineren und mittleren Unternehmen durch einen Digitalbonus mit bis zu 15.000 Euro.
W+M-Wahlprüfstein 4
Was sind Ihre Vorschläge für Bürokratieabbau im Land zum Nutzen der Wirtschaft?
Wir werden die Bemühungen des Bundes zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren sowie zur Entbürokratisierung unterstützen. Wir haben im Landtag darauf geachtet, dass sich durch die Verabschiedung neuer Gesetze die Bürokratiekosten für kleinere und mittlere Unternehmen nicht erhöhen. Seit 2018 war dies lediglich bei der Verabschiedung des Klimaschutzgesetzes nicht möglich.
Den Zugang zu den Landesförderprogrammen sowie die Förderprogramme selbst werden wir einfacher ausgestalten. Hierbei setzen wir auf eine zentrale Förderplattform, die eine vollelektronische Abwicklung aller landeseigenen Förderprogramme ermöglicht.
Wichtig ist uns allerdings, dass Entbürokratisierung nicht den Abbau sozialer Standards für Arbeitnehmer:innen meint, die wir mühsam erkämpft haben. Und wir sehen noch andere Wege Bürokratie abzubauen, beispielsweise im Kontext des Vergabegesetzes, das die Vergabe öffentlicher Aufträge regelt. Wir planen die Vergabe öffentlicher Aufträge künftig nur noch an tarifgebundene Unternehmen zu vergeben, wodurch eine Reihe bisheriger Nachweispflichten entfallen würde.
W+M-Wahlprüfstein 5
Wie beurteilen Sie die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung des Landes und was sind Ihre Vorschläge zur Verbesserung der Standortbedingungen?
Wir alle wissen, dass wir mit der Dekarbonisierung, Digitalisierung und dem demografischen Wandel mit großen Herausforderungen konfrontiert sind. Zusätzlich kamen in den letzten Jahren die Folgen der externen Schocks durch die Corona-Pandemie und des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hinzu, die nicht spurlos an den Unternehmen vorbeigegangen sind. Die Krisen haben jedoch auch gezeigt, dass die Resilienz durch die Kleinteiligkeit der Thüringer Wirtschaft hoch ist. Thüringen verfügt zudem über eine hohe Innovationsfähigkeit, aufgrund der guten Vernetzung zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen. So belegt Thüringen bei den Patentanmeldungen einen vorderen Platz im Bundesländerranking.
Für das Gelingen des Strukturwandels braucht es klare politische Rahmenbedingungen und attraktive Förderinstrumente. Wir sind zudem überzeugt davon, dass wir den Strukturwandel nur erfolgreich meistern, wenn wir die Umwandlungsprozesse sozial gerecht gestalten. Als Sozialdemokrat:innen stehen wir fest an der Seite der Arbeitnehmer:inen und setzen deshalb auf ihre Expertise in der Transformation. Für ihre Unterstützung haben wir unter anderem die erste Technologie- und Transformationsberatungsstelle in Ostdeutschland auf den Weg gebracht. Ebenfalls klar ist, dass wir das Arbeiten attraktiver machen müssen mit einer Erhöhung der Tarifbindung und der Verbesserung des Lohniveaus. Auch die bessere Vereinbarkeit von Familie/Pflege und Beruf ist für uns ein wichtiges Ziel, wofür die Stärkung der Sozialwirtschaft unerlässlich ist. Wir müssen angesichts des Fachkräftemangels die duale Ausbildung weiter stärken und auf Zuwanderung setzen. Allen Menschen, die nach Thüringen zuwandern, wollen wir die bestmöglichen Startbedingungen bieten. Uns ist außerdem bewusst, dass wir ein Klima der Toleranz und Weltoffenheit brauchen, damit sich alle Menschen in Thüringen wohlfühlen und hier ein zu Hause finden. Dafür kämpfen wir auf allen Ebenen.